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Kinder vor Gewalt zu schützen heißt Hilfeprozesse zu stärken – Kinderschutz ist mehr als Strafverfolgung
Beteiligte:
Auszüge aus dem "Zwischenruf" der Kinderschutz-Zentren
Sexuelle Gewalt berührt mit der Dynamik von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Geheimhaltung in besonderer Weise. Deshalb ist hier der Wunsch nach schnellen und effektiven Lösungen auch besonders groß – diese aber sind nicht einfach herstellbar, wie die Geschichte und die gesellschaftliche Gegenwart zeigen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sich Fälle sexueller Gewalt bei differenzierter Betrachtung meist als komplexer Zusammenhang von Formen psychischer Gewalt, seelischer und/oder physischer Vernachlässigung oder körperlicher Gewalt erweisen.
Insbesondere folgende Aspekte müssen aus Sicht der Kinderschutz-Zentren dabei jetzt bedacht und weiterentwickelt werden:
1. Das Kind im Mittelpunkt – und die Familie nicht aus dem Blick!
- Grundlegende Nachsorgekonzepte und therapeutisch-traumabewältigende Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche sind bislang nicht regelhaft und nicht hinreichend schnell verfügbar
- Das gerichtliche Verfahren muss im Hinblick auf die Rolle des Kindes qualifiziert und von einem gemeinsamen Verständnis von Gewalt an Kindern und Jugendlichen geleitet werden. Kinder und Jugendliche brauchen darüber hinaus einen flexiblen und niedrigschwellig zu erreichenden Zugang zu Beratung und Hilfe.
- Vernetzung der unterschiedlichen Kinderschutz-Akteure und weitere finanzielle Ressourcen und Rahmenbedingungen, um dem Anspruch auch gerecht werden zu können. Gerade digitale Beratungsangebote sind weiter auszubauen und zu qualifizieren, um den Kindern den Weg zur Hilfe zu erleichtern.
2. Hilfestrukturen ausbauen und qualifizieren!
- Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen und die Verknüpfung unterschiedlichen Fachwissens.
- Verbindliche Fortbildungen und angemessene Rahmenbedingungen für die zentralen Berufsgruppen im Kinderschutz. Hier muss die Thematik des Kinderschutzes, wie auch Hinweise auf Formen ritueller und organisierter Gewalt, sowie die Erfordernisse inklusiven Kinderschutzes stärker als bislang integriert werden.
- Einrichtungen für Kinder und Jugendliche brauchen darüber hinaus in der Praxis gelebte Kinderschutzkonzepte.
- Interdisziplinäre und multiprofessionelle Arbeitskonzepte weiter gestärkt werden.
- Die jetzt bekannten gewordenen Fälle bedürfen einer systematischen fachlichen, nicht skandalisierenden Analyse und Aufarbeitung, um daraus wiederum für die Entwicklung in Kinderschutz lernen zu können.
- Akteurinnen und Akteure im Kinderschutz, vor allem auch bei den Hilfen im Rahmen von Jugendhilfe und Gesundheitswesen, brauchen finanzielle und personelle Planungssicherheit
3. Besondere Belastungen angemessen beantworten!
- Es müssen jetzt aber die Strukturen für den fachlichen, kind- und kinderschutzorientierten Umgang mit einer möglichen zweiten Welle der Virusausbereitung oder der Ausbreitung in wechselnden Hotspots geschaffen werden.
- Die Folgen zeigen sich in der Zunahme der Intensität von Gewalt in Einzelfällen, mit erheblichen Folgen für die Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Das Hilfenetz muss auch in Krisenzeiten in einer Weise verfügbar sein, die für Kinder, Jugendliche und Familien Zugänge und Schutzmöglichkeiten sicherstellt, natürlich ohne Fachkräfte zu gefährden.
Kinderschutz nicht auf einseitige Krisenreflexe zu reduzieren, sondern krisenfeste und nachthaltige Strukturentwicklungen anzustoßen – das ist das Gebot der Stunde. Kinder vor Gewalt zu schützen heißt Hilfeprozesse zu stärken – Kinderschutz ist mehr als Strafverfolgung!
von:
Stellungnahme zur Verbesserung der Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen