Sie sind hier
Eine zeitlich befristete Vollzeitpflege
Themen:
Im SGB VIII § 33 ist die Hilfe zur Erziehung im Rahmen der Vollzeitpflege beschrieben.
§ 33 Vollzeitpflege
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
Gemäß §33 können Kinder also in einer „zeitlich befristeten Erziehungshilfe“ oder „eine auf Dauer angelegte Lebensform“ in einer Pflegefamilie untergebracht werden.
Wenn in Familien ambulante Hilfen zur Sicherung der Versorgung, Betreuung und Erziehung zur Zeit nicht ausreichend sind, die Familien aber grundsätzlich in der Lage sind, durch begleitende Stützungsangebote stabile familiäre Situationen zeitnah zu schaffen, wird eine zeitlich befristete Vollzeitpflege angedacht.
Ziel einer zeitlich befristeten Vollzeitpflege ist die Rückführung des Kindes zu seiner Familie in einem für das Kind vertretbarem Zeitraum. In diesem Zeitraum müssen die Eltern eine nachhaltige Verbesserung ihrer Erziehungsbedingungen erreichen können.
Bedeutsam für diese Hilfeform ist der Erhalt der Bindungen des Kindes an seine Herkunftsfamilie. Hierfür muss es klare Bedingungen und Vereinbarungen mit allen Beteiligten geben. Es ist auch notwendig klar zu beschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine Rückkehr des Kindes zu den Eltern trotz deren Bemührungen nicht möglich sein würde.
Sollte das Ziel der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie nicht erreicht werden, müssen die Beteiligten zum Wohle des Kindes eine auf Dauer angelegte Lebensform vereinbaren.
Eine umfassende Beschreibung der „zeitlich befristeten Hilfeform“ findet sich im bereits 2003 erarbeiteten Konzept zur Vollzeitpflege der Stadt Münster.
Hier einige Auszüge zur Erläuterung:
Voraussetzungen für die zeitlich befristete Hilfeform
Die Familien, an die sich die zeitlich befristete Hilfeform richtet, stehen häufig bereits in Kontakt mit dem kommunalen Sozialdienst. Bei einem Teil der Familien wurden im Vorfeld ambulante Hilfen (z. B. Erziehungsbeistandschaften, Sozialpädagogische Familienhilfe) eingesetzt, die jedoch nicht ausreichten. Nach fachlicher Einschätzung wird prognostiziert, dass die durch die zeitliche Trennung von Eltern und Kindern entstandenen Freiräume den Eltern die Chance bieten, ihre Erziehungsfähigkeit unter Einbeziehung begleitender Hilfsangebote positiv zu verändern und zu stabilisieren.
Neben der Antragstellung der Eltern auf Einrichtung einer Hilfe zur Erziehung, müssen nachfolgend aufgeführte Voraussetzungen im Vorfeld der Leistungsgewährung
vorliegen:Voraussetzungen:
- Feststellen von drohenden bzw. bestehenden Entwicklungsdefiziten der Kinder bzw. Jugendlichen
- Feststellung der Ressourcen der Eltern, die zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Familie beitragen können
- Einverständnis der Eltern für diese Hilfeform, sowie ihre Bereitschaft, aktiv an dem im Vorfeld umschriebenen Veränderungsprozess unter Hinzuziehung der Stützungsangebote mitzuarbeiten
- Gegenseitige Akzeptanz von Eltern und Pflegeltern
- Bereitschaft der Eltern zur Kooperation mit den Pflegeeltern
- Bereitschaft der Pflegeeltern zur Kooperation mit den Eltern
Voraussetzungen für die Umsetzung der Rückkehroption
Die Rückkehr eines Kindes in seine Familie darf nur unter den drei nachfolgend aufgeführten Kriterien geschehen:
- wenn es zu einer nachhaltigen Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Familie kommt
- wenn diese nachhaltige Verbesserung innerhalb einer Zeitspanne geschieht, die sich am Zeitverständnis des Kindes orientiert
- wenn die Beteiligten zum Wohl des Kindes zusammenarbeiten
Voraussetzungen an befristete Vollzeitpflegestellen
Einem Kind/Jugendlichen Familie auf Zeit zu sein, stellt hohe Anforderungen an die Pflegepersonen:
- Stabile Persönlichkeit
- Erziehungserfahrung und / oder pädagogisches Geschick
- Flexibilität und Belastbarkeit
- Kritik- und Konfliktfähigkeit
- Empathisches Empfinden für die Befindlichkeit des *Kindes/Jugendlichen
- Toleranz und Offenheit für andere Lebensbezüge und -vorstellungen
- Kooperationsbereitschaft mit der Familie des Pflegekindes
- Bereitschaft, sich auf Beratung im laufenden Prozess einzulassen
- Aushalten der Dynamik aufgrund der befristeten und wechselnden Verweildauer von Kindern und Jugendlichen in ihrer Familie
- Einhaltung vertraglich geregelter Absprachen
Die Familienangehörigen der Pflegeperson stehen der Aufgabe akzeptierend und unterstützend gegenüber. Die Pflegeperson sollte bei Kleinkindern keiner außerhäuslichen Beschäftigung nachgehen. Für das Pflegekind steht ausreichend Wohnraum zur Verfügung.
Vorbereitung der befristeten Vollzeitpflegestellen
Die Werbung von Pflegepersonen für die befristete Vollzeitpflege erfolgt durch Öffentlichkeitsarbeit unter Einbeziehung der verschiedenen Medien. Interessierte Einzelpersonen, Paare und Familien erhalten in einem Erstgespräch Informationen zur befristeten Vollzeitpflege hinsichtlich Voraussetzungen, Aufgaben, Leistungen, vertraglicher Vereinbarungen.
Die weitere Vorbereitung der Pflegepersonen findet in Gruppenarbeit und/oder Einzelgesprächen statt, in der sich die Bewerber theoretisch und praktisch mit den Themen der befristeten Vollzeitpflege auseinandersetzen. Die Themenbereiche sind vielfältig und beschäftigen sich beispielsweise mit den Familien der Pflegekinder und ihren Ressourcen, mit der kindlichen Entwicklung, den Ursachen für Entwicklungsdefizite bzw. Verhaltensstörungen, mit den Chancen für das Herkunftssystem und mit der Aufgabe und Rolle der Pflegepersonen in dieser erzieherischen Hilfeform.
Die Vorbereitung vermittelt den Bewerbern ein realistisches Bild von den Aufgaben der befristeten Vollzeitpflegestelle und den damit an sie gestellten Anforderungen. Sie unterstützt die Bewerber in ihrem Entscheidungsprozess und verschafft den Fachkräften einen Einblick über die Eignung der Bewerber. In einem Auswertungsgespräch werden mit dem Bewerber seine konkreten Vorstellungen bzgl. eines aufzunehmenden Kindes, seine Fähigkeiten und seine Belastbarkeitsgrenze aufgezeigt und ein Bewerberprofil erarbeitet.
Begleitung und Beratung der Pflegepersonen während des Prozesses
Im Vorfeld der Vermittlung erhält die Pflegeperson umfassende Informationen hinsichtlich Vorgeschichte, Entwicklungsstand und Persönlichkeit des Pflegekindes, sowie Ressourcen der Familie, die nach Einschätzung der Fachkräfte während der befristeten Vollzeitpflege aktiviert werden und zur Verbesserung der Erziehungsaufgaben beitragen können.
Die Fachkraft begleitet das Kennen lernen der beiden Familiensysteme, unterstützt die Pflegefamilie in der Anbahnungsphase und berät sie im fortlaufenden Prozess.
Die regelmäßig stattfindenden Besuchskontakte werden von der Fachkraft vorbereitet, begleitet und in nachgehenden Gesprächen reflektiert.
Die Beendigung der zeitlich befristeten Vollzeitpflege durch Rückführung des Kindes erfordert die Vorbereitung und Begleitung der Pflegepersonen durch die Fachkraft.
Bei der zeitlich befristeten Vollzeitpflege ist der Aufenthalt des Kindes/ des Jugendlichen mit der klaren Rückkehrperspektive in seine Herkunftsfamilie verbunden. Sie bleiben, mit Blick auf die geplante Rückführung, während dieser Zeit die Hauptbezugspersonen des Kindes/Jugendlichen.