Die Bindungen von Pflegekindern müssen geschützt werden!
PFAD-Bundesverband hat die Stellungnahme "Zur erfolglosen Verfassungsbeschwerde von langjährigen Pflegeeltern eines fünfjährigen Kindes gegen dessen Wechsel in eine andere Pflegefamilie (1 BvR 1088/23 vom 28.08.2023)" veröffentlicht.
Stellungnahme des PFAD-Bundesverband e.V. vom 20.09.2023
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) befasste sich mit dem Fall von Pflegeeltern, die sich gegen den Wechsel ihres langjährigen Pflegekindes in eine andere Pflegefamilie wehren. Das Gericht fand die bisherigen Entscheidungen der Familiengerichte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und nahm die Verfassungsbeschwerde der Pflegeeltern daher nicht zur Entscheidung an.
In diesem Fall wehren sich die Pflegeeltern bisher erfolglos vor den Familiengerichten dagegen, dass ihr fünfjähriges Pflegekind nach mehr als vier Jahren bei ihnen nun in einer besser geeigneten Pflegefamilie untergebracht wird. Als Begründung führen Vormund und Jugendamt an, dass sie eine Überforderung der bisherigen Pflegeeltern befürchten.
Bisher vertrat das BVerfG im Sinne des Kindeswohls die Position, dass die zwischen Pflegekind und Pflegeeltern entstandenen Bindungen schützenswert seien und daher auch Pflegefamilien unter dem Schutz des Grundgesetzes Art. 6 Abs. 1 und 3 stünden.
In vorliegenden Fall folgt das BVerfG nun der Argumentation von Oberlandes- und Amtsgericht, dass in der Pflegefamilie eine Kindeswohlgefährdung zu erwarten sei. Doch in den Ausführungen des Amtsgerichts wird deutlich, dass es sich ausschließlich auf die Informationen aus dem Jugendamt bezieht und fachliche Einschätzungen von anderen beteiligten Stellen zugunsten der Pflegefamilie nicht einbezogen werden. Leider wird dies auch in den weiteren Instanzen nicht hinterfragt. Sowohl Oberlandesgericht als auch BVerfG kommen auf der Basis dieser einseitigen Informationen zu dem Schluss, dass dem Kind „mit einem Wechsel der Pflegefamilie trotz des Bindungsabbruchs zu den bisherigen Pflegeeltern eher gedient ist“.
Ähnliche Fälle begegnen uns in unserer Beratungspraxis leider immer wieder. Statt Pflegefamilien eng und auf Augenhöhe zu begleiten, bei Problemen zu unterstützen und ihnen ggf. weitere Hilfen anzubieten, werden auch langjährig an ihre Pflegefamilien gebundene Kinder wieder herausgenommen. Oft ohne dabei den Willen des Kindes zu berücksichtigen. Manchmal besprechen Fachkräfte im Team sogar wie das Leben eines Kindes weitergehen soll, das sie nur aus den Akten „kennen“.
Unseres Erachtens ist ein Wechsel von einer Pflegefamilie in eine anderen nur angezeigt, wenn in der ersten Pflegefamilie tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Sonst hat der Schutz der Bindungen von Pflegekindern, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte bereits Bindungsabbrüche verkraften mussten, oberste Priorität.
Gerade wegen des tragfähigen Bindungsangebotes, sind Pflegefamilien die kindgerechteste Option der Hilfen zur Erziehung. Bindung ist der beste Schutzfaktor für diese vulnerablen Kinder. Jeder weitere Wechsel schädigt ihre psychische Gesundheit und ihr Vertrauen in andere Menschen.
Beachten Sie zu diesem Thema bitte auch den Kommentar zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von Rechtsanwalt Peter Hoffrmann und Prof. Dr. jur Ludwig Salgo sowie die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Beschluss (siehe unten).
Bundesverfassungsgericht, Kammerentscheidung vom 28.08.2023 – 1 BvR 1088/23 –
Eine kritische Kommentierung von Rechtsanwalt Peter Hoffmann und Prof. Dr. jur. Ludwig Salgo zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der dazugehörenden Pressemitteilung vom 7.09.2023. zur Herausnahme eines Pflegekindes aus seiner Pflegefamilie.
Das Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss die Verfassungsbeschwerde von Pflegeeltern, die sich gegen den Wechsel ihres langjährigen Pflegekindes in eine andere Pflegefamilie wenden, nicht zur Entscheidung angenommen.
Seit Herbst 2014 erreichen den PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien täglich mindestens zwei Anfragen von betroffenen Adoptivmüttern, die keine Erziehungsleistung für ihre Adoptivkinder anerkannt bekommen. Eine Stellungnahme vom Bundesverband PFAD e.V. zur Benachteiligung von Adoptiv- und Pflegeeltern bei der sogenannten Mütterrente.
Stellungnahme des PFAD Bundesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (KJVVG-E) und Entwurf der Ersten Änderungsverordnung zur Kostenbeitragsverordnung.
Veranstaltet vom Bundesform Vormundschaft und PFAD-Bundesverband wurde mit Pflegekindern, Pflegeeltern und Vormündern ein Arbeitspapier entwickelt, in dem sieben Thesen zur Zusammenarbeit zwischen Pflegekindern, Pflegeeltern und Vormund*innen festgehalten wurden.
PFAD-Bundesverband e.V. fordert eine Verbesserung beim sogenannten "Ausbildungsgeld". Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurden Pflegekinder bei der Kostenheranziehung deutlich bessergestellt. Diese Neuregelung bezieht jedoch Jugendliche in geförderten Ausbildungen nicht mit ein.
Seit seiner Gründung 1976 mahnt PFAD die Notwendigkeit an, dass Pflegeeltern rentenrechtlich abgesichert sein müssen. Schon 2002 forderte der Verband eine Alterssicherung für Pflegepersonen, die sich an den Leistungen zur Versicherung für pflegende Angehörige orientiert. Seit 2005 schreibt § 39 SGB VIII Absatz 4 die „hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson“ vor. Die schon damals umstrittene Orientierung am hälftigen Mindestbeitrag zur Rentenversicherung bedeutete eine monatliche Rente von zwei Euro und liegt jetzt bei ca. vier Euro. Bereits im Rechtsgutachten des DIJuF vom 16.01.2006 wurde dies als zu gering kritisiert
PFAD-Bundesverband e.V. hat eine Stellungnahme zur Weiterleitung des einmaligen Heizkostenzuschusses an die jungen Menschen in Pflegefamilien, die BAFÖG. BAB oder Ausbildungsgeld erhalten, veröffentlicht.
In Zusammenarbeit mit PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. ist das übergeordnete Ziel des Forschungsverbundes »EMPOWERYOU«, Kinder und Jugendliche in Pflege- und Adoptivfamilien bei der Bewältigung früherer traumatischer Erfahrungen zu unterstützen und dem Risiko zukünftiger Mobbing- und Gewalterfahrungen entgegenzuwirken. Hierfür werden im Laufe von vier Jahren (Projektbeginn Anfang 2019) verschiedene Teilprojekte durchgeführt und vielseitige Fragestellungen untersucht.
Bereits 2014 und 2015 machte PFAD Bundesverband auf die Probleme einer „pauschalisierten Berechnung“ einer Mütterrente aufmerksam. Auch für das neue Versprechen einer „Mütterrente II“ befürchtet PFAD BV in einer Stellungnahme, dass ein Großteil Mütter übergangen wird. Über 5 % der ca. 2,8 Millionen Rentnerinnen sind Adoptiv- und Pflegemütter!
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Die Bindungen von Pflegekindern müssen geschützt werden!
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Stellungnahme des PFAD-Bundesverband e.V. vom 20.09.2023
Beachten Sie zu diesem Thema bitte auch den Kommentar zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von Rechtsanwalt Peter Hoffrmann und Prof. Dr. jur Ludwig Salgo sowie die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Beschluss (siehe unten).
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Schützt das Bundesverfassungsgericht Pflegekinder nicht mehr? Sind Pflegekinder „Kinder 2. Klasse“?
Bundesverfassungsgericht, Kammerentscheidung vom 28.08.2023 – 1 BvR 1088/23 –
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Erfolglose Verfassungsbeschwerde von langjährigen Pflegeeltern eines fünfjährigen Kindes gegen dessen Wechsel in eine andere Pflegefamilie