Sie sind hier
Sprachentwicklungsstörungen
Themen:
Laut einem Arztreport der Barmer GEK in 2012 wird mittlerweile bei jedem dritten Kind im Vorschulalter eine Sprachentwicklungsstörung festgestellt. Bundesweit liegt der Anteil an Kindern mit Sprech- und Sprachstörungen bei 10,3 Prozent. Insgesamt sind innerhalb eines Jahres 1,12 Millionen Kinder zwischen 0 und 14 Jahren betroffen. Dabei fallen die Diagnoseraten bei Jungen durchgängig höher aus: Im sechsten Lebensjahr kommen sie auf einen Anteil von rund 38 Prozent, Mädchen auf 30 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Behandlung: 20 Prozent aller fünfjährigen Jungen erhalten eine Logopädie-Verordnung, dagegen nur 14 Prozent der gleichaltrigen Mädchen.
Ursachen für Störungen der Sprache
Ist die Sprachentwicklung eines Kindes gestört, kann dies verschiedene Ursachen haben. Grundsätzlich muss geklärt werden, in welchem Teilbereich die Probleme liegen.
Probleme können in folgenden Bereichen liegen:
- Hörstörungen: Beeinträchtigungen bei der Aufnahme sprachlicher Reize vom Ohr, ihrer Umwandlung in Nervenimpulse und auf ihrem Weg über die zentrale Hörbahn ins Gehirn (zum Beispiel extreme Lärmempfindlichkeit)
- Sprachstörungen: Beeinträchtigungen bei der kognitiven Verarbeitung der Sprache im Gehirn (zum Beispiel Wortfindungsstörungen)
- Sprechstörungen: Probleme bei der motorischen Ausführung der Sprache (zum Beispiel Lautbildungsstörungen wie Stottern)
- Stimmstörungen: Erkrankung der Stimmlippen (zum Beispiel Heiserkeit)
Zudem muss geklärt werden, ob die Störung allein auf der sprachlichen Ebene zu finden ist – dann wird von einer „spezifischen Sprachentwicklungsstörung“ gesprochen -, oder ob andere Beeinträchtigungen des Kindes die Sprachprobleme verursachen. Dies kann der Fall sein, wenn das Kind nicht gut hört, bei geistigen oder körperlichen Behinderungen und auch bei emotionalen Schädigungen.
Wann zum Logopäden?
Bei jedem Kind verläuft die Sprachentwicklung nach seinem individuellen Tempo. Hat ein Kind im Alter von vier Jahren noch Probleme, die Laute seiner Muttersprache richtig auszusprechen oder hat es auf grammatikalischer Ebene Auffälligkeiten, ist eine Vorstellung beim Logopäden / einer Logopädin ratsam. Eine logopädische Therapie ist – abhängig von der Störung - auch schon mit zwei oder drei Jahren möglich.
Fallen den Eltern die Probleme bei der Sprachentwicklung nicht auf, liegt es in der Zuständigkeit des Kinderarztes, diese bei den Vorsorgeuntersuchungen festzustellen und eine logopädische Behandlung in die Wege zu leiten. Leider werden Eltern oft erst bei der Schuluntersuchung kurz vor Schuleintritt des Kindes auf die Notwendigkeit einer Therapie hingewiesen. Für das Kind wird es mit zunehmendem Alter immer mühsamer, Sprach- oder Sprechstörungen mit Hilfe einer logopädischen Behandlung zu korrigieren.
Logopäden sind für die Behandlung von Sprach-, Sprech-, und Stimmstörungen zuständig. Bevor ein Kind beim Logopäden vorgestellt werden kann, führt der Arzt einen Hörtest durch, um Hörstörungen auszuschliessen. Entweder führt der Kinderarzt den Hörtest in seiner Praxis durch, oder er überweist das Kind zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Pädaudiologen. Auch ein Kiefernorthopäde kann eine logopädische Behandlung verordnen.
Der Logopäde/die Logopädin kann schliesslich genau diagnostizieren, in welchen Bereichen die Sprachentwicklungsstörung vorliegt. Während der Therapie, die natürlich spielerisch abläuft, berät der Logopäde die Eltern des Kindes und arbeitet mit ihnen zusammen. Für eine erfolgreiche Therapie ist notwendig, dass sich die Eltern mit ihrem Kind auch zuhause die Zeit nehmen, die Spiele und Übungen, die es beim Logopäden lernt, in den Alltag einzubauen. Dies heisst nicht, das Kind ständig zu verbessern, sondern beispielsweise jeden Tag für eine gewisse Zeit beim Spielen auf die richtige Aussprache zu achten. Natürlich hängt dies vom Alter und auch der Befindlichkeit des Kindes ab und wird individuell abgestimmt.
Sprachtherapie oder Sprachförderung?
Spätestens seit der PISA-Studie ist bekannt, dass nicht alle Kinder, die in die Schule kommen, ausreichende sprachliche Fähigkeiten besitzen, um den Anforderungen der Schule standzuhalten. Als Reaktion auf PISA haben die Bundesländer verschiedene Konzepte und Programme entwickelt, um die Sprach- und Sprechfähigkeit der Kinder bereits in der Vorschule zu fördern. Mittlerweile werden Sprachförderprojekte in Kindertagesstätten in allen Bundesländern durchgeführt. In Abgrenzung zu einer logopädischen Behandlung haben die Sprachförderprogramme eine pädagogische Zielsetzung. Kindern mit einer Sprach- oder Sprechstörung kann die Teilnahme an einem Sprachförderprogramm gut tun, doch in jedem Fall benötigen sie eine logopädische Therapie. Sprachstörungen können durch das pädagogische Angebot in der Kindertagesstätte nicht behandelt werden.
Viele Kinder, die an einem Sprachförderprogramm teilnehmen, sind Kinder mit Migrationshintergrund. Lernt ein Kind deutsch als zweite Sprache, hilft ihm die zusätzliche Förderung in der Kindertagesstätte, seine Deutschkenntnisse aufzuholen.
Auch einsprachige Kinder kommen in die Sprachförderung in der Kindertagesstätte:
- Kinder, die in schwierigen familiären Beziehungen aufwachsen,
- Kinder, denen bisher verlässliche Beziehungen fehlten,
- Kinder, mit denen zuhause nicht viel gesprochen wird,
- Kinder, denen nicht vorgelesen wird,
- Kinder, die mehrere Stunden am Tag vor dem Fernseher oder am PC sitzen.
Die Ursachen für Sprachauffälligkeiten sind vielfältig. Die Sprachförderung in der Kindertagesstätte kann helfen, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken und ihnen das Gefühl geben verstanden zu werden. Egal, was zusammen gemacht wird, in der kleinen Sprachfördergruppe fällt es den Kindern leichter, zu sprechen und zu erzählen.
Spielerisch erfahren die Kinder in der Sprachförderung neue Begriffe und lernen, diese anzuwenden durch:
- die Beschäftigung mit einem Thema (zum Beispiel: Familie), in denen bestimmte Wörter (Mutter, Vater, Bruder, Tante…) immer wieder vorkommen,
- die Begegnung mit Bilderbüchern und Erzählungen,
- Erzählkreise, zum Beispiel: „was hast du am Wochenende gemacht?“,
- Spiele, Reime, Lieder,
- Basteln,
- Rollenspiele,
- die Begegnung mit Schrift, zum Beispiel: Buchstaben stempeln, den eigenen Namen schreiben,
- Und viele weitere Erlebnisse, bei denen die Kinder aktiv ihre Sinne erfahren können.