In diesem Schwerpunktthema befassen wir uns mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern. Das Verhalten des Pflege- und Adoptivkindes hat natürlich etwas zu tun mit dem, was er in seiner Ursprungsfamilie erlebt hat, also mit dem „früher“. Das Verhalten hat aber auch etwas zu tun mit dem „Hier und Jetzt“ d.h. mit dem, wie die jetzigen Erwachsenen um das Kind herum auf sein Verhalten reagieren.
In diesem Schwerpunktthema befassen wir uns mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern. Das Verhalten des Pflege- und Adoptivkindes hat natürlich etwas zu tun mit dem, was er in seiner Ursprungsfamilie erlebt hat, also mit dem „früher“. Das Verhalten hat aber auch etwas zu tun mit dem „Hier und Jetzt“ d.h. mit dem, wie die jetzigen Erwachsenen um das Kind herum auf sein Verhalten reagieren.
Verhaltensauffälligkeiten sind für das Kind sinnvoll und machen Sinn. Ein auffälliges Verhalten ist eine Antwort, eine Lösung des Kindes auf ein Problem, dem es nicht anders zu begegnen weiß. Es sucht eine Lösung und hat sich dabei vergriffen. Es will nicht böse oder schlecht, aufmüpfig oder aggressiv sein, es weiß nur nicht den richtigen Weg. Wenn die Pflege- und Adoptiveltern, die ja die Experten für ihre Kinder sind, dies so sehen können, dann fühlen sie sich weniger provoziert und erkennen, dass das Kind Lösungen für ein Problem sucht – genau wie sie selbst.
Vor allem die heftigen Verhaltensweisen vieler Pflegekinder während der Phase von Konflikten (Übertragungsphase) fordern die Pflegeeltern in extremer Weise. Daher haben wir einige typische Verhaltensweisen beschrieben und mögliche Reaktionen der Pflegeeltern erläutert.
Probleme mit dem Essen zeugen davon, dass das Kind in seiner Vorgeschichte schwere Vernachlässigung erlitten hat. Besonders sehr junge Kinder leiden in starkem Maße unter Vernachlässigung, weil sie diesem Verhalten der Eltern nichts entgegen zu setzen haben und hilflos und ohne ein Zeitempfinden ausgeliefert sind. Für diese Kinder bedeutet Vernachlässigung eine Traumatisierung.
Behütete Kinder erleben in ihrer Entwicklung in den ersten Lebensjahren dass das Grundbedürfnis von Zugehörigkeit durch das fürsorgliche und angemessene Verhalten der Eltern wachsen kann. Sie fühlen sich den Eltern nahe, entwickeln Bindung und Vertrauen und entwickeln ein Gefühl von Nähe zu Vertrautem und Distanz zu Fremden. Diese Distanz zum Fremden entwickelt sich aus dem Wissen um die Nähe zum Vertrauten. Aus dem Vertrauten heraus betrachte ich mit Distanz das Neue und Fremde und entscheide dann, ob ich mich diesem Fremden nähere.
Nach der Übersiedlung in die Pflegefamilie muss das Kind erst einmal die Art und Weise des Lebens, Denkens und Handelns dieser neuen Familie kennen lernen. Es möchte aber nicht direkt unangenehm auffallen und so tut es denn so, als würde es alles verstehen und richtig machen.
Dazu schaut es sich an, was die anderen Mitglieder der Familie tun. Meist sucht es sich eines der Geschwisterkinder heraus und kopiert dessen Verhalten genau. Außerdem passt es sich den Tagesabläufen und Verhalten in der Familie sehr an. So kann es sein, dass es auch sofort Mama und Papa zu den Pflegeeltern sagt, weil dies die anderen Kinder ja auch tun.
Vernachlässigte Kinder sind – besonders wenn diese Vernachlässigung in den frühen ersten Lebensjahren geschah – traumatisierte Kinder. Pflegekinder sind sehr häufig schwer vernachlässigte Kinder, die den Erwachsenen noch nicht vertrauen. Diese Kinder leiden an einem Grundmangelgefühl. Sie haben das Gefühl, nie genug zu bekommen.
Sexualisiertes Verhalten eines Kindes drückt mit größter Wahrscheinlichkeit aus, dass das Kind sexuellen Missbrauch erlitten hat. Sexueller Missbrauch bedeutet, dass ein Erwachsener oder Jugendlicher seine Position der Macht, seine geistige und körperliche Überlegenheit und das Vertrauen und die Unwissenheit des Kindes dazu benutzt hat, seine eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
Es ist wichtig, dass Pflegeeltern aktiv auf Verhaltensauffälligkeiten reagieren. Diese Reaktion muss in einem zeitlichen Zusammenhang geschehen und dem Verhalten angemessen sein. Reagieren bedeutet auch ein Blickkontakt, eine Ermahnung, eine kurze Aufforderung, oder auch die Entscheidung das Verhalten zu ignorieren – ohne dass das Verhalten weiter diskutiert wird.
Als Tics bezeichnet man unwillkürliche, plötzlich einsetzende und wiederholt auftretende Zuckungen oder Lautäußerungen, die von den Patienten als unvermeidbar empfunden werden, jedoch zeitweise unterdrückt werden können.
Bei Konflikten mit Kindern wird durch erzieherisches Verhalten der Erwachsenen versucht, das Kind sozial verträglicher zu machen. Hilfreich ist auch die Veränderung des anderen Beteiligten am Konflikt – hier den Pflege- und Adoptiveltern. Sie können lernen vom Kind nur Dinge zu erwarten und zu fordern, die es auch leisten kann.
Loyalität ist ein Begriff für Gefühle der Treue, der Achtung, der Akzeptanz, der inneren Verbundenheit einem Menschen oder einer Idee gegenüber. Loyalität bedeutet, die Werte des anderen zu teilen und zu vertreten - auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt. Loyalität ist immer freiwillig. Problematisch wird Loyalität dann, wenn sie gefordert wird. Unterschiedliche Forderungen verschiedener Menschen oder Dienste führen zu Loyalitätskonflikten.
Die Kinder, die neu in Pflege-/Adoptivfamilien vermittelt werden haben meist eine schwierige Vorgeschichte, die dazu führt, dass sie kein Vertrauen zu Erwachsenen haben – im Gegenteil, sie misstrauen allem und allen. Sie haben erfahren, dass die Welt nicht verlässlich ist, dass das Leben bedroht wird, dass Hilfe kaum zu erwarten ist, das man auf sich allein gestellt ist. Es gilt eigentlich nur, das ‚hier und jetzt’ zu überleben und zu bewerkstelligen. Das Leben ist ein Kampf. Dies ist die Sicht der Welt dieser Kinder.
Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte ADOPT-Studie (Affektive Dysregulation – Optimierung von Prävention und Therapie) richtet sich in einem Teilprojekt speziell an Pflege- und Heimkinder, welche unter ausgeprägten Schwierigkeiten im Umgang mit negativen Gefühlen und Wutausbrüchen leiden. Die Leitung dieses Teilprojekts liegt bei Prof. Dr. Jörg M. Fegert (Ulm) und Prof. Dr. Michael Kölch (Rostock).
"Warum zeigt unser Erziehungsstellenkind ein spezielles Verhalten?" Diese Frage begegnet uns regelmäßig im Beratungsalltag mit Erziehungsstellenfamilien. In diesem Beitrag geht es um Erziehungsstellenkind Maria, die fremde Menschen anspricht und mit ihnen mitgehen möchte.