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06.01.2022
Projekt

Sieben Standards für das Leaving Care in der Pflegekinderhilfe

Im Rahmen des Projekts „Care Leaving – Übergänge für junge Menschen aus Pflegefamilien gestalten“ hat der Träger 'Familien für Kinder gGmbH' sieben Standards formuliert, die das Leaving Care von Pflegekindern nachhaltig verbessern.
In der Zeitschrift 'Das Jugendamt' Heft 9 / 2021 wurden die sieben Standards vorgestellt. In der Einführung des Artikels heißt es dazu:

Das SGB VIII ist in Teilen reformiert. Die Fachkräfte in den Jugendämtern müssen nun ihr Handeln an die neuen Regelungen anpassen. Auf Grundlage der Auswertung einer umfangreichen Befragung von Pflegefamilien und Fachkräften, die mit den Familien arbeiten, hat die Familien für Kinder gGmbH in Berlin einen Katalog von Standards und Handlungsempfehlungen für Übergänge von Careleaverinnen (m/w/d**) aus der Familie in die Selbstständigkeit entworfen.

 In der Einleitung wird die besondere Problematik von Careleavern beschrieben, besonders dann, wenn für sie Jugendhilfeleistungen beendet werden:

Nicht nur wir beobachten, dass der Übergang aus der Jugendhilfe in die Selbstständigkeit sehr hohe Anforderungen an junge Menschen stellt. Auch die Wissenschaft belegt, dass die Schnittstelle Pflegefamilie ./. Selbstständigkeit ein Risiko darstellt, das bisherige Erfolge der Jugendhilfe aufs Spiel setzt. Ein hoher Anteil der Careleaverinnen wird in ihrem Zugang zu Bildungsangeboten eingeschränkt,1 schafft nicht den Einstieg in die Berufstätigkeit und empfängt später Transferleistungen.2 Careleaverinnen sind überproportional von Armut, Verschuldung und Obdachlosigkeit bedroht.3 Viele von ihnen haben Sucht- und andere psychische Probleme.4 Außerdem werden mehr Careleaverinnen als der Durchschnitt der jungen Erwachsenen straffällig oder Opfer von Straftaten.5 Sie sind im Vergleich zu ihren Peers sozial weniger gut eingebunden, können meist nicht auf umfassende familiäre Unterstützungsnetzwerke und finanzielle Ressourcen zurückgreifen6 und werden sehr jung Eltern.

Sieben im Projekt erarbeitete Standards für das Leaving Care in der Pflegekinderhilfe
  1. Hilfeplanung muss Partizipation wirklich umsetzen. Hilfeplangespräche müssen so gestaltet sein, dass junge Erwachsene ihren gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung wahrnehmen können
  2. Die Vorbereitung auf die Selbstständigkeit muss Teil der Übergangsbegleitung sein.
  3. Das Jugendamt darf seine Zahlungen erst einstellen, wenn andere Leistungsträger bereits gesichert zahlen
  4. Hilfen für junge Volljährige müssen unkompliziert gewährt werden
  5. Nachbetreuung von Careleaverinnen muss strukturell abgesichert werden, vorübergehende Rückkehr in die Hilfe unkompliziert möglich sein.
  6. Careleaverinnen brauchen Anlaufstellen!
  7. Die Kostenheranziehung nach §§ 91–94 SGB VIII muss aufgehoben werden.
Aus dem Fazit des Artikels: 

Wir setzen uns mit den in diesem Artikel zusammengetragenen Vorschlägen und Forderungen dafür ein, dass Übergänge von Pflegekindern in die Selbstständigkeit so gestaltet werden, dass die Nachhaltigkeit der Hilfen sichergestellt ist. Gesetzliche Grundlagen sollen so ausgelegt werden, dass die Erfolge der Jugendhilfe nicht durch zu frühe Beendigung der Hilfen oder durch unzureichende Nachbetreuung der Careleaverinnen riskiert werden. Nicht zuletzt sind die Einrichtungen unserer demokratischen Gesellschaft im moralischen Sinne dafür verantwortlich, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln am Gelingen der Lebensläufe auch jener Menschen mitzuwirken, die zu Beginn ihres Lebens mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. 

Informationen zum Projekt auf der Webseite der Familien für Kinder gGmbH:

Care Leaving – Übergänge für junge Menschen aus Pflegefamilien gestalten

Von Dezember 2018 bis November 2021 führte die Familien für Kinder gGmbH ein durch Aktion Mensch gefördertes Projekt durch, das sich mit der Situation von Careleaver:innen aus Pflegefamilien beschäftigte.

Jugendliche, die in der Jugendhilfe aufwachsen und diese als junge Erwachsene verlassen, nennt man Careleaver:innen. Der Begriff kommt aus Großbritannien, wo es in der Jugendhilfe schon seit vielen Jahren Strukturen und Angebote gibt, die Jugendliche auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit systematisch unterstützen. Hier in Deutschland steht das Thema ebenfalls seit einigen Jahren auf der Agenda. Die meisten wissenschaftlichen Studien, Projekte und Netzwerke, die mit dem Thema Care Leaving zu tun haben und sich für die Rechte der jungen Erwachsenen einsetzen, sind jedoch im Kontext des heimstationären Bereichs entstanden. Deshalb lassen sich bereits existierende Angebote nur bedingt auf die spezifischen Erfahrungen von Pflegekindern und Pflegeeltern übertragen. Diese Situation wollten wir mit unserem expliziten Fokus auf die besondere Situation von Pflegekindern verbessern.

Das Ziel des Projektes war, die Lücke beim Übergang aus der Vollzeitpflege in ein selbstständiges Leben durch bessere Beratung, Begleitung und Vernetzung zu schließen, damit eine Benachteiligung von Pflegekindern vermieden wird. 

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Erfahrungsbericht

herausgegeben von:

Kurzfilme: „Berliner Pflegefamilien erzählen aus ihrem Leben“

Der Träger 'Familien für Kinder gGmbH' produzierte mit Unterstützung durch die Berliner Senatsverwaltung zwei Kurzfilme über das Leben in Pflegefamilien.
Hinweis

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Jedes Jahr werden in Berlin für 500 Kinder neue Pflegefamilien benötigt. Um diese anspruchsvolle Aufgabe gut bewältigen zu können, wird für Interessierte eine Grundqualifikation zur Bedingung gemacht. Damit mehr Menschen sich für die Aufgabe interessieren, wurde die Qualifikation überarbeitet und wird nun an drei verschiedenen Orten in Berlin durch fachkundige Träger angeboten.