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03.04.2019
Hinweis

Schnellere Entscheidung für das Kindeswohl

Eine Bereitschaftspflegemutter hat eine Online-Petition an den Petitionsausschuss, an das Bundesfamilienministerium und an das Bundesjustizministerium eingerichtet. Es geht ihr um die schnellere Klärung der zukünftigen Perspektiven von Pflegekindern in Bereitschaftspflege.
Wortlaut der Petition

Sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses des Bundestages, Frau Bundesministerin Giffey und Frau Bundesministerin Barley!

Vor einigen Jahren haben wir uns als Familie entschlossen, den schwächsten Mitgliedern in unserer Gesellschaft Unterstützung zu geben: Kindern, die aus den verschiedensten Gründen nicht in ihrem Elternhaus aufwachsen können.

Mit diesem Vorhaben haben wir uns inzwischen unter die Trägerschaft der Praxis Erziehungshilfe in Bergisch Gladbach begeben. Ein Arbeitsbereich der Praxis Erziehungshilfe ist die Beratung und intensive Begleitung von Familien, die bereit sind, Kinder vorübergehend in ihren Familien aufzunehmen.

Diese Kinder werden aus akuten Krisen- und Gefährdungssituationen durch das Jugendamt aus ihrem Zuhause herausgeholt und in Bereitschaftspflegefamilien wie der unseren zeitlich begrenzt untergebracht. Laut statistischem Bundesamt waren davon im Jahr 2017 deutschlandweit 61.400 Kinder und Jugendliche betroffen.

Der Verbleib der Kinder in den Bereitschaftspflegefamilien richtet sich nach dem Verlauf der Perspektivklärung: Wie wird das Kind zukünftig untergebracht? Kann es zurück ins Elternhaus? Benötigt es für seine Entwicklung spezielle Hilfe? Muss gerichtlich verhandelt werden? Kommt eine psychologische Begutachtung der beteiligten Familienangehörigen zur richterlichen Urteilsfindung dazu?

Die Dauer dieser Perspektivklärung sprengt in der Regel die Bedeutung des Wortes „vorübergehend“ oder „vorläufig“ - der Wortlaut aus § 33 SGB VIII „zeitlich befristet“ ist strapazierfähig und dehnbar. Nicht selten ist die Verweildauer der mitunter hoch belasteten oder gar traumatisierten Kinder in unseren „Übergangsfamilien“ mehr als ein Jahr!

In der praktischen Arbeit erleben wir, dass spätestens nach sechs bis neun Monaten die fachliche Distanz dahinschmilzt. Das Kind wird innerhalb dieser Zeit immer mehr Teil der Familie. Muss es dann nach vielen Monaten beispielsweise in eine Dauerpflegestelle wechseln, erlebt es einen erneuten Beziehungsabbruch, eine wiederholte Traumatisierung. Dem Kind wird Schaden zugefügt.

Gerade in den ersten drei Lebensjahren benötigen Kinder Geborgenheit, Stabilität und Kontinuität, um sich gesund entwickeln zu können. Jedes Kind sollte die Chance haben, in einer stabilen Geborgenheit aufzuwachsen! Dafür ist die zeitlich befristete Bereitschaftspflege jedoch nicht vorgesehen.

Wir als Bereitschaftspflegefamilie bauen selbstverständlich zu den Kindern eine Beziehung auf, das ist für sie auch nahezu lebensnotwendig – denn dem Kind wird durch die Inobhutnahme alles Gewohnte, Bekannte, Geliebte genommen.

Nun soll es natürlich intensiv auf- und angenommen werden, um die Zukunftswege zu ebnen und die nächste Hürde zu erleichtern. Je länger jedoch die Verweildauer, desto größer die Löcher, die in die Seelen der Pflegekinder gerissen werden, wenn dann endlich die Perspektive geklärt ist.

Und nicht nur die Pflegekinder, auch die „Pflegegeschwister“ leiden vermehrt – erhebliche Trauerbewältigung wird nötig, bei jedem Kind das in die Familie kommt und wieder geht - jedes Mal neu.

Wir fordern daher eine schnellere Bearbeitung in Jugendämtern und Gerichten! Die Anzahl der Jugendamtmitarbeiter und der Richter an den Amtsgerichten muss erhöht werden!

Begründung

Für Ämter und Gerichte sind die Kinder (gezwungenermaßen) Fall-, Akten- oder Vorgangsnummern. In unseren Familien sind sie Adam, Sophia, Isabella oder Fynn mit ihren Ängsten und Hoffnungen. Sie arrangieren sich in ihrer Not, beginnen Beziehungen aufzubauen, zu mögen, zu lieben, ja – zu leben. Sie erleben meist das erste Mal in ihrem Leben, was es heißt, eine Familie zu haben, angenommen zu sein, sich wohlzufühlen. Je länger sie in unseren Familien leben, je fester die Bindung und umso schmerzhafter die Trennung.

Daher: zum Wohle derer, die im Mittelpunkt unserer Gesellschaft stehen sollten und doch im Verlauf solcher Prozesse immer an letzter Stelle sind, benötigen wir eine Beschleunigung.

Jeder sieht sich oft hilflos gegenüber Entscheidungsträgern und amtlichen Abläufen. Helfen Sie mit, den Hilflosesten in unserer Gesellschaft mehr Platz, Fokus oder Gewicht zu verleihen. Zeigen Sie mit uns Verantwortung für schutzbefohlene Kinder!

Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Tabea Pioch aus Burscheid

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