Verwandtenpflegefamilien brauchen Unterstützung und Anerkennung
Beschreibung und Auszüge aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Verwandtenpflege vom Juni 2014. Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe „Pflegekinderhilfe“ erarbeitet und nach Beratung im Fachausschuss „Jugend und Familie“ am 18. Juni 2014 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.
Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe „Pflegekinderhilfe“ erarbeitet und nach Beratung im Fachausschuss „Jugend und Familie“ am 18. Juni 2014 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.
Der Inhalt der 26seitigen Stellungnahme umfasst:
Einleitung
1. Rechtliche Grundlagen
1.1 Anspruch der Pflegepersonen auf Beratung
1.2 Anspruch auf Hilfe zur Erziehung/Eingliederungshilfe/Hilfe für junge Volljährige
1.3 Sicherung des Lebensunterhalts
1.4 Pflegeerlaubnis
1.5 Verantwortungsgemeinschaft von Personensorgeberechtigten, Jugendamt und Pflegepersonen und gemeinsame Perspektivplanung
1.6 Überprüfung der Gewährleistung des Kindeswohls bei bestehenden Pflegeverhältnissen
1.7 Übertragung des Sorgerechts oder von Teilen der elterlichen Sorge auf die Pflegepersonen
2. Die sozialpädagogische Arbeit mit der Pflegefamilie
2.1 Haltung der Fachkräfte
2.2 Verschiedene Wege der Beratung und Unterstützung von Pflegefamilien
2.3 Formalisierung und Anerkennung des Pflegeverhältnisses i. S. d. §§ 27, 33 SGB VIII
2.4 Eigenständige konzeptionelle Ansätze bei der Beratung von verwandten Pflegepersonen
2.5 Einbeziehung der Pflegekinder
2.6 Beratungsthemen
3. Organisation der Aufgabenwahrnehmung
3.1. Aufgabenwahrnehmung durch Kooperation öffentlicher und freier Träger
3.2. Verantwortungsgemeinschaft zum Wohl des Pflegekindes
3.3. Zentrale Aufgaben bzw. Schlüsselprozesse in der Verwandtenpflege und die daraus folgenden Organisationsanforderungen
3.4. Sicherung der Arbeitsqualität der Fachkräfte in der Pflegekinderhilfe
4. Fazit
Auszüge aus der Empfehlung
In der Einleitung wird der Begriff Verwandtenpflege erläutert.
Kinder und Jugendliche werden häufig von Verwandten und manchmal von anderen Personen aus dem sozialen Umfeld aufgenommen, wenn sie nicht bei ihren Eltern leben können. Das geschieht vielfach auf private Initiative und selbst organisiert, ohne Beteiligung öffentlicher Stellen.
Wie viele Kinder aktuell bei Verwandten oder bei Personen aus dem sozialen Umfeld der Familie aufwachsen, ist nicht bekannt. Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik unterscheidet zwischen „Verwandten-“ und „Fremdpflege“. Erfasst sind dabei aber nur solche Pflegeverhältnisse, in denen Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege oder eine entsprechende Hilfe für junge Volljährige gewährt wird. Danach ist seit dem Jahr 2000 ein geringfügiger Anstieg des Anteils von Verwandtenpflege an der Vollzeitpflege zu verzeichnen. Im Jahr 2011 lebten von 61.894 Pflegekindern insgesamt 18.924 bei Verwandten. Das entspricht einem Anteil der Verwandtenpflege an der Vollzeitpflege von 22%.1 Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede in den Kommunen. Die Zahl der Kinder, die ohne die genannten Hilfen bei Pflegepersonen aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis leben, lässt sich der amtlichen Statistik nicht entnehmen. Die Gesamtzahl der Verwandtenpflegeverhältnisse ist bedeutend höher: Auf den Mikrozensus gestützte Berechnungen im Rahmen eines Forschungsprojekts ergaben für das Jahr 1995, dass 70.555 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien bei Verwandten lebten. Das entsprach damals einem Anteil von 58 % an allen Pflegeverhältnissen – mit und ohne Hilfe zur Erziehung.
Trotz der zahlenmäßig erheblichen Bedeutung der Verwandtenpflege gibt es in Deutschland jedoch nur spärliche Forschungsergebnisse und wenig Literatur zu diesem Themenkomplex. Es lässt sich daher auch nur wenig über die (quantitative und qualitative) Entwicklung der Verwandtenpflege in den letzten Jahren sagen.
Diese Empfehlungen widmen sich in erster Linie der fachlichen Unterstützung von Familien, in denen Kinder und Jugendliche bei verwandten Pflegepersonen leben. Es sind jedoch auch solche Pflegeverhältnisse angesprochen, in denen Kinder oder Jugendliche bei Pflegepersonen im nahen sozialen Umfeld der Herkunftsfamilie aufwachsen, soweit ähnliche Herausforderungen wie in der Verwandtenpflege bestehen. Die Eigenart dieser Pflegeverhältnisse liegt in der besonderen Verbindung der Pflegepersonen zu dem Kind bzw. Jugendlichen und seiner Familie. Aufgrund dieser besonderen Verbindung sind die Pflegepersonen bereit, speziell diese/n jungen Menschen (ggf. auch Geschwister) vorübergehend oder auf Dauer bei sich aufzunehmen und für ihn zu sorgen. [...]
Die Praxis der Jugendhilfe vor Ort im Bereich der Verwandten- und Netzwerkpflege ist sehr unterschiedlich. Spezialisierte Konzeptionen gibt es trotz wesentlicher Besonderheiten dieser Settings im Vergleich zur Fremdpflege längst nicht überall. Mitunter bestehen generelle Vorbehalte der Fachkräfte gegen diese Form der Vollzeitpflege. Allgemeine Zweifel hinsichtlich der Eignung von Verwandten oder der Familie Nahestehenden als Pflegepersonen sind jedoch nicht angebracht. Sie haben sich empirisch nicht bestätigt.
In den letzten Jahren haben einige freie und öffentliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe Arbeitshilfen und Konzepte entwickelt, die die spezielle Konstellation der Verwandten- und Netzwerkpflege ins Blickfeld rücken. Daran knüpft der Deutsche Verein mit den vorliegenden Empfehlungen an. Er ist sich dabei bewusst, dass sowohl die Strukturen der Pflegekinderhilfe als auch der Stand der Entwicklung in der Verwandtenpflege regional sehr unterschiedlich sind.
Die Empfehlungen richten sich vor allem an Fachkräfte der Sozialen Dienste und der öffentlichen und freien Träger der Pflegekinderhilfe. Sie sollen als Hilfestellung dienen, um sich der Besonderheiten im Bereich der Verwandtenpflege bewusst zu werden und sie in der fachlichen Unterstützung dieser Pflegeverhältnisse zu berücksichtigen.
Unter Verwandtenpflege wird in diesen Empfehlungen die Betreuung von Pflegekindern durch Verwandte oder Verschwägerte bis zum dritten Grad im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII verstanden. [...]
Angesprochen sind in diesen Empfehlungen (...auch) von der Herkunftsfamilie selbst initiierte Pflegeverhältnisse im nahen sozialen Umfeld, soweit durch langjährige Beziehungen und Verwobenheit mit der Familie Ähnlichkeiten zur Verwandtenpflege bestehen. Das kann bspw. in besonderem Maße der Fall sein, wenn Kinder ehemaliger Lebensgefährten, Kinder von ehemaligen Pflegekindern („Pflegeenkel“) oder Kinder langjähriger Freunde/Bekannter aufgenommen werden.
Fremdpflege bezeichnet im Folgenden alle Pflegeverhältnisse außerhalb des sozialen Umfelds der Herkunftsfamilie, die von professioneller Seite angebahnt werden.
Kapitel zwei beschäftigt sich mit der sozialpädagogischen Arbeit mit der Pflegefamilie
Bei der sozialpädagogischen Arbeit mit Pflegepersonen, die Kinder aus der eigenen Familie oder dem sozialen Umfeld bei sich aufnehmen, wird der Erfolg dieser Arbeit entscheidend davon abhängen, inwieweit die Fachkräfte die Besonderheiten dieser selbst initiierten Pflegeverhältnisse berücksichtigen.
2.1 Haltung der Fachkräfte
Entscheidend für eine erfolgreiche Unterstützung ist die Grundhaltung, mit der die Fachkräfte der gesamten Familie begegnen. Orientierungspunkt für das Handeln der Fachkräfte ist zu allererst der Unterstützungsbedarf des Kindes, seiner Eltern und der Pflegepersonen. Eine Unterstützung des Pflegekindes wird in aller Regel nur möglich sein, wenn die Pflegefamilie sich angenommen und wertgeschätzt fühlt. Das gilt im besonderen Maße für die Verwandtenpflege, die keiner Erlaubnispflicht nach § 44 SGB VIII unterliegt (s. o. 1.4).
Bei der Verwandtenpflege und Pflegeverhältnissen im sozialen Umfeld der Familie treffen die Fachkräfte in der Regel auf ein bereits bestehendes Pflegearrangement. Das Kind ist der Familie schon länger, meist sogar schon seit der Geburt, bekannt und ist ihr oft eng verbunden. Diese Konstellation unterscheidet sich grundlegend von den Fällen, in denen ein Pflegeverhältnis zwischen einer vorbereiteten und geschulten Pflegefamilie und einem ihr noch fremden Kind angebahnt wird. Da die Fachkräfte einer schon bestehenden Situation begegnen, müssen sie sich zunächst den Beteiligten annähern und sich darum bemühen, deren Beziehungen untereinander und die Entstehungsgeschichte des Pflegeverhältnisses zu verstehen. Es ist wichtig zunächst anzuerkennen, dass die Familie eine Lösung für ihre Problemlage gefunden hat. Das Engagement der Pflegepersonen ist zu würdigen. Sie haben das Kind aufgenommen, obwohl das in der Regel erhebliche Auswirkungen auf ihre Lebensführung und –perspektiven hat.
Leitend bei der Annäherung an die Familie ist die Frage, wie der Boden für eine Unterstützung bereitet werden kann, die förderlich ist für die Entwicklung des Pflegekindes.
2.2 Verschiedene Wege der Beratung und Unterstützung von Pflegefamilien
Verwandtenpflegepersonen wenden sich häufig erst in besonderen Krisensituationen an die Fachkräfte. Der subjektiv empfundene Unterstützungsbedarf der Familie ist in solchen Fällen der „Türöffner“, der auch eine weitergehende Beratung der Familie und Unterstützung des Pflegekindes ermöglichen kann, wenn das notwendig erscheint.
Das Setting und das Vorgehen bei der Beratung werden daher zunächst davon abhängen, welche Themen die Familie einbringt. Auch in Fällen, in denen von Seiten der Familie zu Beginn eine Hilfe nach § 33 SGB VIII und die damit verbundene finanzielle Entlastung angestrebt wird, muss der Blick zunächst offen gehalten werden für die Situation und Bedarfe der Familie und des Kindes. Eine vorschnelle Verengung der Perspektive auf die Frage, ob das Pflegeverhältnis dafür geeignet ist, eine Maßnahme nach § 33 SGB VIII zu begründen, birgt die Gefahr, dass die Fachkräfte sich in einen scheinbar unlösbaren Konflikt begeben, nämlich entweder das Pflegeverhältnis trotz Bedenken „im Nachvollzug“ zu formalisieren oder gänzlich auf eine Unterstützung des Kindes zu verzichten.
Da ein Pflegeverhältnis bei Verwandten nicht der Erlaubnispflicht unterliegt, kann es auch ohne formelle Hilfen weiter bestehen. Das Jugendamt hat dann gegen den Willen der Pflegefamilie keine Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen – den Fall gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung einmal ausgenommen. Daher ist es zwar richtig, dass die Gewährung einer Hilfe nach § 33 SGB VIII ermöglicht, u.a. mit der Hilfeplanung, „einen Fuß in die Tür“ der Pflegefamilie zu bekommen. Andererseits kann aber nur eine wirklich passende Form der Unterstützung zu guten Ergebnissen führen. Eine Hilfe ist nur passend, wenn die Familie die Gelegenheit hatte, sich mit den damit verbundenen Möglichkeiten und Pflichten vertraut zu machen, bevor sie ihr zustimmt. Ebenso ist es nötig, dass die Fachkräfte sich mit der Situation so eingehend auseinandergesetzt haben, dass sie Bereitschaft und Eignung der Pflegepersonen für die Hilfe sicher einschätzen können.
Je nach Konstellation sind neben einer Formalisierung des Pflegeverhältnisses nach §§ 27, 33 SGB VIII auch andere Settings der Unterstützung und Beratung möglich. Dazu gehört die Fortsetzung einer kontinuierlichen Beratung nach § 37 SGB VIII, die allerdings – anders als eine Hilfe nach § 33 SGB VIII – ohne finanzielle Anreize auskommen muss und daher einen positiven Zugang zur Familie voraussetzt. § 37 SGB VIII beinhaltet neben dem Anspruch der Pflegepersonen auf Beratung auch die Aufgabe der Fachkräfte, an der Perspektivklärung zu arbeiten. Es soll daher mit der Pflegefamilie und den Eltern geklärt werden, ob zukünftig eine Erziehung bei den Eltern wieder in Frage kommt. Wenn das nicht der Fall ist, „soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden“ (§ 37 Abs. 1 Satz 4). Zu dieser Perspektivklärung gehört auch die Frage nach den notwendigen und geeigneten Hilfen.
2.4 Eigenständige konzeptionelle Ansätze bei der Beratung von verwandten Pflegepersonen
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Verwandtenpflege aufgrund ihrer Besonderheiten eines Beratungs- und Unterstützungsangebots bedarf, das eigens auf diese Konstellation zugeschnitten ist. Verwandte Pflegepersonen fühlen sich von den Seminaren und Gruppen für Pflegeeltern, die ein „fremdes“ Kind aufgenommen haben, nicht angesprochen. Sie fühlen sich häufig sogar deplatziert, denn ihre Gefühls- und Problemlagen scheinen in diesen Kontexten tatsächlich keinen Platz zu finden. Das kann auch für Pflegepersonen aus dem Bekanntenkreis gelten, je nachdem, wie sehr sie mit der Familie des Pflegekinds verwoben sind.
Neben der Berücksichtigung der Besonderheiten der Verwandtenpflege bei der Beratung durch die Fachkräfte hat es sich daher als sehr hilfreich erwiesen, spezielle Angebote für verwandte Pflegefamilien zu schaffen. Diese ermöglichen den wichtigen Erfahrungsaustausch mit Personen in ähnlicher Lage. [….]
2.5 Einbeziehung der Pflegekinder
Eine gute Beratung kommt ohne Partizipation der Kinder oder Jugendlichen nicht aus. Die Fachkräfte der Pflegekinderhilfe beziehen das Kind ein, um sinnvolle Angebote machen zu können, um gemeinsam herauszufinden, was hilfreich sein und wie dies umgesetzt werden könnte. Für eine gute Entwicklung der Kinder ist es zentral, dass sie ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität bekommen.
Zeit und Ressourcen für einen vertrauensvollen Kontakt der Fachkraft zum einzelnen Pflegekind bereitzustellen, ist dafür wesentlich. Dabei ist für den Bereich der Verwandtenpflege davon auszugehen, dass die Hürde für die Kinder und Jugendlichen, sich familienfremden Personen anzuvertrauen, besonders hoch ist.
Nach Möglichkeit sollten eigene Gruppenangebote für Kinder in Verwandtenpflegefamilien geschaffen werden. Zentrale Themen bei der Beratung wären etwa die Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte (Biografiearbeit), der Umgang mit Familiengeheimnissen und die Verschiebung des Platzes in der Familie. Die Kinder und Jugendlichen bedürfen der Unterstützung bei der Neuorientierung im familiären Geflecht und bei der Suche nach einem sicheren Platz, wenn es zu einer Generationenverschiebung in der Familie kommt. Werden dabei die Grenzen sozialpädagogischer Arbeit erreicht, ist an (psycho-)therapeutische Unterstützung der Kinder und Jugendlichen zu denken.
Zur Entlastung der Kinder bei Loyalitätskonflikten bedarf es familienexterner Beratung. [….]
Absatz drei beschäftigt sich mit der Organisation der Aufgabenwahrnehmung
Hierzu heißt es zu Beginn:
Die Pflegekinderhilfe ist lokal sehr unterschiedlich organisiert. Zwar gibt es in den meisten Jugendämtern eine Aufgabenteilung zwischen ASD und dem Pflegekinderdienst. Die Aufgabenzuschnitte sind jedoch sehr unterschiedlich. Und nicht in allen Jugendämtern gibt es einen spezialisierten Fachdienst. Mancherorts ist auch der ASD für den Pflegekinderbereich zuständig. Freie Träger und Erziehungsberatungsstellen sind nur in der Minderheit der Kommunen einbezogen, in einigen Regionen allerdings in erheblichem Maß. Wer im Einzelnen welche Aufgaben wahrnimmt, unterscheidet sich demnach erheblich. Aufgrund dieser Heterogenität werden im Folgenden vor allem Kriterien bzw. Schlüsselprozesse beschrieben, die – unabhängig von unterschiedlichen Organisationsformen – berücksichtigt werden sollten, um eine positive Entwicklung des Bereichs Verwandtenpflege zu ermöglichen. [...]
Am Ende zieht der Deutsche Verein ein Fazit
[...] Ziel dieser Empfehlungen ist es, diejenigen Fachkräfte zu unterstützen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich mit den Besonderheiten der Verwandtenpflege in ihrer praktischen Arbeit auseinandersetzen. Zugleich will der Deutsche Verein für mehr Mut und Offenheit werben, wo noch Zweifel hinsichtlich der Geeignetheit dieser Form der Vollzeitpflege überwiegen. Diejenigen, die sich verstärkt in diesem Bereich engagieren, haben viele gute Erfahrungen gemacht.
Es besteht ein großes Potenzial, aber auch noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf.
Wie bereits einleitend erwähnt, fehlen aktuelle empirische Erkenntnisse, in welchem Umfang es Verwandtenpflegeverhältnisse und solche im näheren Umfeld der Familie gibt, wie sie sich gestalten und in welcher Weise die Kinder- und Jugendhilfe oder andere staatliche Stellen unterstützend tätig sind. Es bedarf daher unbedingt weiterer Forschung auf diesem Gebiet, um Empfehlungen und Konzepte weiterentwickeln zu können.
Durch die Aufnahme eines Pflegekindes in die Kernfamilie muss sich die Familie und alle ihre Mitglieder verändern. Die leiblichen Kinder müssen in dieser Veränderung berücksichtigt und begleitet werden.
Im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde durch den ergänzten § 4a die Wichtigkeit von Zusammenschlüssen von Betroffenen im Rahmen der Selbsthilfe betont. Im Bereich der Pflegekinderhilfe wurde darüber hinaus deutlich gemacht, dass Zusammenschlüsse in der Pflegekinderhilfe beraten, gefördert und unterstützt werden sollen. Welche Aufgaben können von den Zusammenschlüssen auf örtlicher Ebene und auf Landesebene im Bereich der Adoptiv- und Pflegekinderhilfe übernommen werden?
Die Vermittlung von Geschwisterkindern wird sehr kontrovers diskutiert. Für einige ist die Vermittlung leiblicher Geschwister in eine Adoptiv- oder Pflegefamilie kaum möglich. Andere sehen ein Anrecht der Kinder auf gemeinsame Vermittlung.
Der Vormund hat die Personen- und die Vermögenssorge im besten Interesse seines Mündels auszuüben. Dabei müssen im besonderen Maße die Rechte des Mündels und die sich verändernde Position seiner Beteiligung je nach Entwicklungsstand berücksichtigt werden.
Auf Veranlassung der Amtsvormundin wurde ein Pflegekind aus der Pflegefamilie heraus in Obhut genommen. Die Begründung lag in einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls, da keine Kooperationsbereitschaft zum Wohle des Kindes mehr bestehe. Die Pflegemutter stellte daraufhin einen Antrag auf Übertragung der Vormundschaft auf sie, um eine möglichst baldige Rückführung des Kindes zu ermöglichen. Das Familiengericht übertrug der Pflegemutter die Einzelvormundschaft. Eine Beschwerde wurde vom OLG Brandenburg zurückgewiesen und der Beschluss bestätigt.
Aus der Sicht des Kindes ist eine Namensänderung für ein Pflegekind dann sinnvoll und zu überlegen, wenn die Namensänderung dem Wohl des Kindes förderlich ist. Aus der Sicht der leiblichen Eltern könnte ein überwiegendes Interesse an der Beibehaltung des Namens bestehen.
Auf dem Weg in die Volljährigkeit eines Pflegekindes müssen die Pflegeeltern, Berater und auch der junge Mensch selbst darüber nachdenken, ob und wie weit nach der Volljährigkeit eine eigenständige Lebensführung möglich ist - oder ob noch Hilfen oder eine gesetzliche Betreuung nötig sind. Das Ergebnis dieser Überlegungen muss noch zeitig vor der Volljährigkeit erreicht werden, damit entsprechende rechtliche Vorbereitungen eingeleitet werden können.
Zur Vorbereitung der Reform des SGB VIII - Zusammenfassung von Arbeitspapieren und Stellungnahmen mit dem Schwerpunkt Pflegekinder und angrenzende Bereiche.
Geeignetheit von interessierten Privatleuten als Einzelvormünder für ein Pflegekind, damit die vom Gesetzgeber gewollte Vorrangigkeit der Einzelvormundschaft vor der Amts- oder Vereinsvormundschaft umgesetzt werden kann.
Wie Trennungs- und Scheidungskinder haben natürlich auch Heimkinder und Pflegekinder ein Recht auf Umgang mit ihren Eltern, sowie die Eltern eine Pflicht und ein Recht zum Umgang haben. Bei diesen Kindern – und hier besonders bei Pflegekindern – ist es jedoch notwendig, dieses Recht des Umgangs auf eine mögliche Gefährdung des Kindes durch den Umgang selbst oder die Art und Weise des Umgangs zu überprüfen.
Pflegeelternverbände und Initiativen können es nur verantworten, neue Pflegeeltern zu werben, wenn die Rahmenbedingungen für Pflegefamilien stimmen. Doch dies ist ihnen mit gutem Gewissen nur dann möglich, wenn auch die Rahmenbedingungen für Pflegeeltern und ihre Kinder stimmen, damit diese ihre Aufgabe überhaupt erfüllen können.
von:
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Verwandtenpflegefamilien brauchen Unterstützung und Anerkennung
Themen:
Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe „Pflegekinderhilfe“ erarbeitet und nach Beratung im Fachausschuss „Jugend und Familie“ am 18. Juni 2014 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.
Der Inhalt der 26seitigen Stellungnahme umfasst:
Einleitung
1. Rechtliche Grundlagen
1.1 Anspruch der Pflegepersonen auf Beratung
1.2 Anspruch auf Hilfe zur Erziehung/Eingliederungshilfe/Hilfe für junge Volljährige
1.3 Sicherung des Lebensunterhalts
1.4 Pflegeerlaubnis
1.5 Verantwortungsgemeinschaft von Personensorgeberechtigten, Jugendamt und Pflegepersonen und gemeinsame Perspektivplanung
1.6 Überprüfung der Gewährleistung des Kindeswohls bei bestehenden Pflegeverhältnissen
1.7 Übertragung des Sorgerechts oder von Teilen der elterlichen Sorge auf die Pflegepersonen
2. Die sozialpädagogische Arbeit mit der Pflegefamilie
2.1 Haltung der Fachkräfte
2.2 Verschiedene Wege der Beratung und Unterstützung von Pflegefamilien
2.3 Formalisierung und Anerkennung des Pflegeverhältnisses i. S. d. §§ 27, 33 SGB VIII
2.4 Eigenständige konzeptionelle Ansätze bei der Beratung von verwandten Pflegepersonen
2.5 Einbeziehung der Pflegekinder
2.6 Beratungsthemen
3. Organisation der Aufgabenwahrnehmung
3.1. Aufgabenwahrnehmung durch Kooperation öffentlicher und freier Träger
3.2. Verantwortungsgemeinschaft zum Wohl des Pflegekindes
3.3. Zentrale Aufgaben bzw. Schlüsselprozesse in der Verwandtenpflege und die daraus folgenden Organisationsanforderungen
3.4. Sicherung der Arbeitsqualität der Fachkräfte in der Pflegekinderhilfe
4. Fazit
Auszüge aus der Empfehlung
In der Einleitung wird der Begriff Verwandtenpflege erläutert.
Kinder und Jugendliche werden häufig von Verwandten und manchmal von anderen Personen aus dem sozialen Umfeld aufgenommen, wenn sie nicht bei ihren Eltern leben können. Das geschieht vielfach auf private Initiative und selbst organisiert, ohne Beteiligung öffentlicher Stellen.
Wie viele Kinder aktuell bei Verwandten oder bei Personen aus dem sozialen Umfeld der Familie aufwachsen, ist nicht bekannt. Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik unterscheidet zwischen „Verwandten-“ und „Fremdpflege“. Erfasst sind dabei aber nur solche Pflegeverhältnisse, in denen Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege oder eine entsprechende Hilfe für junge Volljährige gewährt wird. Danach ist seit dem Jahr 2000 ein geringfügiger Anstieg des Anteils von Verwandtenpflege an der Vollzeitpflege zu verzeichnen. Im Jahr 2011 lebten von 61.894 Pflegekindern insgesamt 18.924 bei Verwandten. Das entspricht einem Anteil der Verwandtenpflege an der Vollzeitpflege von 22%.1 Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede in den Kommunen. Die Zahl der Kinder, die ohne die genannten Hilfen bei Pflegepersonen aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis leben, lässt sich der amtlichen Statistik nicht entnehmen. Die Gesamtzahl der Verwandtenpflegeverhältnisse ist bedeutend höher: Auf den Mikrozensus gestützte Berechnungen im Rahmen eines Forschungsprojekts ergaben für das Jahr 1995, dass 70.555 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien bei Verwandten lebten. Das entsprach damals einem Anteil von 58 % an allen Pflegeverhältnissen – mit und ohne Hilfe zur Erziehung.
Trotz der zahlenmäßig erheblichen Bedeutung der Verwandtenpflege gibt es in Deutschland jedoch nur spärliche Forschungsergebnisse und wenig Literatur zu diesem Themenkomplex. Es lässt sich daher auch nur wenig über die (quantitative und qualitative) Entwicklung der Verwandtenpflege in den letzten Jahren sagen.
Diese Empfehlungen widmen sich in erster Linie der fachlichen Unterstützung von Familien, in denen Kinder und Jugendliche bei verwandten Pflegepersonen leben. Es sind jedoch auch solche Pflegeverhältnisse angesprochen, in denen Kinder oder Jugendliche bei Pflegepersonen im nahen sozialen Umfeld der Herkunftsfamilie aufwachsen, soweit ähnliche Herausforderungen wie in der Verwandtenpflege bestehen. Die Eigenart dieser Pflegeverhältnisse liegt in der besonderen Verbindung der Pflegepersonen zu dem Kind bzw. Jugendlichen und seiner Familie. Aufgrund dieser besonderen Verbindung sind die Pflegepersonen bereit, speziell diese/n jungen Menschen (ggf. auch Geschwister) vorübergehend oder auf Dauer bei sich aufzunehmen und für ihn zu sorgen. [...]
Die Praxis der Jugendhilfe vor Ort im Bereich der Verwandten- und Netzwerkpflege ist sehr unterschiedlich. Spezialisierte Konzeptionen gibt es trotz wesentlicher Besonderheiten dieser Settings im Vergleich zur Fremdpflege längst nicht überall. Mitunter bestehen generelle Vorbehalte der Fachkräfte gegen diese Form der Vollzeitpflege. Allgemeine Zweifel hinsichtlich der Eignung von Verwandten oder der Familie Nahestehenden als Pflegepersonen sind jedoch nicht angebracht. Sie haben sich empirisch nicht bestätigt.
In den letzten Jahren haben einige freie und öffentliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe Arbeitshilfen und Konzepte entwickelt, die die spezielle Konstellation der Verwandten- und Netzwerkpflege ins Blickfeld rücken. Daran knüpft der Deutsche Verein mit den vorliegenden Empfehlungen an. Er ist sich dabei bewusst, dass sowohl die Strukturen der Pflegekinderhilfe als auch der Stand der Entwicklung in der Verwandtenpflege regional sehr unterschiedlich sind.
Die Empfehlungen richten sich vor allem an Fachkräfte der Sozialen Dienste und der öffentlichen und freien Träger der Pflegekinderhilfe. Sie sollen als Hilfestellung dienen, um sich der Besonderheiten im Bereich der Verwandtenpflege bewusst zu werden und sie in der fachlichen Unterstützung dieser Pflegeverhältnisse zu berücksichtigen.
Unter Verwandtenpflege wird in diesen Empfehlungen die Betreuung von Pflegekindern durch Verwandte oder Verschwägerte bis zum dritten Grad im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII verstanden. [...]
Angesprochen sind in diesen Empfehlungen (...auch) von der Herkunftsfamilie selbst initiierte Pflegeverhältnisse im nahen sozialen Umfeld, soweit durch langjährige Beziehungen und Verwobenheit mit der Familie Ähnlichkeiten zur Verwandtenpflege bestehen. Das kann bspw. in besonderem Maße der Fall sein, wenn Kinder ehemaliger Lebensgefährten, Kinder von ehemaligen Pflegekindern („Pflegeenkel“) oder Kinder langjähriger Freunde/Bekannter aufgenommen werden.
Fremdpflege bezeichnet im Folgenden alle Pflegeverhältnisse außerhalb des sozialen Umfelds der Herkunftsfamilie, die von professioneller Seite angebahnt werden.
Kapitel zwei beschäftigt sich mit der sozialpädagogischen Arbeit mit der Pflegefamilie
Bei der sozialpädagogischen Arbeit mit Pflegepersonen, die Kinder aus der eigenen Familie oder dem sozialen Umfeld bei sich aufnehmen, wird der Erfolg dieser Arbeit entscheidend davon abhängen, inwieweit die Fachkräfte die Besonderheiten dieser selbst initiierten Pflegeverhältnisse berücksichtigen.
2.1 Haltung der Fachkräfte
Entscheidend für eine erfolgreiche Unterstützung ist die Grundhaltung, mit der die Fachkräfte der gesamten Familie begegnen. Orientierungspunkt für das Handeln der Fachkräfte ist zu allererst der Unterstützungsbedarf des Kindes, seiner Eltern und der Pflegepersonen. Eine Unterstützung des Pflegekindes wird in aller Regel nur möglich sein, wenn die Pflegefamilie sich angenommen und wertgeschätzt fühlt. Das gilt im besonderen Maße für die Verwandtenpflege, die keiner Erlaubnispflicht nach § 44 SGB VIII unterliegt (s. o. 1.4).
Bei der Verwandtenpflege und Pflegeverhältnissen im sozialen Umfeld der Familie treffen die Fachkräfte in der Regel auf ein bereits bestehendes Pflegearrangement. Das Kind ist der Familie schon länger, meist sogar schon seit der Geburt, bekannt und ist ihr oft eng verbunden. Diese Konstellation unterscheidet sich grundlegend von den Fällen, in denen ein Pflegeverhältnis zwischen einer vorbereiteten und geschulten Pflegefamilie und einem ihr noch fremden Kind angebahnt wird. Da die Fachkräfte einer schon bestehenden Situation begegnen, müssen sie sich zunächst den Beteiligten annähern und sich darum bemühen, deren Beziehungen untereinander und die Entstehungsgeschichte des Pflegeverhältnisses zu verstehen. Es ist wichtig zunächst anzuerkennen, dass die Familie eine Lösung für ihre Problemlage gefunden hat. Das Engagement der Pflegepersonen ist zu würdigen. Sie haben das Kind aufgenommen, obwohl das in der Regel erhebliche Auswirkungen auf ihre Lebensführung und –perspektiven hat.
Leitend bei der Annäherung an die Familie ist die Frage, wie der Boden für eine Unterstützung bereitet werden kann, die förderlich ist für die Entwicklung des Pflegekindes.
2.2 Verschiedene Wege der Beratung und Unterstützung von Pflegefamilien
Verwandtenpflegepersonen wenden sich häufig erst in besonderen Krisensituationen an die Fachkräfte. Der subjektiv empfundene Unterstützungsbedarf der Familie ist in solchen Fällen der „Türöffner“, der auch eine weitergehende Beratung der Familie und Unterstützung des Pflegekindes ermöglichen kann, wenn das notwendig erscheint.
Das Setting und das Vorgehen bei der Beratung werden daher zunächst davon abhängen, welche Themen die Familie einbringt. Auch in Fällen, in denen von Seiten der Familie zu Beginn eine Hilfe nach § 33 SGB VIII und die damit verbundene finanzielle Entlastung angestrebt wird, muss der Blick zunächst offen gehalten werden für die Situation und Bedarfe der Familie und des Kindes. Eine vorschnelle Verengung der Perspektive auf die Frage, ob das Pflegeverhältnis dafür geeignet ist, eine Maßnahme nach § 33 SGB VIII zu begründen, birgt die Gefahr, dass die Fachkräfte sich in einen scheinbar unlösbaren Konflikt begeben, nämlich entweder das Pflegeverhältnis trotz Bedenken „im Nachvollzug“ zu formalisieren oder gänzlich auf eine Unterstützung des Kindes zu verzichten.
Da ein Pflegeverhältnis bei Verwandten nicht der Erlaubnispflicht unterliegt, kann es auch ohne formelle Hilfen weiter bestehen. Das Jugendamt hat dann gegen den Willen der Pflegefamilie keine Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen – den Fall gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung einmal ausgenommen. Daher ist es zwar richtig, dass die Gewährung einer Hilfe nach § 33 SGB VIII ermöglicht, u.a. mit der Hilfeplanung, „einen Fuß in die Tür“ der Pflegefamilie zu bekommen. Andererseits kann aber nur eine wirklich passende Form der Unterstützung zu guten Ergebnissen führen. Eine Hilfe ist nur passend, wenn die Familie die Gelegenheit hatte, sich mit den damit verbundenen Möglichkeiten und Pflichten vertraut zu machen, bevor sie ihr zustimmt. Ebenso ist es nötig, dass die Fachkräfte sich mit der Situation so eingehend auseinandergesetzt haben, dass sie Bereitschaft und Eignung der Pflegepersonen für die Hilfe sicher einschätzen können.
Je nach Konstellation sind neben einer Formalisierung des Pflegeverhältnisses nach §§ 27, 33 SGB VIII auch andere Settings der Unterstützung und Beratung möglich. Dazu gehört die Fortsetzung einer kontinuierlichen Beratung nach § 37 SGB VIII, die allerdings – anders als eine Hilfe nach § 33 SGB VIII – ohne finanzielle Anreize auskommen muss und daher einen positiven Zugang zur Familie voraussetzt. § 37 SGB VIII beinhaltet neben dem Anspruch der Pflegepersonen auf Beratung auch die Aufgabe der Fachkräfte, an der Perspektivklärung zu arbeiten. Es soll daher mit der Pflegefamilie und den Eltern geklärt werden, ob zukünftig eine Erziehung bei den Eltern wieder in Frage kommt. Wenn das nicht der Fall ist, „soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden“ (§ 37 Abs. 1 Satz 4). Zu dieser Perspektivklärung gehört auch die Frage nach den notwendigen und geeigneten Hilfen.
2.4 Eigenständige konzeptionelle Ansätze bei der Beratung von verwandten Pflegepersonen
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Verwandtenpflege aufgrund ihrer Besonderheiten eines Beratungs- und Unterstützungsangebots bedarf, das eigens auf diese Konstellation zugeschnitten ist. Verwandte Pflegepersonen fühlen sich von den Seminaren und Gruppen für Pflegeeltern, die ein „fremdes“ Kind aufgenommen haben, nicht angesprochen. Sie fühlen sich häufig sogar deplatziert, denn ihre Gefühls- und Problemlagen scheinen in diesen Kontexten tatsächlich keinen Platz zu finden. Das kann auch für Pflegepersonen aus dem Bekanntenkreis gelten, je nachdem, wie sehr sie mit der Familie des Pflegekinds verwoben sind.
Neben der Berücksichtigung der Besonderheiten der Verwandtenpflege bei der Beratung durch die Fachkräfte hat es sich daher als sehr hilfreich erwiesen, spezielle Angebote für verwandte Pflegefamilien zu schaffen. Diese ermöglichen den wichtigen Erfahrungsaustausch mit Personen in ähnlicher Lage. [….]
2.5 Einbeziehung der Pflegekinder
Eine gute Beratung kommt ohne Partizipation der Kinder oder Jugendlichen nicht aus. Die Fachkräfte der Pflegekinderhilfe beziehen das Kind ein, um sinnvolle Angebote machen zu können, um gemeinsam herauszufinden, was hilfreich sein und wie dies umgesetzt werden könnte. Für eine gute Entwicklung der Kinder ist es zentral, dass sie ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität bekommen.
Zeit und Ressourcen für einen vertrauensvollen Kontakt der Fachkraft zum einzelnen Pflegekind bereitzustellen, ist dafür wesentlich. Dabei ist für den Bereich der Verwandtenpflege davon auszugehen, dass die Hürde für die Kinder und Jugendlichen, sich familienfremden Personen anzuvertrauen, besonders hoch ist.
Nach Möglichkeit sollten eigene Gruppenangebote für Kinder in Verwandtenpflegefamilien geschaffen werden. Zentrale Themen bei der Beratung wären etwa die Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte (Biografiearbeit), der Umgang mit Familiengeheimnissen und die Verschiebung des Platzes in der Familie. Die Kinder und Jugendlichen bedürfen der Unterstützung bei der Neuorientierung im familiären Geflecht und bei der Suche nach einem sicheren Platz, wenn es zu einer Generationenverschiebung in der Familie kommt. Werden dabei die Grenzen sozialpädagogischer Arbeit erreicht, ist an (psycho-)therapeutische Unterstützung der Kinder und Jugendlichen zu denken.
Zur Entlastung der Kinder bei Loyalitätskonflikten bedarf es familienexterner Beratung. [….]
Absatz drei beschäftigt sich mit der Organisation der Aufgabenwahrnehmung
Hierzu heißt es zu Beginn:
Die Pflegekinderhilfe ist lokal sehr unterschiedlich organisiert. Zwar gibt es in den meisten Jugendämtern eine Aufgabenteilung zwischen ASD und dem Pflegekinderdienst. Die Aufgabenzuschnitte sind jedoch sehr unterschiedlich. Und nicht in allen Jugendämtern gibt es einen spezialisierten Fachdienst. Mancherorts ist auch der ASD für den Pflegekinderbereich zuständig. Freie Träger und Erziehungsberatungsstellen sind nur in der Minderheit der Kommunen einbezogen, in einigen Regionen allerdings in erheblichem Maß. Wer im Einzelnen welche Aufgaben wahrnimmt, unterscheidet sich demnach erheblich. Aufgrund dieser Heterogenität werden im Folgenden vor allem Kriterien bzw. Schlüsselprozesse beschrieben, die – unabhängig von unterschiedlichen Organisationsformen – berücksichtigt werden sollten, um eine positive Entwicklung des Bereichs Verwandtenpflege zu ermöglichen. [...]
Am Ende zieht der Deutsche Verein ein Fazit
[...] Ziel dieser Empfehlungen ist es, diejenigen Fachkräfte zu unterstützen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich mit den Besonderheiten der Verwandtenpflege in ihrer praktischen Arbeit auseinandersetzen. Zugleich will der Deutsche Verein für mehr Mut und Offenheit werben, wo noch Zweifel hinsichtlich der Geeignetheit dieser Form der Vollzeitpflege überwiegen. Diejenigen, die sich verstärkt in diesem Bereich engagieren, haben viele gute Erfahrungen gemacht.
Es besteht ein großes Potenzial, aber auch noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf.
Wie bereits einleitend erwähnt, fehlen aktuelle empirische Erkenntnisse, in welchem Umfang es Verwandtenpflegeverhältnisse und solche im näheren Umfeld der Familie gibt, wie sie sich gestalten und in welcher Weise die Kinder- und Jugendhilfe oder andere staatliche Stellen unterstützend tätig sind. Es bedarf daher unbedingt weiterer Forschung auf diesem Gebiet, um Empfehlungen und Konzepte weiterentwickeln zu können.
Die kompletten Empfehlungen finden Sie hier auf der Seite des Deutschen Vereins.
Tipp: Der Link zur PDF-Version ist dort recht klein gedruckt.