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23.04.2015

Stellungnahme zur Vormundschaft für Pflegekinder

Der 'Runde Tisch der Pflegefamilienverbände' hat bei seinem letzten Treffen eine Stellungnahme zur Vormundschaftsdiskussion erarbeitet.

Vormundschaft für Pflegekinder - Erfordernisse aus der Perspektive der Pflegefamilienverbände

Die Pflegefamilienverbände begrüßen, dass mit dem zweiten Schritt der Vormundschaftsreform die Subjektstellung des Kindes/Jugendlichen (Mündel) auch im BGB stärker verankert werden soll. Mit dem Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 14.04.2011 wurden wesentliche Voraussetzungen im BGB wie auch im SGB VIII geschaffen, die einem Kind/Jugendlichen ermöglichen, seinen Vormund persönlich zu kennen.

Mit dem zweiten Schritt der Vormundschaftsreform (siehe Eckpunktepapier) erwarten wir eine weitere Entwicklung im Vormundschaftsrecht, die an die positiven Aspekte von 2011 anknüpft.

Folgende Themen finden wir wichtig:

1. Rollenklarheit

Klare Unterscheidung der Aufgaben und Rollen von Erziehungsperson, sozialpädagogischem Dienst und Vormund

In den fachlichen Hinweisen zu den Veränderungen im Vormundschaftsrecht (Gesetz vom 14.04.2011) wurde an mehreren Stellen deutlich, dass eine klare Rollenteilung zwischen allen Beteiligten notwendig ist (vgl. DIJuF 14.10.2011; JFMK 26./27.05.2011; DIJuF Rechtsgutachten vom 09.01.2012; sowie 12.10.2011). Es ist nicht die Aufgabe des Vormundes, die Aufgaben der alltäglichen Betreuung und Erziehung wahrzunehmen. Die Unterscheidung zwischen „Förderung der Erziehung“ und "Wahrnehmen der Erziehung“ muss dringend erhalten bleiben. Das gilt auch für die sozialpädagogischen Fachdienste.

Zusammenarbeit der beteiligten Erwachsenen

Die Zusammenarbeit der beteiligten Erwachsenen und des Kindes/Jugendlichen sind wichtige Regelungen in der Hilfegewährung (vgl. SGB VIII § 36 Absatz 2 Satz 2 sowie § 37 Absatz 1 Satz 1).
Diesen Gedanken des Zusammenarbeitsgebotes und das Anstreben einvernehmlicher Lösungen auf der Grundlage des Wohls und Willens des Kindes als Grundprinzipien von Vormundschaften erachten wir als wichtig.

Anerkennung der Privatheit der Pflegefamilie

Auch wenn der Vormund die Förderung der Erziehung persönlich gewährleisten soll, bedeutet dies nicht, dass Pflegeeltern weisungsgebunden ihren Erziehungsalltag gestalten. Entscheidungen im Bereich der Alltagssorge treffen Pflegeeltern als Eltern und nicht für den Vormund oder in Vertretung des Vormundes.

2. Unabhängigkeit des Vormundes

keine Eingriffsmöglichkeit/allgemeine Anweisungen von organisatorisch Vorgesetzten

Schon mit dem ersten Schritt der Reform des Vormundschaftsrechts 2011 wurde klar formuliert, dass die sozialpädagogischen Fachkräfte, die über die Gewährung von Jugendhilfeleistungen entscheiden, nicht gleichzeitig gesetzliche Vertreter – Leistungsantragsteller – sein dürfen. Eine Weisungsbefugnis der Jugendamtsleitung gegenüber Mitarbeitern, die als Amtsvormünder tätig sind, darf diese nicht darin einschränken, Rechtsansprüche ihrer Mündel auf Leistungen der Jugendhilfe geltend zu machen.

3. Beteiligung des Kindes bei Auswahl bzw. Wechsel des Vormundes

Im SGB VIII ist in § 55 Absatz 2 geregelt, dass Kinder/Jugendliche bei der Auswahl der Amtsperson (Beamter oder Angestellter), die die Vormundschaft führt, gehört werden sollen. Diesen Gedanken der Beteiligung junger Menschen begrüßen wir. Eine entsprechende Regelung im Bereich des Bürgerlichen Rechts entspricht der Zielstellung des zweiten Schritts der Vormundschaftsreform, die Subjektstellung des Kindes/Jugendlichen im Vormundschaftsrecht zu verankern.

Insbesondere die zu sozialen Eltern gewordenen Pflegeeltern sind in der Regel geeignet die Vormundschaft für das auf Dauer bei ihnen lebende Kind zu übernehmen. Die Bindungen des Kindes müssen bei der Auswahl des Vormundes berücksichtigt werden. Wenn das Kind längere Zeit in Vollzeitpflege lebt und die Pflegefamilie zu seinem Lebensmittelpunkt geworden ist, kann prinzipiell von einer Eignung der Pflegeeltern als Vormund ausgegangen werden. Stellvertretend für viele andere OLG Urteile wird auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin v. 17.04.2001 1 8 UF 6804 hingewiesen, in dessen Urteilsbegründung ausdrücklich klargestellt wird, dass die Vormundschaft am besten ihren Sinn erfüllt, wenn das Kind (Mündel) erlebt, dass die Person, die ihn täglich erzieht, auch rechtlich befugt ist, ihn zu erziehen.

4. Subsidiarität der Amtsvormundschaft

Interimslösung

Wenn dem Gericht bei der Anordnung der Vormundschaft noch keine zur Übernahme der Vormundschaft geeignete Person bekannt oder benannt ist (was die Regel ist), wird das Jugendamt vorläufiger Vormund. Diese Zwischenlösung soll mit einem Zeitfenster versehen werden. Nach maximal 2 Jahren sollen das Jugendamt oder/und das Familiengericht eine geeignete Person gefunden haben, die als Einzelvormund die Vormundschaft führen kann.

Schulung und Ausbildung der ehrenamtlichen Vormünder

Die Ausbildung und Fortbildung ehrenamtlicher Einzelvormünder ist Aufgabe des Jugendamtes (Vierter Abschnitt, §§ 52a bis 56). Mit der vorgeschlagenen Interimslösung können die entsprechenden personellen Kapazitäten gewonnen werden.

Runder Tisch der Pflege- und Adoptivfamilienverbände
April 2015

Ansprechpartner:

PFAD Bundesverband e.V. Vors. Dagmar Trautner; www.pfad-bv.de

BAG KiAP e.V.: Vors. Dr. Johannes Rupp; www.kiap.de

Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.: Vors. Kerstin Held; www.bbpflegekinder.de

AGENDA Pflegefamilien: Sprecherin: Renate Schusch; www.agendapflegefamilien.de

Die Stellungnahme können Sie auch als PDF-Datei lesen: