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08.05.2012

Auf dem Weg zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe

Der gesellschaftliche Diskurs über den Umgang mit Vielfalt bewegt sich im Spannungsfeld von Exklusion, Separation, Integration und Inklusion. Die AGJ erläutert diese verschiedenen Möglichkeiten und verweist auf die Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe für das Konzept der Inklusion.

Ein Zwischenruf der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe AGJ

Exklusion ist methodisch durch den bewussten Ausschluss bestimmter Merkmalsträger gekennzeichnet; Separationsansätze beziehen sich auf homogene Gruppen. Integration wiederum strebt die gesellschaftliche Teilhabe von spezifischen Gruppen dadurch an, dass sie diese in Angebote einbezieht, die vorher für sie nicht zugänglich waren.
Inklusion zielt hingegen auf die vollständige Öffnung aller gesellschaftlichen Bereiche für alle Menschen ohne jeglichen Unterschied.

Das Konzept der Inklusion ist verbunden mit einer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe, die den Auftrag hat, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien zu schaffen.
Zugleich meint Inklusion für die Kinder- und Jugendhilfe die vollständige Öffnung ihrer eigenen Angebote für alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Sprache, Behinderung, sozioökonomischem Hintergrund, Religion, (politischer) Anschauung oder sexueller Identität. Ausgenommen sind Ansätze, die auf pädagogisch begründete exklusive oder separierende Methoden zurückgreifen, zum Beispiel geschlechtshomogener oder altersgruppenspezifischer Art.

Aktuelle Debatten über Perspektiven und Weiterentwicklung der Konzepte, Angebote, und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind mittlerweile von einem inflationären Gebrauch des Inklusionsbegriffs geprägt. Es scheint allerdings eine Übereinkunft darüber zu bestehen, dass Inklusion schnellstmöglich umgesetzt werden muss und auch kann.

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ versteht Inklusion als Leitbild für einen fortwährenden Prozess auf dem Weg zu einer solchen Öffnung. Im Sinne einer nachhaltigen Umsetzung dieses Prozesses muss Kinder- und Jugendhilfe ihren Anspruch an Qualität flüchtigen Erfolgen vorziehen.
Inklusive Kinder- und Jugendhilfe bedeutet mehr als die Berücksichtigung neuer Zielgruppen, sondern ermöglicht die aktive und uneingeschränkte Teilhabe aller jungen Menschen und darf nicht auf ein „Gütesiegel“ für integrative Angebote verkürzt werden.

Im Sinne gleicher Teilhabechancen muss Kinder- und Jugendhilfe sowohl zielgruppenübergreifende als auch zielgruppenspezifische Leistungen erbringen, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien ausrichten.
Hierfür bedarf es entsprechender Finanzierungssysteme, die notwendige Ressourcen sicherstellen. Bereits in der Phase des Übergangs zu inklusiven Modellen müssen Angebotslücken vermieden werden.

Es gehört zum Inklusionsprozess, dass bereits vorhandene Konzepte und Methoden für einen gerechten und reflektierenden Umgang mit Vielfalt in Theorie und Praxis weiterentwickelt und Gegenstand von Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Kinder- und Jugendhilfe werden.
Wir brauchen aufgeschlossene Fachkräfte, die Inklusion als Leitbild anerkennen, eine entsprechende Haltung entwickeln und adäquat professionell handeln.

Kinder- und Jugendhilfe muss den Inklusionsprozess perspektivisch nicht im Sinne einer punktuellen Ergänzung ihres Leistungsspektrums, sondern als eine zentrale Zielstellung für Jugendhilfeplanung sowie systematische Personal- und Organisationsentwicklung begreifen. Das muss sich auch auf die Besetzung von Leitungsfunktionen und Gremien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, etwa in Jugendhilfeausschüssen, auswirken.

Unter dem gemeinsamen Leitbild von Inklusion müssen Kinder- und Jugendhilfe und andere gesellschaftliche Akteure, zum Beispiel Gesundheitswesen und Schule, ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit weiter ausbauen.

Inklusion würdigt Vielfalt als Bereicherung. Der AGJ ist bewusst, dass mit dem Leitbild Inklusion eine enorme Chance und die bislang größte Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe verbunden sind. Mit Blick auf Qualität und nachhaltigen Erfolg ist in diesem Prozess Sensibilität geboten.

Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Berlin, 25. April 201

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