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28.11.2008
Stellungnahme

Daten und Fakten zu Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat als Material für die Presse eine zweiseitige Erklärung zur Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung herausgegeben.

November 2008

Daten und Fakten zu Kindesvernachlässigung und -misshandlung

Die häufigsten Gründe, warum Kinder durch Erwachsene zu Schaden kommen, sind
Vernachlässigung und Misshandlung, wobei quantitativ – insbesondere bei kleinen Kindern – die Vernachlässigung weit überwiegt. Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet, weil sie auf die zuverlässige Versorgung durch Erwachsene und auf deren kontinuierliche Fürsorge angewiesen sind. Sie sind aufgrund ihrer Konstitution besonders verletzlich und können Gefahren noch nicht selbst einschätzen oder abwenden.

1. Begriffsbestimmung

Kindesvernachlässigung:

Andauerndes oder wiederholtes Unterlassen fürsorglichen Handelns (bzw. Unterlassen der Beauftragung geeigneter Dritter mit einem solchen Handeln) durch Eltern oder andere Sorgeberechtigte, das für einen einsichtigen Dritten vorhersehbar zu erheblichen Beeinträchtigungen der physischen und / oder psychischen Entwicklung des Kindes führt oder vorhersehbar ein hohes Risiko solcher Folgen beinhaltet. Grundsätzlich gilt: Je jünger die betroffenen Kinder sind und je tiefgreifender sie vernachlässigt werden, desto größer ist das Risiko nachhaltiger Schädigungen. Für
Säuglinge können Versorgungsmängel schon nach kurzer Zeit lebensbedrohlich sein (IzKK/DJI).

Physische und psychische Kindesmisshandlung:

Unter physischer (körperlicher) Kindesmisshandlung können alle Handlungen von Eltern oder anderen Bezugspersonen verstanden werden, die durch Anwendung von körperlichem Zwang bzw.Gewalt für einen einsichtigen Dritten vorhersehbar zu erheblichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Kindes und seiner Entwicklung führen oder vorhersehbar ein hohes Risiko solcher Folgen bergen (Kindler 2006). Psychische Misshandlung kann beschrieben werden als wiederholte Verhaltensmuster der Betreuungsperson oder Muster extremer Vorfälle, die Kindern zu verstehen geben, sie seien wertlos,voller Fehler, ungeliebt, ungewollt, sehr in Gefahr oder nur dazu nütze, die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen (American Professional Society on Abuse of Children/APSAC 1995).

2. Welche Formen von Vernachlässigung gibt es?

Eine verbindliche einheitliche Kategorisierung von Vernachlässigungsformen hat sich in der wissenschaftlichen Forschung bislang nicht herausgebildet. In der Regel wird aber unterschieden zwischen:

körperlicher Vernachlässigung
(z.B. unzureichende Versorgung mit Nahrung, Flüssigkeit, sauberer
Kleidung, Hygiene, Wohnraum und medizinischer Versorgung)

kognitiver und erzieherischer Vernachlässigung

(z.B. Mangel an Konversation, Spiel und anregenden Erfahrungen,
fehlende erzieherische Einflussnahme auf einen unregelmäßigen
Schulbesuch, fehlende Beachtung eines besonderen und erheblichen
Erziehungs - oder Förderbedarfs),

emotionaler Vernachlässigung

(z.B. Mangel an Wärme in der Beziehung zum Kind, fehlende Reaktion auf
emotionale Signale des Kindes)
unzureichender Beaufsichtigung (z.B. Kind bleibt längere Zeit allein und auf sich gestellt, keine Reaktion auf eine längere unangekündigte Abwesenheit des Kindes)

3. Gefährdungsrisiken

· Belastete elterliche Entwicklungs- und Lebensgeschichte (eigene Vernachlässigungs- und Misshandlungserfahrungen, häufige Beziehungsabbrüche etc.)
· Partnerschaftsgewalt
· Psychische Probleme der Eltern (Sucht, Depressionen)
· Fehlendes Wissen um die Bedürfnisse von Kindern, unrealistische Erwartungen und
mangelnde Empathie
· Merkmale/Besonderheiten des Kindes, die Eltern überfordern oder ablehnen (z.B.
Behinderungen, schwieriges Temperament)
· Gefühle der Überlastung, Isolation und mangelnder sozialer Unterstützung
· Merkmale der familialen Lebenswelt: Armut, Alleinerziehendenstatus, kinderreiche Familie
(Forschungsübersichten zu Gefährdungsrisiken in Connell-Carrick 2003, Righthand et al. 2003, Black et al. 2001, Schumacher et al. 2001)

4. Daten

a) Vernachlässigung:

· Keine repräsentativen Daten oder Untersuchungsergebnisse in der BRD
· Schätzungen: 5-10 Prozent aller Kinder bis 6 Jahren (Esser & Weinel 1990), entspricht ca. 250.000-500.000 Kindern
· Befragung von Jugendämtern zu Fällen, in denen die Anrufung des Familiengerichts
erforderlich war (Münder et al. 2000):
50 Prozent der Fälle: Vernachlässigung als zentrales Gefährdungsmerkmal
65 Prozent der Fälle: Vernachlässigung als ein Gefährdungsmerkmal

b) Erziehungsgewalt / körperliche Misshandlung:

· Die Mehrheit der Eltern wendet zumindest minderschwere Formen physischer
Erziehungsgewalt an, etwa leichte Ohrfeigen oder einen Klaps (Bussmann 2002, 2003, 2005, Pfeiffer und Wetzels 1997)
· Ca. 10 Prozent bis 15 Prozent der Eltern wenden schwerwiegendere und häufigere
körperliche Bestrafungen an (Engfer 2005)
· Insgesamt ist die Tendenz eher abnehmend.
· Polizeiliche Kriminalstatistik nach § 225 StGB (angezeigte Fälle von Misshandlung) zeigt aber Steigerung über die Jahre
1990: 600 Kinder; 2007: 1707 Kinder unter 6 Jahren
1990: 1337 Kinder; 2007: 3926 Kinder unter 14 Jahren

c) Kindstötung:

· Jährlich werden etwas 80 bis 120 Kinder im Alter zwischen 0 und 5 Jahren Opfer eines vollendeten Tötungsdeliktes (Polizeiliche Kriminalstatistik). Dabei sind im engeren Sinne nicht alle Fälle auf Kindesmisshandlung bzw. -vernachlässigung mit Todesfolge zurückzuführen.
· Die Zahl der Kinder unter 10 Jahren, die durch tätliche Angriffe zu Tode kommt, hat sich in den vergangenen 25 Jahren halbiert (Todesursachenstatistik).

d) Inobhutnahmen, Eingriffe in die elterliche Sorge:

· Die Zahl der Kinder, die 2007 durch das Jugendamt in Obhut genommen wurden (28.200 Kinder und Jugendliche), ist im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Prozent gestiegen; die Zahl der Eingriffe in elterliche Sorge durch Familiengerichte (10.800 Fälle) ist 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 Prozent angestiegen.

hier können Sie die Erklärung des Bundesministeriums finden