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08.10.2013
Konzept

Konzept der Stadt Düsseldorf zur Verwandten- und Netzwerkpflege - Auszüge -

Hier finden Sie Auszüge und eine Zusammenfassung aus dem Konzept der Stadt Düsseldorf zur Verwandten- und Netzwerkpflege. Dieses Konzept ist Anfang des Jahres 2013 beschrieben und Mitte des Jahres durch den Jugendhilfeausschuss der Stadt genehmigt worden.

Im Nachfolgenden finden Sie Auszüge und Zusammenfassung aus dem Konzept der Stadt Düsseldorf zur Verwandten- und Netzwerkpflege. Dieses Konzept ist Anfang des Jahres 2013 beschrieben und Mitte des Jahres durch den Jugendhilfeausschuss der Stadt genehmigt worden.

Wir möchten uns herzlich bei der Stadt Düsseldorf dafür bedanken, dass wir das Konzept vorstellen dürfen und es auch in seiner Gesamtheit auf Moses Online veröffentlichen können.

Inhaltsangabe des Konzeptes:

  • 1. Vollzeitpflege als Hilfe zur Erziehung in Verwandtenpflegefamilien und Netzwerkpflegefamilien
  • 1. 1 Gesetzliche Grundlagen
  • 1. 2 Definition Verwandtenpflegefamilien
  • 1. 3 Definition Netzwerkpflegefamilien
  • 2. Leistungen des Pflegekinderdienstes
  • 2. 1 Rolle und Aufgaben der Fachberatung
  • 2. 2 Verfahren Pflegestellenprüfung
  • 2. 3 Prüfkriterien zur Eignungsfeststellung der Pflegepersonen in Verwandtenpflegestellen und Netzwerkpflegefamilien
  • 2. 4 Beratung und Begleitung von Verwandtenpflegefamilien und Netzwerkpflegefamilien
  • 2. 5 Ergänzende Hilfen
  • 2. 6 Methoden
  • 2. 7 Beratung der Herkunftsfamilien und Begleitung von Besuchskontakten
  • 2. 8 Kontrolle und Schutzauftrag
  • 2. 9. Qualifizierung von Pflegepersonen
  • 2.10 Vollzeitpflege als Hilfe zur Verselbstständigung
  • 2.11 Beendigung und Nachbetreuung
  • 3. Verfahrensabläufe
  • 3. 1 Auftragserteilung zur Pflegestellenprüfung durch den Bezirkssozialdienst
  • 3. 2 Fallkonstellationen
  • 3. 3 Kooperationspartner
  • 4. Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle
  • 4. 1 Personalausstattung
  • 4. 2 Qualifikation der Fachkräfte
  • 4. 3 Sicherung der Arbeitsqualität
  • 4. 4 Finanzielle Ausstattung
  • 4. 5 Sächliche Ausstattung
  • Anhang 1 Schnittstellenbeschreibung zum Verfahren 21
  • Anhang 2 Prüfkriterien 27
  • Anhang 3 Muster Testat zur Eignung 30
  • Anhang 4 Gewährleistung von Kinderschutz in Vollzeitpflege 33

Präambel

Viele Kinder und Jugendlichen werden – wenn sie nicht in ihrer eigenen Familie aufwachsen können – von Verwandten oder Menschen aus dem sozialen Umfeld in deren Familie aufgenommen. Diese sehr persönliche Form der Hilfe ist zu einem wichtigen Bestandteil der Jugendhilfe geworden.
Die Jugendhilfe in Düsseldorf erkennt die enorme Bedeutung und die großen Ressourcen der Unterbringung von Kindern im Rahmen von Hilfe zur Erziehung in verwandten Familiensystemen oder in Familien des sozialen Netzwerkes ausdrücklich an.
Grundlage für diese besondere Form der Vollzeitpflege ist die Würdigung einer bestehenden Bindung oder Beziehung des Kindes zu einer verwandten oder bekannten Person. (s. Königswinterer Erklärung, LVR, 2008)

Mit diesem Konzept werden die fachlich - inhaltliche Ausrichtung und die personalen und interdisziplinären Rahmenbedingungen beschrieben, die die Grundlage einer tragfähigen, am Wohle der Pflegekinder ausgerichteten Zusammenarbeit aller am Hilfeprozess Beteiligten darstellen.
In dieses Konzept fließen sowohl neueste Forschungsergebnisse, z.B. der Forschungsgruppe der Uni Siegen zum Leuchtturmprojekt, als auch Erfahrungen der örtlichen Pflegekinderdienste aus der Praxis mit ein.
Das Konzept ist als Ergänzung der „Rahmenkonzeption Vollzeitpflege“ des LVRLandesjugendamt Rheinland zu verstehen. Es beschreibt die grundsätzlichen Inhalte zu dem Themenkomplex Verwandten- und Netzwerkpflege, sowie Kooperations – und Verwaltungsabläufe innerhalb der Düsseldorfer Jugendhilfe.

Der Zugang zu den Verwandten- und Netzwerkpflegefamilien ist ein anderer, als zu den nicht verwandten Pflegefamilien. Die Expertenschaft der Pflegeeltern, ihr Alltagswissen um die Verhältnisse und Lebenssituation des Kindes ist zu akzeptieren. Es gilt eine Brücke zwischen Privatheit und dem öffentlichen Auftrag der Verwandtenpflegestelle zu schlagen und dabei den Informations- und Deutungsvorsprung der Verwandten als eine wesentliche Voraussetzung für Zugang und Beratung zu akzeptieren. Es geht darum, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, dass die Privatheit respektiert und den öffentlichen Auftrag der Jugendhilfe berücksichtigt.

Das sich so entwickelnde Vertrauensverhältnis ermöglicht die Verständigung darüber, dass das Interesse am Kind und seinem Wohlergehen das gemeinsame Anliegen aller Beteiligten ist.
Wenn die Verwandtenpflegeeltern diesem Anliegen mitunter nicht umfassend entsprechen können, brauchen sie u.a. Unterstützung im Erkennen von Problemen. Die Fähigkeit, von sich aus Probleme zu erkennen, sowie das Entstehen eines vertrauensvollen Arbeitsbündnisses, fördern seitens der Verwandtenpflegeeltern die Bereitschaft, an erweiterten oder neuen Lösungen mitzuarbeiten. (vgl. Blandow: Verwandtenpflege in Deutschland 2006)
In der Beratung ist das gesamte Familiensystem der Verwandtenpflegefamilie, die
Pflegepersonen, das Kind und seine Eltern, gleichrangig in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus auch das erweitere Verwandtschaftssystem, z.B. die anderen Großeltern und in vielen Fällen auch das soziale Netzwerk. (vgl. Blandow: Verwandtenpflege in Deutschland 2006, S. 24)

Neben den alle Pflegeverhältnisse begleitenden Fragestellungen sind es die spezifischen Themen und Besonderheiten, die aufgrund der Verquickung von Herkunftsfamilie und Pflegefamilie entstehen, die die Zusammenarbeit mit den Verwandtenpflegestellen auszeichnen.
Zu Beginn ist es das Bewusstsein der Verwandten, eigentlich eine private Entscheidung getroffen zu haben, die sich ausschließlich auf das hilfsbedürftig gewordene Kind und die eigene Familie bezieht.

„Verwandte betrachten sich zumeist als Personen, die die mit der Erziehung des Kindes verbundenen Probleme selbständig und nach den ihnen zugänglichen Normen für pädagogisches Handeln lösen können. Die anfängliche Arbeit sollte deshalb als „Unterstützungsmanagement“ betrachtet werden“
(Blandow und Küfner in: Handbuch Pflegekinderhilfe 2010, S. 757).

Um dieser Aufgabenstellung im ausreichenden Maß gerecht werden zu können, bedarf es einer angemessenen Personalausstattung der Pflegekinderdienste.
(Anmerkung: Wenn von Verwandtenpflegefamilien die Rede ist, sind von den Autoren in der Regel die Pflegefamilien aus dem sozialen Netzwerk ebenso gemeint, auch wenn sie nicht ausdrücklich benannt werden.

1.1. Definition Verwandtenpflegefamilien

Verwandtenpflege ist die Betreuung eines oder mehrerer Pflegekinder im Haushalt von mindestens einem Pflegeelternteil, der verwandtschaftlich mit dem Kind verbunden ist.
Verwandtschaft ist zu definieren als das Verhältnis zwischen Blutsverwandten oder
Verschwägerten.

"Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.“ (Verwandtschaft, § 1589 BGB)
„(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grad der sie vermittelnden Verwandtschaft.“
„(2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.“ (Schwägerschaft, § 1590 BGB)

Verwandtenpflegepersonen interessieren sich – zumeist aus einem Gefühl der familiären und emotionalen Verbundenheit - für die Inpflegenahme eines bestimmten Kindes, das vorübergehend oder auf Dauer nicht in seiner Herkunftsfamilie leben kann. Sie halten es für ihr Recht und/oder ihre Pflicht, sich um dieses Kind zu kümmern.

Die Aufnahme des Kindes erfolgt oft in einer akuten Notsituation, mit Beteiligung bzw. Einverständnis der Personensorgeberechtigten. Aus einer kurzzeitigen innerfamiliären informellen Lösung wird häufig schleichend eine dauerhafte informelle Lösung. Nicht selten treffen der Bezirkssozialdienst des Jugendamtes und der zuständige Pflegekinderdienst somit auf schon bestehende, bis dahin informelle, Verwandtenpflegeverhältnisse.
Es gibt auch geplante Unterbringungen in Verwandtenpflegefamilien mit Beteiligung des Bezirkssozialdienstes und auch solche mit Beteiligung des Pflegekinderdienstes im Vorfeld der Unterbringung.

Definition Netzwerkpflegefamilien

Der Begriff „Netzwerkpflege“ wird verwendet, wenn Paare oder Einzelpersonen ein Kind bei sich aufnehmen, mit dem sie zwar nicht verwandt sind, sich die Pflegeeltern/das Kind/die Kindeseltern aber aus persönlichen oder beruflichen Zusammenhängen kennen.
Pflegepersonen aus dem sozialen Umfeld können z.B. Freunde, Nachbarn oder die Familie eines Kindergarten- oder Schulfreundes des Kindes sein.
Die Netzwerkpflege ist im Rahmen der Vollzeitpflege ein Angebot der Hilfe zur Erziehung im familiennahen Umfeld. Diese Hilfe wird gem. §§ 27 SGB VIII in Verbindung mit 33 SGB VIII installiert und ist vorübergehend oder auf Dauer angelegt. Man unterscheidet zum einen die zeitlich befristete Maßnahme im Rahmen der Vollzeitpflege und zum anderen die auf Dauer angelegte Vollzeitpflege.

Die Netzwerkpflege greift häufig dort, wo keine Verwandten zur Verfügung stehen, trotzdem eine private Lösung gesucht wird. Eine klassische Ausgangsituation, bei der auf das Netzwerk zurückgegriffen wird ist die, dass die eigentliche Bezugsperson des Kindes für eine begrenzte Zeit ausfällt, z. B. durch Erkrankung / Krankenhausaufenthalt. Eine weitere, häufig anzutreffende Konstellation ist, dass ältere Kinder/Jugendliche eigeninitiativ in der Familie von Freunden Aufnahme finden.
Diese Pflegeverhältnisse sind häufig bedarfsorientiert zeitlich befristet.

2.3 Prüfverfahren zur Eignungsfeststellung der Pflegepersonen in Verwandtenpflegestellen und Netzwerkpflegefamilien

Die Pflegeperson belegt, bzw. wirkt mit, dass

  • der Lebensunterhalt gesichert ist und keine massive Überschuldung besteht
  • genügend Wohnraum für das Kind vorhanden ist
  • die Wohnung in einem gesundheitlich unbedenklichen Zustand ist (Ordnung, Sauberkeit, Haustiere)
  • das amtsärztliche Gesundheitszeugnis vorliegt
  • das Erweiterte Führungszeugnis vorliegt
  • eine Abfrage beim zuständigen sozialen Dienst im Jugendamt eingeholt wird

Die Pflegeperson ist in der Lage

  • die Grundversorgung des Kindes zu gewährleisten und Alltagsstruktur anzubieten
  • Kinderschutz zu gewährleisten
  • den erzieherischen Bedarf zu erkennen und zu gewährleisten, ggf. mit Unterstützung durch Zusatzhilfen
  • zentrale Ansprechperson für das Kind zu sein mit dem Angebot, Bezugs- und Vertrauenspersonen für das Kind werden zu können
  • Werte und Normen zur Förderung der Integration und Entwicklung des Kindes zu vermitteln
  • zur Selbstreflexion, sich mit der eigenen Familiengeschichte und damit einhergehenden Mustern auseinanderzusetzen
  • eigenes Erziehungsverhalten zu reflektieren und Schlussfolgerungen daraus umzusetzen
  • die Geschichte des Kindes annehmen und es in der Auseinandersetzung mit seiner speziellen Biographie einfühlsam zu unterstützen
  • Besuchskontakte angemessen auszugestalten
  • Kontakte des Kindes zu Bezugspersonen außerhalb der Pflegefamilie zu unterstützen
  • die Interessen des Kindes nach außen zu vertreten (Kommunikations- und Kontaktfähigkeit)
  • die Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten zu den Zielen der Hilfeplanung kontinuierlich zu gewährleisten

Die Versagungsgründe zur Erlaubniserteilung sind in § 17 Ausführungsgesetz zum KJHG NW grundsätzlich beschrieben:

  • Pflegeeltern, die nicht über ausreichende erzieherische Fähigkeiten verfügen.
  • Hierzu gehören insbesondere schwerwiegende psychische und physische Einschränkungen, extreme Abweichungen von kulturellen, religiösen und/oder gesellschaftlichen Wertvorstellungen.
  • Vorliegende Straftaten, die in § 72 a SGB VIII aufgeführt sind.
  • die Pflegeperson oder eine andere in der Wohnung lebende Person nicht frei von ansteckenden das Wohl des Kindes gefährdenden Krankheiten sind

Dazu sind nachfolgende Gründe in den Blick zu nehmen und zu bewerten, ob

  • Veränderungsprozesse eingeleitet werden können und greifen:
  • Die Ablehnung des Pflegeverhältnisses durch das Kind.
  • Pflegepersonen, die die leiblichen Eltern massiv ablehnen oder durch diese abgelehnt werden.
  • Mangelhafte Wohnverhältnisse, z.B. kein eigenes Bett, fehlende Rückzugsmöglichkeit in der Wohnung, die Gesundheit des Kindes
  • beeinträchtigende Hygiene.
  • die wirtschaftlichen Verhältnisse der Pflegeperson durch Überschuldung, Mietrückstände etc. die Grundversorgung des Pflegekindes in Frage stellen.
  • Die vorgenannten Kriterien werden in vielen Fällen von den aufnehmenden Pflegepersonen, gerade zu Beginn einer Prüfung, nur bedingt erfüllt. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig deren Ablehnung.

Beim Eignungsverfahren erfolgt immer ein individueller Abwägungsprozess im Hinblick auf Ressourcen und Belastungen der aufnehmenden Familie. Die bestehende Beziehung zwischen Pflegefamilie und Herkunftsfamilie, die gemeinsame Geschichte und die besondere Beziehung zum Kind werden in der Bewertung besonders berücksichtigt.

2.4 Beratung und Begleitung von Verwandtenpflegefamilien und Netzwerkpflegefamilien

Schwerpunkte der fachlichen Beratung und Begleitung der Fachberatung
Die Beratung und die Begleitung der Familien erfolgt kontinuierlich und richtet sich an die Pflegepersonen, die Kinder und Jugendlichen und die leiblichen Eltern. Vormünder und Pfleger der Kinder und Jugendlichen werden in das Beratungssetting einbezogen (§ 36 SGB VIII).

Die Arbeitsbeziehung der Fachberatenden mit den Familien erfordert Vertrauen, das sich in aller Regel erst im Laufe der Zusammenarbeit entwickelt. Die Kinder in Verwandtenpflegefamilien bedürfen wie alle Kinder der Unterstützung bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und besonderen Belastungen wie z.B. Loyalitätskonflikte und Familiengeheimnisse.

Eine wertschätzende und ressourcenorientierte Haltung, regelmäßige Kontakte und die Präsenz des Fachberaters in den Familien sind wichtige Voraussetzungen, um einen positiven Zugang zu den Familienmitgliedern und ein tragfähiges Arbeitsbündnis herstellen zu können.

Adressaten der Beratung

  • Pflegepersonen und ggf. deren – noch in ihrem Haushalt lebende – Kinder
  • Pflegekinder
  • Eltern
  • Geschwisterkinder
  • Personen aus der erweiterten Verwandtschaft des Kindes

Beratungsinhalte in der Verwandtenpflege (Beispiele)

  • Veränderung der eigenen Lebensplanung durch die Aufnahme des Kindes
  • Belastende Lebenserfahrungen des Kindes
  • Umgang mit früheren traumatischen Erfahrungen des Kindes
  • Konflikte im erweiterten Familiensystem
  • Reflektion der eigenen Biographie
  • Familiengeheimnisse, z.B. Aufklärung des Kindes über seine Lebensgeschichte, wie können die Fragen des Kindes beantwortet werden?
  • Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten; Einleitung zusätzlicher Hilfen.
  • Loyalitätskonflikte des Kindes zwischen der Pflegeperson und den leiblichen Eltern (z.B. Kindeseltern werden von den Pflegeeltern stark abgewertet und verurteilt)
  • Verschiebungen der Generationenabfolgen, Großeltern werden zu „Eltern“ ihrer Enkel
  • Rechtliche Fragen, z.B. Sorgerechtsregelungen, Befugnisse Vormundschaften und Pflegschaften, Umgangsrecht
  • Wirtschaftliche Unterstützung, z.B. Beihilfen, Kindergeld, BAB oder BaföG

Im Laufe der Beratung und Begleitung einer Verwandtenpflegefamilie kann ein eränderungsbedarf der Hilfeform für das Pflegekind beschrieben werden. Die Veränderungsbedarfe können unterschiedlich begründet sein.

  • 1. Der Schutz des Kindes ist nicht mehr gegeben.
  • 2. Der erzieherische Bedarf des Kindes kann durch die Pflegeperson nicht mehr oder nicht in vollem Umfang gewährleistet werden.
  • 3. Das Kind will nicht mehr in der Pflegestelle leben

2.5 Ergänzende Hilfen

Verwandten- und Netzwerkpflegen entstehen überwiegend auf Eigeninitiative der Beteiligten.
Im Rahmen der Pflegestellenprüfung oder auch im Verlauf der Hilfe können Bedarfssituationen auftreten, die nicht durch die Pflegeperson selbst geleistet werden können.
Grundsätzlich sollen weitere Trennungen vermieden und der Erhalt der vertrauten Beziehungen des Kindes oder Jugendlichen zur Pflegeperson und das Zusammenleben in der Verwandten- oder Netzwerkpflegefamilie ermöglicht werden.

Durch kontinuierliche Beratung der Familiensysteme vor allem in krisenhaften Phasen, können Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt und mit den Betroffenen gemeinsam Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, sowie ggf. notwendige zusätzliche erzieherische Hilfen eingeleitet werden.
Dieser Hilfebedarf ist dann im Hilfeplanverfahren zu vereinbaren und wird nach der Genehmigung durch ergänzende Hilfen geleistet.
Der Einsatz ergänzender Hilfe erfolgt bedarfsgerecht am Einzelfall orientiert z.B. zur Entlastung der Pflegeperson in Krisensituation, bei erhöhtem Bedarf oder zur Schließung von Versorgungslücken.

2.7. Beratung der Herkunftsfamilien und Begleitung von Besuchskontakten

Das Angebot an die leiblichen Eltern umfasst eine prozessbezogene und offene Beratung bei Inpflegegabe ihres Kindes und damit verbundenen Veränderungen und Konsequenzen.
Zielsetzung ist es, eine möglichst hohe Akzeptanz des Pflegeverhältnisses zu erreichen.

Dazu kann die Bearbeitung von Schuldgefühlen, Trennungsschmerz und Trauer gehören. Die Eltern erhalten Unterstützung dabei, ihrem Kind die Erlaubnis zu geben, in der Pflegefamilie zu leben. Wünsche und Erwartungen in Bezug auf die Vollzeitpflege und Erwartungen der Eltern auf die Pflegeeltern werden erörtert. Vorstellungen, die nicht realisierbar erscheinen, werden bereits zu diesem Zeitpunkt thematisiert. Insbesondere bei einer langfristigen Unterbringung werden die Eltern über die Entwicklung von Bindungen ihres Kindes zu den Pflegeeltern aufgeklärt.

Die Gestaltung der Besuchskontakte erfolgt nach den Vereinbarungen im Hilfeplan. Dort wird sich gemeinsam über die Konstellationen, Ort und Begleitung verständigt.
Die Kontaktintensivierung zur Vorbereitung um Begleitung der Rückführung des Kindes oder Jugendlichen zu den Eltern erfolgt auf der Grundlage abgestimmter Vereinbarungen im Hilfeplanprozess.

2.8 Kontrolle und Schutzauftrag

Die Kontrolle (§ 37 Abs.3 Satz 1 SGB VIII) von Pflegepersonen wird von einem kooperativen Grundverständnis getragen. Sie dient dazu, Konflikte und Probleme im Zusammenleben des Kindes oder Jugendlichen mit der Pflegeperson zu erkennen und Gefährdungen des Kindeswohls zu vermeiden.

Zu Beginn der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege wird ein Pflegevertrag mit den Pflegepersonen durch den Pflegekinderdienst abgeschlossen. Im Pflegevertrag sind Rechte und Pflichten der Vertragspartner beschrieben.
Bezogen auf die persönliche Eignung von Pflegepersonen gemäß § 72 a SGB VIII ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses und eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses obligatorisch.

Grundsätzlich prüft die Fachkraft des PKD im Betreuungsverlauf, ob die Pflegeeltern das Kindeswohl sicherstellen und sich das Kind im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten positiv entwickelt. Dies erfordert eine fortlaufende Dokumentation und Aktenführung.
Der Schutz des Kindes ist oberstes Prinzip jedes sozialpädagogischen Arbeitens. Der BSD und der PKD setzen diesen Anspruch um.

Das Verfahren im Jugendamt zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8 a SGB VIII ist in der entsprechenden Arbeitsrichtlinie des Bezirkssozialdienstes in der Abteilung Soziale Dienste verbindlich geregelt.
In der Schnittstellenbeschreibung zur Gewährleistung von Kinderschutz in Vollzeitpflege ist das Kooperationsverfahren zwischen Pflegekinderdienst und Bezirkssozialdienst vereinbart.

2.9 Qualifizierung von Pflegepersonen

Neben der individuellen Fallberatung werden weitere Beratungs- und Qualifizierungsangebote für Verwandten- und Netzwerkpflegefamilien angeboten.
Die Potentiale der Verwandten- und Netzwerkpflegeeltern sollen gestärkt und durch einen präventiven Ansatz Krisen im Vorfeld vermieden oder rechtzeitig bearbeitet werden. Für die Minderjährigen können dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten verbessert werden.

Ziel hierbei ist zum einen die Förderung des Erfahrungsaustausches unter den Verwandtenpflege- Netzwerkpflegeeltern, zum anderen deren Sensibilisierung für eine Auseinandersetzung mit Themen und Aspekten eines Pflegeverhältnisses.

Dies kann erfolgen durch

  • Verwandtenpflege- Netzwerkpflegeelterngruppe (Frühstück oder Café) (niedrigschwellig; informeller Austausch; Selbsthilfe und Solidarität)
  • Gruppenangebote mit Beteiligung von Verwandten- und Netzwerkpflegeeltern
  • Themenbezogene Tages-/Abendveranstaltungen
  • Themenbezogene Wochenendveranstaltungen
  • Feste und Aktivitäten (z.B. Sommerfest, Zoobesuch)

Für alle Verwandtenpflegepersonen ist eine Grundqualifizierung im ersten Leistungsjahr verpflichtend. Die Grundqualifizierung umfasst die Teilnahme an 2 Veranstaltungen (mindestens eine themenbezogene Veranstaltung) des zuständigen Pflegekinderdienstes im ersten Jahr der Anerkennung als Vollzeitpflegestelle. Dies ist als verpflichtende Selbsterklärung Bestandteil des Pflegevertrages.

2.10 Vollzeitpflege als Hilfe zur Verselbstständigung

Lebt der junge Mensch bei einer Pflegeperson und wird Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gewährt, bietet das Jugendhilferecht mit der Vorschrift des § 41 in Verbindung mit § 33 SGB VIII die Möglichkeit, einen weiteren Aufenthalt in der Pflegefamilie zu begründen, wenn dies aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen für die Persönlichkeitsentwicklung und die Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung notwendig erscheint. Dies ist immer dann der Fall, wenn Einschränkungen festzustellen sind.
Die Hilfe kann nur versagt werden, wenn keine „spürbare Verbesserung“ zu erwarten ist (vgl. DJI 2011 Handbuch Pflegekinderhilfe S. 51 ff).

2.11 Beendigung und Nachbetreuung

„Gelingende Übergänge zu gestalten, kann das durch die vorangegangene Hilfe Erreichte sichern“ (vgl. Leuchtturmprojekt S. 62 ff).

Verwandtenpflegeeltern und Pflegeeltern aus sozialen Netzwerken finden es oft selbstverständlicher, dass die Kinder zu ihren Eltern zurück gehen. Nach der Rückführung der Kinder in den Haushalt der Eltern nehmen diese Pflegeeltern in aller Regel weiterhin eine wichtige Rolle im Leben der Eltern und der Kinder ein.

Die Rückführung oder Weitervermittlung in eine Anschlusshilfe wird von der Fachberatung im PKD begleitet. Zur Sicherung des Übergangs kann es erforderlich sein, dass beispielsweise eine ambulante Hilfe im Planungsprozess vereinbarte Aufgabenstellungen leistet.

Eine besondere Form der Beendigung stellt der Abbruch der Vollzeitpflege dar. Ein Abbruch ist das kurzfristige unplanmäßige Ausscheiden aus der Pflegefamilie, zumeist mit belastenden Komponenten. Abbrüche können mit Gefühlen wie Verlust, Scham oder der Sorge, die Pflegeeltern enttäuscht zu haben, verbunden sein.

Die Fachberatung kann von allen am Hilfeprozess Beteiligten auch nach „offizieller“ Beendigung dieser Hilfeform im Rahmen der Nachsorge genutzt werden.
Zum Ende des Pflegeverhältnisses ist zu klären, welche Rolle die zuständige Fachberatung übernimmt.

Hier können Sie das Konzept komplett einsehen:

www.moses-online.de/artikel/konzept-vollzeitpflege-verwandtenpflegefamilien-netzwerkpflegefamilien-stadt-duesseldorf

Ansprechpartner in der Stadt Düsseldorf:
Andreas Sahnen, Sachgebietsleiter
Telefon 0211.89-96467
www.duesseldorf.de/jugendamt/fam/khz/pkd.shtml

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