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01.04.2010
Politik

Gesetz zur Änderung des Vormundschaftsrechtes

Aufgrund vieler kritischer Betrachtungen und der Tatsache, dass die Vormundschaftsaufgabe, so wie sie bisher im Gesetz beschrieben wird, den Anforderungen heutzutage nicht mehr gerecht wird, hat die Politik reagiert und eine Veränderung des Vormundschaftsrechtes vorgeschlagen.

Aufgrund vieler kritischer Betrachtungen und der Tatsache, dass die Vormundschaftsaufgabe, so wie sie bisher im Gesetz beschrieben wird, den Anforderungen heutzutage nicht mehr gerecht wird, hat die Politik reagiert und eine Veränderung des Vormundschaftsrechtes vorgeschlagen.

Als erster Schritt wird in dem u.a. Referentenentwurf die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Amtsvormundschaft angestrebt.

Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfes hatten Verbände und Institutionen Zeit, Vorschläge zum Referentenentwurf zu machen. Von besonderem Interesse war hier der Entwurf der Kinderrechtekommission des Familiengerichtstages e.V. – denn hier wurde deutlich auf die Notwendigkeit der Einzelvormundschaft verwiesen und auf die Möglichkeit, Pflegeeltern für diese Aufgabe zu motivieren.

A) Referentenentwurf: Gesetz zur Änderung des Vormundschaftsrechts

Das Bundesjustizministerium legt einen Referentenentwurf vor, zu dem nun Fachkreise und Verbände Stellung beziehen können. Natürlich hat eine solche Änderung auch Auswirkungen auf Pflegekinder, da eine Vielzahl der Pflegekinder einen Vormund – meistens einen Amtsvormund – haben.

Auszug aus dem Referentenentwurf

A. Problem und Ziel

Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindesvernachlässigungen mit der Folge schwerster Körperverletzungen bis hin zum Tod der Kinder haben zu umfangreichen Untersuchungen der Begleitumstände geführt. Dabei gibt auch die Praxis in der Amtsvormundschaft Anlass zu Kritik. Angesichts hoher Fallzahlen kennen die Amtsvormünder ihre Mündel oftmals nur aus dem Kontakt bei Übernahme der Vormundschaft. Seiner Verantwortung, insbesondere für die Person und nicht nur für das Vermögen des Mündels zu sorgen, wird der Amtsvormund damit oftmals nicht gerecht. Ziel des Entwurfs ist es, den persönlichen Kontakt des Vormunds zu dem Mündel und damit die Personensorge für den Mündel zu stärken.

B. Lösung

Der Entwurf sieht vor,
das Erfordernis des ausreichenden persönlichen Kontakts des Vormunds mit dem Mündel ausdrücklich im Gesetz zu verankern,
die Pflicht des Vormunds zur Aufsicht über die Pflege und Erziehung des Mündels im Gesetz stärker hervorzuheben,
den persönlichen Kontakt des Vormunds mit dem Mündel ausdrücklich in die jährliche Berichtspflicht des Vormunds einzubeziehen,
den persönlichen Kontakt des Vormunds mit dem Mündel in die Aufsichtspflicht des Familiengerichts über die Amtsführung des Vormunds ausdrücklich einzubeziehen,
die Fallzahlen in der Amtsvormundschaft auf 50 Vormundschaften je Mitarbeiter zu begrenzen.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

1. Tatsächliche und rechtliche Ausgangssituation
In der Vergangenheit haben die wiederkehrenden Fälle von Kindesmisshandlungen und
Kindesvernachlässigungen mit Todesfolge oder der Folge erheblicher Körperverletzungen gezeigt, dass auch der für die betroffenen Kinder im Einzelfall bestellte Vormund diese nicht vor den aus ihren tatsächlichen Lebensverhältnissen herrührenden Missständen und Gefährdungen geschützt hat. Aufschlussreich sind hierzu insbesondere die umfangreichen Untersuchungen der Begleitumstände im Fall des im Jahre 2006 zu Tode gekommenen Kleinkindes Kevin in Bremen.

Dabei ist der Vormund an Stelle der Eltern zur umfassenden Sorge für die Person und nicht nur für das Vermögen des Mündels verpflichtet, § 1793 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es ist nicht zuletzt personellen Engpässen in den Jugendämtern zuzuschreiben, dass ein Amtsvormund (§ 1791b BGB) zuweilen für bis zu über zweihundert Mündel, so im Fall Kevin, zuständig ist. Unter diesen Bedingungen ist es dem Vormund nicht möglich, sich dem einzelnen Mündel in ausreichendem Umfang persönlich zuzuwenden. Bei zeitnaher unmittelbarer persönlicher Kenntnis der Lebensumstände des Mündels kann der Vormund aber sehr viel besser Fehlentwicklungen entgegenwirken und erforderliche Maßnahmen im Interesse des Mündels veranlassen.

Bereits die geltende Rechtslage setzt den persönlichen Kontakt des Vormunds mit dem Mündel voraus. Ohne persönlichen Kontakt kann der Vormund, der Einzelvormund wie auch der Amtsvormund, die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen, nicht wahrnehmen, §§ 1800, 1631 BGB.

Der Vormund, der nach dem gesetzlichen Leitbild ein Einzelvormund sein soll, kann den Mündel auch in seinen Haushalt aufnehmen, was allerdings in der Praxis eher selten ist. Vielmehr herrscht die Amtsvormundschaft des Jugendamtes vor. Aber selbst bei weitgehender Delegation der Personensorge an Dritte, etwa eine Pflegefamilie oder ein Heim, wie es bei der Amtsvormundschaft die Regel ist, bleibt der Vormund verpflichtet, selbst die Ausführung der Personensorge im Interesse des Mündels zu überwachen und erforderlichenfalls neu zu organisieren, wenn dem Mündel Schaden droht oder ein Schaden gar schon eingetreten ist. Es reicht nicht aus, dass der Amtsvormund auch die Überwachung der Personensorge allein den Mitarbeitern des Sozialen Dienstes des Jugendamtes überlässt, die in der Praxis im Wesentlichen den Kontakt zum Kind oder Jugendlichen unterhalten. Es ist daher unerlässlich, dass auch der Vormund den Mündel in regelmäßigen Abständen persönlich trifft und sich über dessen Situation informiert. Flankierend müssen die Fallzahlen in der Amtsvormundschaft begrenzt werden, damit der Amtsvormund seiner Pflicht zum Kontakt mit dem Mündel nachkommen kann.

2. Ziel der Änderungsvorschläge

Mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im BGB soll die Pflicht des Vormunds,
sein Amt im persönlichen Kontakt mit dem Mündel zu führen, ausdrücklich im Gesetz hervorgehoben werden, um so eine wirksamere Überwachung von Pflege und Erziehung des Mündels durch den Vormund herbeizuführen. Diesem Ziel dient auch die ausdrückliche Klarstellung, dass die Überwachung der Tätigkeit des Vormunds durch das Familiengericht dessen persönlichen Kontakt mit dem Mündel umfasst. Im Regelfall ist der persönliche Kontakt einmal monatlich erforderlich.
Mit der Änderung im Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB
VIII) soll die Fallzahl in der Amtsvormundschaft auf 50 Vormundschaften pro Vormund
begrenzt werden.

B) Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. zum Referentenentwurf

Inhaltlich kann die Kinderrechtekommission den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Gesetzesänderungen grundsätzlich zustimmen; einzelne Punkte sollten aber dennoch überdacht werden. Zudem sollte die Reform zum Anlass genommen werden, noch im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens weitere, bislang nicht im Entwurf angesprochene Punkte aufzugreifen
Auszug aus der Stellungnahme zur besonderen Stärkung der Einzelvormundschaft - mit besonderem Hinweis auf Pflegeeltern als Vormünder ihrer Pflegekinder

1. Stärkung des Subsidiaritätsprinzips

Die Reform des Verhältnisses von Amtsvormund und Mündel muss einhergehen mit einer Verbesserung der Einzelvormundschaft, ist diese doch als gesetzliches Leitbild des Vormundschaftsrechts am besten geeignet, dem Bedürfnis nach einer kontinuierlichen persönlichen Beziehung zwischen Vormund und Mündel Rechnung zu tragen; zugleich können dadurch die Amtsvormünder weiter entlastet werden. Die Änderungen im Verhältnis Amtsvormund-Mündel schärfen mithin nur den Blick für die Notwendigkeit, die Einzelvormundschaften zu stärken, was auch die Arbeitsgruppe des BMJ „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – § 1666 BGB“ gefordert hat (Abschlussbericht vom 14.07.2009, Anl. 5, S. 4).

a) Da die klassische ehrenamtliche Vormundschaft, die ohne besondere fachliche Kenntnisse auskommt, angesichts der Komplexität der Verantwortungsbereiche nur noch in Ausnahmefällen genügt, müsste das Potential ehrenamtlicher Einzelvormünder durch ein verbessertes Angebot an fachlicher Schulung, Unterstützung und Beratung besser ausgeschöpft und die Bereitschaft zur Übernahme dieses Amtes erhöht werden (s. Zenz, DAVorm 2000, 365, 372). Ein möglicher Weg zur Erreichung dieses Ziels wäre die Formulierung von Schulung, Beratung und Begleitung von Einzelvormündern als Pflichtaufgabe des Jugendamtes sowie ein Rechtsanspruch des Vormunds auf regelmäßige und individuelle Beratung in § 53 SGB VIII. Entsprechend müsste die Beratungsaufgabe des Familiengerichts deutlicher betont und ggf. auch hier ein Rechtsanspruch des Vormunds in § 1837 Abs. 1 aufgenommen werden.

b) Das Potential an (ehrenamtlichen) Einzelvormündern könnte weiter dadurch erhöht werden, dass Pflegeeltern stärker als Vormünder in Betracht gezogen werden, soweit das Kind seit längerer Zeit bei ihnen lebt und dort seine neue Bezugswelt gefunden hat, also in der Situation des § 1632 Abs. 4 (Staudinger/Salgo, 2007, § 1632 Rn. 69; zu Pflegeeltern als Vormünder LG abrufbar unter http://www.agsp.de/./html/a114.html 8 Frankfurt FamRZ 2009, 2103 m.w.N.; LG Hannover FamRZ 2007, 1909, 1910; Zenz, DAVorm 2000, 365, 373; Hoffmann, JAmt 2005, 116 ff.).
Die Vormundschaft der Pflegeeltern böte zudem einen Weg zu größerer rechtlicher Verbundenheit von Pflegeeltern und Pflegekind und dadurch insgesamt zu größerer Sicherheit, dass die Verbindung aufrecht erhalten bleibt (s. LG Frankfurt FamRZ 2009, 2103). Auf diesem Weg könnte auch dem Anliegen von § 37 Abs. 1 S. 4 SGB VIII Rechnung getragen werden, wonach dann, wenn eine Refunktionalisierung der Herkunftsfamilie nicht innerhalb angemessener Zeit gelingt, eine dauerhafte anderweitige Lebensperspektive für das Kind gefunden werden muss (Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 210). Weiter wäre denkbar, mit Hilfe einer Änderung des § 1777, der eine Beschränkung des Benennungsrechts der Eltern auf den Todesfall vorsieht, ein Recht der Pflegeeltern auf Bestellung zum Vormund einzuführen.
Nicht zuletzt könnte man darüber nachdenken, die Pflegeeltern nur in den Bereichen, an die sie sich heranwagen, in die Vormundschaft einzubinden und in den übrigen Teilen der elterlichen Sorge eine Ergänzungspflegschaft des Jugendamts vorzusehen.

c) Im Übrigen bedarf es eines klaren Bekenntnisses des Gesetzgebers zum uneingeschränkten Vorrang der Einzelvormundschaft vor der Amtsvormundschaft und einer deutlichen Abstufung bei der Bestellung des Vormunds, ausgehend vom ehrenamtlichen Einzelvormund über den beruflich tätigen Einzelvormund, danach dem Vereinsvormund bis hin zum Amtsvormund. Insoweit ist eine Korrektur der §§ 1791a und 1791b vonnöten, die zurzeit den Subsidiaritätsgrundsatz nur für die ehrenamtliche Einzelvormundschaft festschreiben.

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