Das Land NRW plant ein Ausführungsgesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Zur Frage von Jugendliche mit Behinderungen in Pflegefamilien hat das Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V. eine Stellungnahme an die Politik in NRW versandt.
Schreiben des Aktionsbündnisses Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V.:
Köln, 24.11.2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V. setzt sich seit langem für die Rechte von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen können ein. Daher treten wir mit der dringenden Bitte an Sie heran, in Ihren Beratungen zum Ausführungsgesetz des Landes NRW zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die Rechte von jungen Menschen mit Behinderungen, die ihren Aufenthalt in einer Pflegefamilie haben, auf der Grundlage der UN-BRK zu berücksichtigen.
Gemäß Artikel 19 UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderungen das Recht, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und sind nicht verpflichtet in besonderen Wohnformen zu leben.
Danach sollten auch junge Menschen mit Behinderungen, die in einer Pflegefamilie leben, mit Eintritt der Volljährigkeit das Wunsch- und Wahlrecht haben, über ihren weiteren Aufenthaltsort selbst zu entscheiden. Wenn dies ihre bisherige Pflegefamilie ist und sie aufgrund ihrer Behinderung nicht allein leben können, sondern weiterhin auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, sollte die Fortsetzung dieser Hilfemaßnahme über das 18. Lebensjahr hinaus ohne Leistungskürzung möglich sein.
Ebenso ist Inhalt des ersten allgemeinen Gesetzes zur Stärkung der Sozialen Inklusion in NRW (IGG NRW) vom 30.06.2016, die Menschenrechte und Grundfreiheiten von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Die Träger öffentlicher Belange werden darin aufgefordert, die Ziele der UN-BRK zu verwirklichen. Sie sollen zur Förderung und Stärkung inklusiver Lebensverhältnisse beitragen. Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen sollen gemäß § 7 IGG NRW soweit wie möglich vermieden werden.
Auch ist es gemäß § 2a Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW die Aufgabe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, teilstationäre oder stationäre Hilfe zu verhindern.
Schließlich wurde im Bericht der durch ASKM und JFMK eingesetzten Arbeitsgruppe „Inklusion von jungen Menschen mit Behinderung“ (Beteiligte waren Bund, Länder, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag, BAG der Landesjugendämter und die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger) von 2013 die Empfehlung ausgesprochen, dass zwar mit dem 18. Lebensjahr ein Wechsel der Zuständigkeit in die Sozialhilfe erfolgen sollte, was aber nicht dazu führen darf, das bestehende Hilfemaßnahmen abgebrochen werden. Die Hilfe muss über das 18. Lebensjahr hinaus so lange gewährt werden, solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation notwendig ist. Als Gründe hierfür werden psychische, gesundheitliche, körperliche Beeinträchtigungen genannt.
Trotz dieser Rechtsgrundlagen und Empfehlungen sieht die Realität anders aus.
Mit Erreichung der Volljährigkeit werden für Jugendliche mit Behinderungen in Pflegefamilien die Leistungen der Jugendhilfe eingestellt. Die Zuständigkeit wird an den Sozialhilfeträger abgegeben und die Maßnahme Vollzeitpflege wird beendet.
Wenn ein Jugendlicher mit Behinderung nun weiterhin auf eine intensive Pflege und Betreuung angewiesen ist, bestehen derzeit folgende Möglichkeiten:
1. Der Jugendliche verbleibt in seiner bisherigen Pflegefamilie und das Pflegeverhältnis wird in eine Maßnahme des Betreuten Wohnens von behinderten Menschen in Gastfamilien umgewandelt. Dies hat eine gravierende Leistungskürzung zur Folge. Nicht jede Pflegefamilie ist wirtschaftlich in der Lage, unter diesen Voraussetzungen die weitere Betreuung zu leisten und aus eigenen Mitteln für die durch die Betreuung entstehenden Kosten aufzukommen. Hinzu kommt, dass auch die Beratung und Begleitung durch den bisher begleitenden Pflegekinderfachdienst wegfällt, ebenso die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Supervision, Fortbildung, Arbeitskreise, Ferienmaßnahmen und Wochenendveranstaltungen für Pflegefamilien mit behinderten Kindern.
2. Der junge Mensch mit Behinderung wird (oftmals gegen seinen Willen) aufgrund der Leistungsreduzierung aus der Geborgenheit seiner Pflegefamilie herausgenommen und muss in eine stationäre Wohnform wechseln.
Dies ist ein gravierender Verstoß gegen die Forderungen der UN-BRK sowie das Inklusionsstärkungsgesetz von NRW. Diese beinhalten, dass Menschen mit Behinderungen ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen können, sowie die Vermeidung der Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in stationären Wohnformen.
Wenn sich mit Erreichung der Volljährigkeit junger Menschen weder die Schwere ihrer Behinderung noch ihr Hilfe- und Unterstützungsbedarf geändert hat, darf nicht länger hingenommen werden, dass die öffentlichen Träger der Sozialhilfe nicht bereit sind, die Unterbringung in einer Pflegefamilie weiterhin in bisherigem vollen Leistungsumfang zu finanzieren.
Dagegen wird von den öffentlichen Trägern der Sozialhilfe für junge Menschen mit Behinderungen, die in stationären Wohnformen untergebracht sind, mit Erreichung der Volljährigkeit der Pflegesatz in gleicher Höhe weitergezahlt. Leistungen bei einer Unterbringung in eine Pflegefamilie werden allerdings bis zur Hälfte reduziert.
Diese offenkundige Ungleichbehandlung von jungen Volljährigen in Pflegefamilien darf nicht weiter bestehen bleiben. Daher bitten wir Sie, sich dafür einzusetzen, dass im Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Bundesteilhabegesetz die Hilfekontinuität über das 18. Lebensjahr hinaus sichergestellt wird.
Bisher wird die Förderung von Schülern mit FASD an Förder- und Regelschulen mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Das hat zur Folge, dass die Schullaufbahn von Kindern mit FASD von Umschulungen, Abbrüchen und Niederlagen geprägt ist.
Unter dem Thema "Wege finden - Türen öffnen" wurde die fachliche Diskussion um das Fehlen einer eindeutigen und bundeseinheitlichen Rechtsgrundlage geführt, welche es ermöglichen würde, Pflegeverhältnisse auch für Kinder mit chronischen Krankheiten und Behinderungen als Regelangebot einzurichten.
Bericht über die Bundesfachtagung am 14. März 2007 von Mériem Diouani-Streek, Johann Wolfgang Goethe Universität
Ein Blick auf die veränderte Praxis bei der Unterbringung behinderter Kinder in Pflegefamilien aus der Sicht des des Zentralen Fachdienstes für Pflegekinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen der Diakonie in Düsseldorf
Soll in der Hilfeplanung über die Unterbringung in einer Pflegefamilie entschieden werden, sollten hieran neben dem Allgemeinen Sozialen Dienst, dem Pflegekinderdienst, den gesetzlichen Vertretern des Kindes evtl. auch weitere unterschiedliche Fachkräfte wie Ärzte, Therapeuten, Lehrer etc. hinzugezogen werden. Nach einer Entscheidung zur Unterbringung des behinderten Kindes in einer Pflegefamilie ist mit allen Beteiligten der durch die Behinderung anfallende Bedarf zu ermitteln. In diesem Fachartikel finden Sie detaillierte Informationen dazu.
Frauke Zottmann-Neumeister, Sachgebietsleiterin Sonderpädagogische Pflegestellen der Diakonie Düsseldorf, stellt das Hilfeangebot der Sonderpädagogischen Pflegstellen vor und informiert über die hierbei auftretende Problematik der ungeklärten Rechtssituation.
Kinder mit Behinderungen haben das Recht in einer Familie aufzuwachsen. Kann das Kind nicht in seiner Ursprungsfamilie leben, so ist ihm ein Leben in einere anderen Familie zu ermöglichen.
Was ist bei der Unterbringung von Pflegekindern mit Behinderungen und entsprechendem Förderbedarf sowohl von speziellen Fachkräften als auch von Pflegefamilien zu beachten? Was müssen die Beteiligten wissen? Der Artikel gibt sehr umfassende Antworten auf alle inhaltlichen und rechtlichen Fragen.
Die Einrichtung einer individuellen Schulbegleitung kann für einzelne Schüler zur Sicherstellung einer angemessenen Schulbildung notwendig sein. Einrichtung und Aufgabe einer Integrationshilfe für Kinder mit Behinderungen.
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Jugendliche mit Behinderungen in Pflegefamilien
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Schreiben des Aktionsbündnisses Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V.:
Köln, 24.11.2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V. setzt sich seit langem für die Rechte von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen können ein. Daher treten wir mit der dringenden Bitte an Sie heran, in Ihren Beratungen zum Ausführungsgesetz des Landes NRW zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die Rechte von jungen Menschen mit Behinderungen, die ihren Aufenthalt in einer Pflegefamilie haben, auf der Grundlage der UN-BRK zu berücksichtigen.
Gemäß Artikel 19 UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderungen das Recht, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und sind nicht verpflichtet in besonderen Wohnformen zu leben.
Danach sollten auch junge Menschen mit Behinderungen, die in einer Pflegefamilie leben, mit Eintritt der Volljährigkeit das Wunsch- und Wahlrecht haben, über ihren weiteren Aufenthaltsort selbst zu entscheiden. Wenn dies ihre bisherige Pflegefamilie ist und sie aufgrund ihrer Behinderung nicht allein leben können, sondern weiterhin auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, sollte die Fortsetzung dieser Hilfemaßnahme über das 18. Lebensjahr hinaus ohne Leistungskürzung möglich sein.
Ebenso ist Inhalt des ersten allgemeinen Gesetzes zur Stärkung der Sozialen Inklusion in NRW (IGG NRW) vom 30.06.2016, die Menschenrechte und Grundfreiheiten von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Die Träger öffentlicher Belange werden darin aufgefordert, die Ziele der UN-BRK zu verwirklichen. Sie sollen zur Förderung und Stärkung inklusiver Lebensverhältnisse beitragen. Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen sollen gemäß § 7 IGG NRW soweit wie möglich vermieden werden.
Auch ist es gemäß § 2a Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW die Aufgabe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, teilstationäre oder stationäre Hilfe zu verhindern.
Schließlich wurde im Bericht der durch ASKM und JFMK eingesetzten Arbeitsgruppe „Inklusion von jungen Menschen mit Behinderung“ (Beteiligte waren Bund, Länder, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag, BAG der Landesjugendämter und die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger) von 2013 die Empfehlung ausgesprochen, dass zwar mit dem 18. Lebensjahr ein Wechsel der Zuständigkeit in die Sozialhilfe erfolgen sollte, was aber nicht dazu führen darf, das bestehende Hilfemaßnahmen abgebrochen werden. Die Hilfe muss über das 18. Lebensjahr hinaus so lange gewährt werden, solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation notwendig ist. Als Gründe hierfür werden psychische, gesundheitliche, körperliche Beeinträchtigungen genannt.
Trotz dieser Rechtsgrundlagen und Empfehlungen sieht die Realität anders aus.
Mit Erreichung der Volljährigkeit werden für Jugendliche mit Behinderungen in Pflegefamilien die Leistungen der Jugendhilfe eingestellt. Die Zuständigkeit wird an den Sozialhilfeträger abgegeben und die Maßnahme Vollzeitpflege wird beendet.
Wenn ein Jugendlicher mit Behinderung nun weiterhin auf eine intensive Pflege und Betreuung angewiesen ist, bestehen derzeit folgende Möglichkeiten:
1. Der Jugendliche verbleibt in seiner bisherigen Pflegefamilie und das Pflegeverhältnis wird in eine Maßnahme des Betreuten Wohnens von behinderten Menschen in Gastfamilien umgewandelt. Dies hat eine gravierende Leistungskürzung zur Folge. Nicht jede Pflegefamilie ist wirtschaftlich in der Lage, unter diesen Voraussetzungen die weitere Betreuung zu leisten und aus eigenen Mitteln für die durch die Betreuung entstehenden Kosten aufzukommen. Hinzu kommt, dass auch die Beratung und Begleitung durch den bisher begleitenden Pflegekinderfachdienst wegfällt, ebenso die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Supervision, Fortbildung, Arbeitskreise, Ferienmaßnahmen und Wochenendveranstaltungen für Pflegefamilien mit behinderten Kindern.
2. Der junge Mensch mit Behinderung wird (oftmals gegen seinen Willen) aufgrund der Leistungsreduzierung aus der Geborgenheit seiner Pflegefamilie herausgenommen und muss in eine stationäre Wohnform wechseln.
Dies ist ein gravierender Verstoß gegen die Forderungen der UN-BRK sowie das Inklusionsstärkungsgesetz von NRW. Diese beinhalten, dass Menschen mit Behinderungen ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen können, sowie die Vermeidung der Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in stationären Wohnformen.
Wenn sich mit Erreichung der Volljährigkeit junger Menschen weder die Schwere ihrer Behinderung noch ihr Hilfe- und Unterstützungsbedarf geändert hat, darf nicht länger hingenommen werden, dass die öffentlichen Träger der Sozialhilfe nicht bereit sind, die Unterbringung in einer Pflegefamilie weiterhin in bisherigem vollen Leistungsumfang zu finanzieren.
Dagegen wird von den öffentlichen Trägern der Sozialhilfe für junge Menschen mit Behinderungen, die in stationären Wohnformen untergebracht sind, mit Erreichung der Volljährigkeit der Pflegesatz in gleicher Höhe weitergezahlt. Leistungen bei einer Unterbringung in eine Pflegefamilie werden allerdings bis zur Hälfte reduziert.
Diese offenkundige Ungleichbehandlung von jungen Volljährigen in Pflegefamilien darf nicht weiter bestehen bleiben. Daher bitten wir Sie, sich dafür einzusetzen, dass im Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Bundesteilhabegesetz die Hilfekontinuität über das 18. Lebensjahr hinaus sichergestellt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Frauke Zottmann-Neumeister
Peter Kreuels
Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V.
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