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Keine Aufhebung der Minderjährigenadoption nach Volljährigkeit
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Zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.03.2014, XII ZB 504/12
Eine Kommentierung des Beschlusses durch Mitarbeiter des Landesjugendamtes Rheinland-Pfalz
Die Entscheidung
Die Aufhebung einer Adoption nach § 1763 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur „während der Minderjährigkeit des Kindes“ möglich. Für eine Aufhebung nach § 1771 Bürgerliches Gesetzbuch muss das „Kind“ schon bei der Adoption volljährig gewesen sein. Bei einer Minderjährigenadoption kommt daher nach dem Eintritt der Volljährigkeit eine Aufhebung auch bei schwersten Verfehlungen der Adoptiveltern nicht mehr in Betracht.
Die Rechtslage
Die Aufhebung einer Adoption ist gesetzlich in den §§ 1759 und 1771 Bürgerliches Gesetzbuch geregelt. Bei einer Minderjährigenadoption gilt § 1759 BGB, bei der Volljährigenadoption gilt § 1771 BGB. Volljährigen- und Minderjährigenadoption unterscheiden sich in ihrer Wirkung. Grundsätzlich sind an die Aufhebung einer Adoption strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine Adoption dient vor allem dazu, dem Kind ein zuverlässiges familiäres Umfeld zu geben, durch das sich seine Lebensverhältnisse so verbessern, dass eine stabile und positive Persönlichkeitsentwicklung erwartet werden kann. Das Kind soll eine Eltern-Kind-Beziehung zu den Adoptierenden aufbauen. Um dies zu gewährleisten soll eine Adoption auch nur in ganz strengen Ausnahmefällen aufgehoben werden können. Diese Ausnahmen ergeben sich zum einen aus § 1763 Absatz 3 BGB für den Fall der Minderjährigenadoption und aus § 1771 BGB für den Fall der Volljährigenadoption. Der Gesetzeswortlaut des § 1763 BGB lässt eine Aufhebung nur zu, solange der Angenommene noch minderjährig ist. Doch wie sieht die Rechtslage aus, wenn es sich ursprünglich um eine Minderjährigenadoption handelt und dieser Minderjährige erst nach Eintritt der Volljährigkeit einen Antrag auf Aufhebung der Adoption stellt?
Der Sachverhalt
Es handelt sich um die Frage der Aufhebung einer Minderjährigenadoption nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes bei einer schweren Verfehlung des Adoptivvaters.
Die im Februar 1991 geborene Antragstellerin wurde im Jahre 1992 von ihrer Mutter mit in die Ehe mit dem Antragsgegner gebracht. Der Antragsgegner adoptierte die Antragstellerin im Jahre 1994. Aus der Ehe der Mutter und dem Adoptivvater gingen noch vier weitere Kinder hervor, so auch eine im Jahre 1997 geborene Tochter. Sowohl die Antragstellerin, als auch die Halbschwester wurden seit ihrem sechsten Lebensjahr fortwährend durch den Antragsgegner sexuell missbraucht. Der Antragsgegner wurde im Jahre 2008 festgenommen und 2009 zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Antragstellerin wird seitdem psychotherapeutisch behandelt. Zeitweise befand sie sich in einer psychiatrischen Klinik. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag unternahm sie einen Suizidversuch. Im November 2009 beantragte die zwischenzeitlich volljährige Antragstellerin die Aufhebung der Adoption. Der Antragsgegner hat sich dem Antrag angeschlossen. Das Amtsgericht Offenburg wies den Antrag mit Beschluss vom 14.07.2011 zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 13.08.2012 ebenfalls zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Antragstellerin Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte mit Beschluss vom 12.03.2014 den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe und wies den Antrag ebenfalls zurück.
Die Gründe
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe halte einer rechtlichen Prüfung stand. Maßgeblich seien folgende Erwägungen:
Die Anwendung des § 1763 BGB scheidet aus. Die Aufhebung einer Adoption nach dieser Vorschrift sei nur dann möglich, wenn das Kind noch minderjährig ist. Dies gehe aus dem eindeutigen Wortlaut hervor. Auch § 1771 Satz 1 BGB sei nicht anwendbar. Diese Vorschrift gelte nur für Fälle, in denen das Annahmeverhältnis zu einem Volljährigen begründet wurde, wenn also der Anzunehmende bei der Adoption bereits volljährig war.
Letztlich könnten auch keine der Vorschriften analog herangezogen werden. Eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz liege nicht vor. Auch seien die Fälle von Aufhebung der Volljährigen- und der Minderjährigenadoption nicht miteinander vergleichbar. Hier sei vielmehr die Situation eines angenommenen und eines leiblichen Kindes vergleichbar. Bei einem leiblichen Kind könne die elterliche Sorge nach Eintritt der Volljährigkeit auch nicht mehr entzogen werden, genauso wie sich das volljährige Kind rechtlich nicht von seinen Eltern „trennen“ könne. Hierbei gehe es vor allem um eine soziale Absicherung. Das „Eltern-Kind-Verhältnis“ bestehe nicht nur, solange das Kind erziehungsbedürftig ist. Auch nach Eintritt der Volljährigkeit soll die familiäre Beziehung weiter bestehen. Das erwachsene Kind soll auch weiterhin der neuen Familie zugeordnet bleiben. Der Gesetzgeber habe daher bewusst auf eine Möglichkeit der Aufhebung der Minderjährigen-Adoption nach Eintritt der Volljährigkeit verzichtet.
Es sei zudem davon auszugehen, dass das Gesetz hier mit der Verfassung in Einklang steht. Es werde durch das Gesetz kein Grundrecht verletzt. Eine Verletzung des Art. 3 Grundgesetz, also dem allgemeinen Gleichheitssatz, komme nicht in Betracht. Dafür müsste wesentlich Gleiches ungleich behandelt werden. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Es müsse vielmehr zwischen Minderjährigen und Volljährigen unterschieden werden. Für einen Minderjährigen könne eine Aufhebung notwendig sein. Eine Aufhebung ist beispielsweise Voraussetzung für eine zweite Adoption. Für einen Volljährigen bestehe diese Notwendigkeit nicht. Ein Vergleich zwischen der Aufhebung einer Minderjährigen- und der Volljährigenadoption kann ebenso nicht angestellt werden. Dies ergebe sich schon aus der unterschiedlichen Wirkungen der beiden Adoptionsformen (starke und schwache Adoption).
Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG sei nicht verletzt. Zu beachten sei, dass bei der Aufhebung einer (starken) Minderjährigenadoption das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern wieder auflebt. Es entstehe somit kein „luftleerer Raum“ für das Kind. Würde man hier einer Aufhebung zustimmen, so stünde die Antragstellerin anders. Das Verwandtschaftsverhältnis zu ihrem leiblichen Vater würde nicht wieder aufleben, da sie bereits volljährig ist.
Die Folge
Der hier ergangene Beschluss bestätigt die bisherige Rechtsprechung und Meinung der Literatur in vergleichbaren Fällen. Zwar gab es zwischenzeitlich Stimmen, die in einem solchen Falle für eine Aufhebung der Adoption plädierten. Diese Ansicht wurde jedoch bereits vor einiger Zeit weitgehend aufgegeben. Eine Grenzziehung zwischen einem tatsächlichen Härtefall und einem „nicht so schwerwiegenden“ Härtefall würde sich als besonders schwierig erweisen und zu Einzelfallungerechtigkeiten führen. Es mag zwar moralisch und sittlich fraglich sein, inwiefern die Aufrechterhaltung dieser Adoption zu rechtfertigen ist. Aus rechtlicher Sicht ist dies jedoch eine konsequente Entscheidung und steht mit der Verfassung in Einklang.
Quelle: LJA-Info Rheinland-Pfalz vom August 2014 (mit freundlicher Genehmigung)
Iris Egger-Otholt
Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz und Hessen
Landesjugendamt Rheinland-Pfalz
Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, Mainz
Friederike Seus
Rechtsreferendarin im Landesjugendamt