Drogenbeauftragte: Gynäkologen sollen schwangere Mädchen vor Alkoholkonsum warnen
Schätzungsweise 10.000 Kinder mit einer Form der Fetalen Alkoholspektrum-Störung (FASD) werden in jedem Jahr in Deutschland geboren. Damit ist FASD die häufigste angeborene Behinderung in diesem Land. Zu den dauerhaften Beeinträchtigungen zählen dabei Minderwuchs, körperliche Missbildungen und Schädigungen des zentralen Nervensystems.
„Untersuchungen haben gezeigt, dass 80 Prozent der schwangeren Frauen in Deutschland während ihrer Schwangerschaft Alkohol trinken“, sagte die Leiterin des Evangelischen Kinderheims Sonnenhof, Gela Becker, am Internationalen Tag des alkoholgeschädigten Kindes vergangenen Freitag in Berlin. „Dabei kann Alkohol schon in geringen Mengen ausreichen, um eine Fetale Alkoholspektrum-Störung hervorzurufen.“
Obwohl die Behinderung so weit verbreitet sei, dauere es in Deutschland lange, bis die Eltern oder Pflegeeltern der Kinder eine richtige Diagnose erhielten. „Man sieht den Kindern nicht im Gesicht an, dass sie an FASD leiden“, sagte Hans-Ludwig Spohr, Leiter des FASD-Zentrums an der Charité.
Deshalb würden sie zunächst häufig von zahlreichen Spezialisten behandelt, die die Kinder nur auf ihrem Gebiet untersuchten und häufig nicht die richtige Diagnose stellten. „Deshalb ist es so wichtig, auch in Deutschland endlich eine S3-Leitlinie für dieses Störungsbild zu erhalten“, so Spohr.
„FASD ist eine zu 100 Prozent vermeidbare Behinderung“, betonte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans. „Deshalb müssen wir versuchen, schon Mädchen über die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft frühzeitig zu informieren.“
Dyckmans möchte erreichen, dass Gynäkologen bereits bei dem ersten Verschreiben der Antibabypille darauf hinweisen, dass Alkohol während der Schwangerschaft zu schweren Schäden des ungeborenen Kindes führen kann.
„Eine Therapie für FASD gibt es nicht“, erklärte Spohr. „Die Therapie heißt Prophylaxe. Die Prognose lebenslange Schädigung.“ Deshalb müssten Suchtberater in die Schulen gehen, um die Kinder dort aufzuklären.
Und es sei wichtig, dass Jugendämter Informationen über die leibliche Mutter der Kinder herausgeben, um eine Diagnose zu erleichtern. „Doch viele Jugendämter weigern sich mit dem Hinweis auf den Datenschutz“, kritisierte Spohr.
„Das zentrale Ziel ist es, in Deutschland die Diagnostik zu verbessern“, sagte Diplom-Psychologin Becker. „In Deutschland fangen wir jetzt erst an, das Vollbild der Behinderung, das Fetale Alkoholsyndrom, zu definieren. Dabei sind die Unterformen von FASD viel zahlreicher und schwerer zu diagnostizieren.“ Hier sei Deutschland international Schlusslicht.
Viele Kinder mit FASD seien heute zudem nicht an den richtigen Schulen, weil ihr Intelligenzquotient als Grundlage der Einstufung in das Schulsystem herangezogen werde. „Doch der IQ ist bei FASD gar nicht entscheidend“, so Becker.
In Deutschland gibt es zwei Zentren für FASD, eines in Münster und eines in Berlin. Doch das FASD-Zentrum an der Berliner Charité, das bislang von der Stiftung für das behinderte Kind finanziert wird, steht vor dem Aus. „In Deutschland müsste es viel mehr Spezialambulanzen zur Erkennung und Behandlung von Kindern mit FASD geben“, erklärte Becker.
Wie kann gute Kommunikation in Bezug auf FASD gelingen und was kann sie schlimmstenfalls vermeiden? Pflegeeltern machen die Erfahrung, dass ihre Kommunikation mit den anderen Beteiligten der Pflegekinderhilfe gerade in Bezug auf FASD als schwierig empfunden wird. Sie kennen es gar nicht anders, als dass sie Verhaltensweisen, Benehmen und Emotionen ihrer Kinder/Jugendliche immer und immer wieder erklären und darlegen müssen, damit die Gesprächspartner das Kind verstehen, die Situation der Pflegefamilie erkennen und die Handlungen der Pflegeeltern akzeptieren können.
FASD-Konzept des Pflegekinderfachdienstes Neustadt/Aisch - Bad Windsheim: Jugendamtsleitung und Fachkräfte pflegen eine wertschätzende Haltung gegenüber den Pflegefamilien und deren Arbeit. Die Mitarbeiter nehmen Fortbildungen zum Thema FASD wahr und informieren sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen.
Das Fachzentrum für Pflegekinder mit FASD Köln informiert in einem Fachbeitrag von Prof. Bernhard Schlüter über die häufig kräftezehrenden, FASD-bedingten Symptome der Schlafstörungen.
PFAD-Niedersachsen e.V. engagiert sich umfassend im Bereich FASD in der Pflegekinderhilfe. Fortbildungen des Verbandes - auch gemeinsam mit Jugendämtern -, Beratungen und Begleitung von Pflegeeltern, die ein Pflegekind mit FASD haben oder aufnehmen wollen, - Schulung von Lehrern, Erziehern und Fachkräften - sowie Zusammenarbeit mit anderen Fachkundigen und Institutionen führten dazu, dass FASD langsam vom unbekannten Syndrom zu einem Teil der Realität im Leben von Pflegefamilien wurde.
Das Bundessozialgericht hat in einem Beschluss deutlich gemacht, dass ein FASD-Geschädigter nur dann Opferentschädigung verlangen kann, wenn er/sie vor der Geburt durch den fortgesetzten Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft dadurch geschädigt wurde, dass die Grenze zum kriminellen Unrecht überschritten wurde. Der Alkoholmissbrauch der Mutter muss also auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet gewesen sein. Anspruch auf Opferentschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz hat nur der Geschädigte, der einen "vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff" über sich ergehen lassen musste (§ 1 Anspruch auf Versorgung). Darüber hinaus muss ein solcher Angriff im Geltungsbereich des Deutschen Gesetzes geschehen sein.
Das Landessozialgericht Bremen hat in seinem Beschluss die bisherige Rechtsmeinung unterstützt, dass der Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iSv § OEG § 1 OEG ist und daher auch keinen opferentschädigungsrechtlichen Anspruch auslöst.
Laut Drogenbericht der Bundesdrogenbeauftragten von 2019 werden jährlich 10.000 – 20.000 Kinder mit Alkoholschäden in Deutschland geboren. Diese Anzahl ist erschreckend und leider nur die Spitze des Eisberges. Ein großer Teil der betroffenen diagnostizierten Kinder wächst in Pflegefamilien auf. In Bezug auf diese Behinderung gibt es noch immer großen Nachholbedarf an Konzepten für den Umgang dieser Pflegeverhältnisse.
Von moralischer Überlegenheit und Stigmatisierung!
Erfreulicherweise rückt das Thema FASD immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Natürlich wir dabei auch immer bewusster, dass FASD durch den vorgeburtlichen Konsum von Alkohol entsteht und das ungeborene Kind dadurch schwer geschädigt werden kann. Trotzdem - die Mütter sind zwar die Verursacher der Behinderung, aber sie sind nicht das ursächliche Problem.
Bisher wird die Förderung von Schülern mit FASD an Förder- und Regelschulen mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Das hat zur Folge, dass die Schullaufbahn von Kindern mit FASD von Umschulungen, Abbrüchen und Niederlagen geprägt ist.
Bereits Ende 2020 wurde eine Petition angegangen, in der es darum ging, FASD als eigenständige Krankheit (Behinderung) in der Versorgungs-Medizin-Verordnung (VersMedV) aufnehmen zu lassen. Diese Petition wurde vom Petitionsausschuss aufgrund einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgelehnt. Die Beteiligten rund um die Menschen mit FASD haben diese Ablehnung nicht gutgeheißen. Nun wurde vom gemeinnützigen Verein Happy Baby International e.V., der sich intensiv mit FASD auseinandersetzt und dabei von anerkannten Fachleuten unterstützt wird, eine erneute Petition gestartet. Zur Ablehnung der ersten Petition gibt es eine Stellungnahme von Nevim Krüger, 1. Vors. Pfad-Landesverband Niedersachsen, die wir zum Verständnis des Geschehens veröffentlichen.
Drogenbeauftragte: Gynäkologen sollen schwangere Mädchen vor Alkoholkonsum warnen
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„Untersuchungen haben gezeigt, dass 80 Prozent der schwangeren Frauen in Deutschland während ihrer Schwangerschaft Alkohol trinken“, sagte die Leiterin des Evangelischen Kinderheims Sonnenhof, Gela Becker, am Internationalen Tag des alkoholgeschädigten Kindes vergangenen Freitag in Berlin. „Dabei kann Alkohol schon in geringen Mengen ausreichen, um eine Fetale Alkoholspektrum-Störung hervorzurufen.“
Obwohl die Behinderung so weit verbreitet sei, dauere es in Deutschland lange, bis die Eltern oder Pflegeeltern der Kinder eine richtige Diagnose erhielten. „Man sieht den Kindern nicht im Gesicht an, dass sie an FASD leiden“, sagte Hans-Ludwig Spohr, Leiter des FASD-Zentrums an der Charité.
Deshalb würden sie zunächst häufig von zahlreichen Spezialisten behandelt, die die Kinder nur auf ihrem Gebiet untersuchten und häufig nicht die richtige Diagnose stellten. „Deshalb ist es so wichtig, auch in Deutschland endlich eine S3-Leitlinie für dieses Störungsbild zu erhalten“, so Spohr.
„FASD ist eine zu 100 Prozent vermeidbare Behinderung“, betonte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans. „Deshalb müssen wir versuchen, schon Mädchen über die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft frühzeitig zu informieren.“
Dyckmans möchte erreichen, dass Gynäkologen bereits bei dem ersten Verschreiben der Antibabypille darauf hinweisen, dass Alkohol während der Schwangerschaft zu schweren Schäden des ungeborenen Kindes führen kann.
„Eine Therapie für FASD gibt es nicht“, erklärte Spohr. „Die Therapie heißt Prophylaxe. Die Prognose lebenslange Schädigung.“ Deshalb müssten Suchtberater in die Schulen gehen, um die Kinder dort aufzuklären.
Und es sei wichtig, dass Jugendämter Informationen über die leibliche Mutter der Kinder herausgeben, um eine Diagnose zu erleichtern. „Doch viele Jugendämter weigern sich mit dem Hinweis auf den Datenschutz“, kritisierte Spohr.
„Das zentrale Ziel ist es, in Deutschland die Diagnostik zu verbessern“, sagte Diplom-Psychologin Becker. „In Deutschland fangen wir jetzt erst an, das Vollbild der Behinderung, das Fetale Alkoholsyndrom, zu definieren. Dabei sind die Unterformen von FASD viel zahlreicher und schwerer zu diagnostizieren.“ Hier sei Deutschland international Schlusslicht.
Viele Kinder mit FASD seien heute zudem nicht an den richtigen Schulen, weil ihr Intelligenzquotient als Grundlage der Einstufung in das Schulsystem herangezogen werde. „Doch der IQ ist bei FASD gar nicht entscheidend“, so Becker.
In Deutschland gibt es zwei Zentren für FASD, eines in Münster und eines in Berlin. Doch das FASD-Zentrum an der Berliner Charité, das bislang von der Stiftung für das behinderte Kind finanziert wird, steht vor dem Aus. „In Deutschland müsste es viel mehr Spezialambulanzen zur Erkennung und Behandlung von Kindern mit FASD geben“, erklärte Becker.
„Stattdessen könnte es sein, dass in einem Land wie Deutschland die Hälfte der existierenden FASD-Zentren geschlossen wird, weil die Trägerstiftung nicht genug Spenden eingenommen hat. Das wäre nicht nur ein Armutszeugnis für unser Land, sondern auch ein schwerer Schlag für die betroffenen Familien!“ © fos/aerzteblatt.de