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23.05.2008
Erfahrungsbericht

Grüne Gummistiefel im weihnachtlichen Osterwald

Eindrücke eines iCando-Wochenendausfluges für Pflegekinder

Eindrücke eines iCando-Wochenendausfluges für Pflegekinder

von Herrn Beuscher

Seit 2003 bieten die gemeinnützigen Organisationen Wildfang e.V. und Pflitz gGmbH Ferienfahrten speziell für Kinder und Jugendliche aus Pflege- und Adoptivfamilien an.
Kagel/Brandenburg, Samstag, 14.30 Uhr

Grüne Gummistiefel knirschen sich durch den nassen Schnee des Kageler Waldes. Ein Mann in blauer Jeans und dicker schwarzer Jacke läuft mit eiligem Schritt über Baumstämme und Wurzelwerk. Die Mütze ist tief ins Gesicht gezogen. Er trägt zwei Aldi-Tüten bei sich und blickt sich suchend um. Es ist still. Kein Mensch, kein Tier ist zu sehen. Nur Schnee und Bäume. Dort, wo ein paar kleine Kiefern sehr dicht beieinander stehen, öffnet er eine seiner prall gefüllten Tüten.

Weihnachtskugeln und Lametta kommen zum Vorschein. Behutsam und irgendwie feierlich werden sie an eine der kleinen Kiefern gehangen. Es ist der 12. März.
Knuth Gründer heißt der eigenartige Spaziergänger. Er ist einer der drei Wildfang- und PfliZ-Mitarbeiter, die an diesem Wochenende die Pflege- und Adoptivkinder des iCanDo-Projektes in Kagel betreuen. "Nur, wenn die Kinder aktiv sind, setzen sie sich mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander. Das ist die Grundlage für unsere pädagogische Arbeit."

Spannende Aktionen stehen bei iCanDo auf der Tagesordnung. Die pädagogischen Mitarbeiter sind immer dabei. Sie moderieren die Aktionen, intervenieren oder lassen auch manchmal den Dingen ihren freien Lauf.

Dieses Wochenende steht ganz im Zeichen der Ostervorbereitung. Die "Trockenübungen" absolvierten die Mädchen und Jungen bereits im Tagesraum. Mit verbundenen Augen wurden Plastikenten gesucht. Es gab Punkte und Preise.

Die Kolleginnen Marita Leßny und Anke Baumbach werden bei solchen Aktivitäten immer wieder mit unvorhersehbaren Reaktionen einzelner Kinder konfrontiert. Janina* möchte unbedingt mitmachen. Die Dunkelheit durch die verbundenen Augen löst aber große Ängste bei ihr aus. "Ich kann das nicht!", ruft sie und reißt sich die Augenbinde ab. Tränen stehen ihr in den Augen. Marita drückt sie, redet beruhigend auf sie ein. Janina möchte so gern mitspielen. Nach einer Weile probiert sie es nochmals. Ein dünneres Tuch wird ihr vor die Augen gelegt. Schemenhaft erkennt sie die Personen um sich herum. Janina atmet tief. Marita legt ihr die Hand auf die Schulter, spricht mit ruhiger Stimme. Nach 30 Sekunden ist die Zeit um. Fünf Entchen und 4 Gummitiere sind ihre Ausbeute. Janina strahlt. Alles jubelt.

Nun sind die "Trockenübungen" vorbei. Es geht hinaus in den Wald. Cross-over-Eierlauf ist für die "Großen" keine besonders schwierige Sache. Dennoch macht sich Erleichterung breit, als sie die Strecke überstanden haben. Die nächste Aufgabe wird gemeinschaftlich gelöst: Es soll etwas gesucht werden, das ganz und gar nicht zum Osterfest gehört. Dosen, Servietten und Wildschweinspuren werden gefunden. Plötzlich schallt eine Kinderstimme durch den Wald: "Eins, zwei Osterei!" - der Erkennungsruf. Der 9-jährige Paul* hat ihn gefunden, den festlich geschmückten Weihnachtsbaum. Die Aufgabe ist gelöst.

Osterhasen werden noch gesucht und gegessen. Ein Iglu wird mit Fenstern ausgestattet. Höhlen werden in einigen Zimmern gebaut, in denen dann auch übernachtet wird. Blumentöpfe können angemalt und Eier ausgeblasen werden. Zwischendurch gibt es immer wieder Schneeballschlachten, Billiardspiele und Legoeinlagen.

Die drei Wildfang- und PfliZ-Mitarbeiter bauen und malen mit, schlichten Streit, führen Gespräche, spielen mit den "Großen" Billiard, trocknen Tränen und nasse Schuhe.

Am Sonntag um 14.00 Uhr trudeln die Eltern ein. Wer will, bekommt noch Kaffee und ausführliche Erzählungen des Wochenendes. Gegen 16.00 Uhr wird das Haupttor abgeschlossen. Grüne Gummistiefel machen sich auf zurück nach Berlin.

  • der Name wurde geändert

Berichte über weitere iCanDo Fahrten finden Sie auf der Internetseite von Wildfang e.V. zu den Berichten

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