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01.01.2011
Erfahrungsbericht

Eine schnelle Entscheidung zum Wohl des Kindes

Bericht einer Bereitschaftspflegemutter

Ich kriegte den Anruf, ob ich ein Bereitschaftspflegekind für 8 Wochen aufnehmen würde. In dieser Zeit sollte wollte das Jugendamt alles mit der Mutter geklärt haben und erwartete, dass diese dann ihre Sachen in der Reihe haben würde.
Was war passiert, dass das Kind zu uns kommen musste?
Im ersten halben Jahr ist das Kind immer rumgereicht worden. 3 Wochen nach der Geburt war er schon mit Ernährungsstörungen im Krankenhaus, und die Mutter hat ihn dort nicht besucht. Dann war sie mit dem Kind bei ihrer Mutter, dort gab es auch eine Familienhelferin des Jugendamtes. Dann ist sie mit ihrer Mutter nicht mehr klar gekommen und ist mit dem Kind ins Mutter-Kind-Heim gegangen und hat auch dort das Kind den Leuten überlassen. Da gab es dann ein paar kritische Situationen in der Versorgung. Sie drohte auch mit Suicid und dass sie das Kind mitnehmen würde. Das Mutter-Kind-Heim wendete sich daraufhin an das Jugendamt. Dies nahm das Kind in Obhut und brachte es in die Bereitschaftspflegefamilie. Die Mutter stimmte dem aber letztendlich zu.

Es wurden wöchentliche Kontakte mit der Mutter vereinbart, aber nicht sie sondern die Oma ist regelmäßig gekommen. Die Mutter hatte vorher bei der Oma gelebt.

Vier Wochen nach der Unterbringungen wurde die Mutter volljährig. Nun sollte sie selbst beim Jugendamt den Antrag auf Hilfe zur Erziehung stellen. Die Mutter ist jedoch nicht zu diesem Termin gekommen. Auch weitere (zeitlich eng beieinander liegende) Aufforderungen halfen nicht.

Daraufhin hat sich das Jugendamt sofort an das Gericht gewandt um den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zu beantragten, damit der Junge abgesichert ist. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung reagierte die Richterin sofort und übertrag dem Jugendamt erstmal das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge.

Dann bestellte sie eine Verfahrenspflegerin, die zu uns in die Bereitschaftspflegefamilie kam. Als der Junge acht Wochen in unserer Familie war, war die Gerichtsverhandlung. Dem Jugendamt wurde die Vormundschaft übertragen.

Innerhalb der Bereitschaftszeit – etwa nach 4 Wochen – besprach das Jugendamt eine mögliche dauerhafte Unterbringung mit einer erwachsenen leiblichen Tochter der Pflegemutter. Beide wohnen in einem Haus und diese Tochter kannte das Kind vom ersten Moment an. Sie war damals, als das Kind vom Jugendamt angekündigt worden war, gerade einkaufen und als ihre Mutter anrief und sagte: „bring mal Windel etc. mit“ da war klar, dass ein Baby in die Familie kam. Sie hat das Kind dann immer mit versorgt.

Die Tochter konnte sich eine Dauerunterbringung des Kindes bei ihr gut vorstellen, denn - als sie das Baby gesehen hatte - war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Die Sozialarbeiterin des Jugendamtes besprach mit ihr, wie sie sich das vorstellte und ob diese Entscheidung dauerhaft in ihre Lebensplanung passen würde.

Während des Urlaubes hat sich die Tochter dies überlegt, mehrstündige Gespräche mit der Sozialarbeitern gingen dem bevor. Während des Urlaubes blieb der Junge in der Bereitschaftspflege. Als die Tochter aus dem Urlaub zurück kam, gab es wieder ein Besuchskontakt und dabei wurde dann die Unterbringung vereinbart
Nach 11 Wochen ging das Kind dann in Dauerpflege auf die Tochter über. Diese ist berufstätig, plante dann ½ Tage um sich um den Jungen kümmern zu können und Bindung zu ermöglichen. In dem anderen ½ Tag wird das Junge von der bisherigen Bereitschaftspflegemutter (Pflegeoma) versorgt.

Wir waren ganz angetan, dass das Jugendamt dies alles so reibungslos gemacht hat, weil es einfach für das Kind gut ist. Die Sozialarbeiterin des Pflegekinderdienstes kennt die jetzige Pflegemutter schon langjährig als Pflegeschwester unserer zwei größere Dauerpflegekinde. Wir empfanden das alles als eine klare Handlung zum Wohl des Kindes um ihm eine erneute Trennung zu ersparen.

Das Hilfeplangespräch legte fest, dass diese Unterbringung eine Dauerpflege ist mit Kontaktmöglichkeiten der leiblichen Mutter und der Oma zum Kind. Die Mutter nimmt die Kontakte nicht wahr. Der damalige Gerichtsbeschluss (s.o.) hatte bestimmt, dass das Kind in eine Dauerpflegefamilie unterzubringen ist, ohne Regelung von Besuchskontakten.

Uns gefällt besonders, dass in dieser Geschichte nicht noch weiter experimentiert wurde und die Chancen, die die Mutter in dem ersten halben Jahr des Kindes bekommen hatte, ausreichend gewesen seien. Da sie diese nicht hatte umsetzen können, wurde vom Gericht deutliche Klarheit gegeben und damit konnte auch das Jugendamt der Pflegemutter Klarheit vermitteln. Die Pflegemutter fühlt sich da auch ganz sicher und vertraut den Entscheidungen und Planungen des Gerichtes und des Jugendamtes.

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