Sie sind hier

15.01.2021
Politik

Einigung auf Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz

Die vom Koalitionsausschuss der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe hat einen Regelungstext für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz beschlossen. Damit setzt sie eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags um, die die ausdrückliche Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz vorsieht. Der Deutsche Bundesjugendring hält die Formulierung des Textes für unzureichend.

Themen:

Für den Regelungstext wurde sich für Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz auf folgende Formulierung geeinigt:

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:

Ich bin sehr froh, dass wir uns jetzt auf einen Regelungstext geeinigt haben, um die Kinderrechte im Grundgesetz besser sichtbar zu machen. Mit der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz machen wir deutlich, dass uns das Wohlergehen von Kindern ganz besonders am Herzen liegt. Der Schutz der Kinderrechte wird damit zu einem Leitbild für unsere Gesellschaft. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie sind besonders schutzbedürftig und haben besondere Bedürfnisse. Dies wird jetzt auch ausdrücklich im Grundgesetz anerkannt werden.

Der Koalitionsvertrag enthält einen klaren Auftrag, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Den setzen wir nun um. Nach langem Ringen haben wir uns auf eine Formulierung geeinigt, die für beide Seiten akzeptabel ist. Dies war nicht einfach, aber der Schutz unserer Kinder war diese Anstrengung wert. Wir haben eine ausgewogene Regelung gefunden, die sich harmonisch ins Grundgesetz einfügt.

Jetzt müssen zügig die nächsten Schritte folgen, damit wir die Grundgesetzänderung noch in dieser Legislaturperiode realisieren können. Um die nötigen Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zu erzielen, brauchen wir eine konstruktive Haltung und Kompromissbereitschaft auch von Seiten der Opposition. Ich appelliere an alle Beteiligten, diese hart erkämpfte Chance auf eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Das sind wir unseren Kindern schuldig.

Mit dem Regelungsentwurf werden die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, Empfehlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und die Beschlüsse einer vom Koalitionsausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe umgesetzt.

Zu den wesentlichen Punkten gehören:

Grundrechtssubjektivität von Kindern einschließlich eines Entwicklungsgrundrechts

Die Grundrechtssubjektivität besagt, dass Kinder Träger von Grundrechten sind. Diese an sich selbstverständliche Feststellung ist im Regelungstext so umgesetzt, dass ausdrücklich ein Recht des Kindes auf Achtung und Schutz seiner verfassungsmäßigen Rechte verankert ist. Insbesondere wird das Recht auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit genannt.

Verankerung des Kindeswohlprinzips

Das Kindeswohl als handlungsleitender Aspekt soll ausdrücklich in der Verfassung verankert werden und bei staatlichem Handeln angemessen berücksichtigt werden. Das wird die Elternrechte nicht schmälern. Vielmehr bleibt es dabei, dass der Staat in Elternrechte nur bei konkreter Gefährdung des Kindeswohls eingreifen darf.

Gehörsrecht des Kindes

Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör bei Einzelentscheidungen von Gerichten oder Behörden in eigenen Angelegenheiten wird bekräftigt. Sie können ihre Meinung äußern und diese ist zu berücksichtigen.

Rechtsstellung Eltern

Das Verhältnis von Eltern und Staat bleibt unberührt. Die Rechte und Pflichten der Eltern bleiben bestehen.

Quelle: Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz vom 12. Januar 2021

Der Deutsche Bundesjugendring hält die geplante Gesetzes-Formulierung nicht für ausreichend

In der Stellungnahme heißt es:

Die Formulierung angemessenen zu berücksichtigen entspricht weder den Interessen der Kinder, die es hier zu wahren gilt, noch der UN-Kinderrechtekonvention. Insbesondere widerspricht die Formulierung dem Kindeswohlprinzip aus Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention, der dies ausdrücklich als einen vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkt bezeichnet. Die vorgeschlagene Formulierung fällt damit hinter die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention zurück.

 Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Bundesjugendring vom 12. Januar 2021

Das könnte Sie auch interessieren

Politik

Kinderrechte weltweit stärker durchsetzen

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) hat am 16. November den Weg für ein Individualbeschwerdeverfahren für Kinder freigemacht
Politik

Aktionsbündnis Kinderrechte kritisiert Tatenlosigkeit der Bundesregierung

Kinderrechte gehören ins Grundgesetz

Das Aktionsbündnis Kinderrechte kritisiert, dass noch immer kein gemeinsamer Formulierungsvorschlag der Bundesregierung zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz vorliegt. Vor genau einem Jahr hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht einen Vorschlag vorgelegt, dessen Diskussion hinter verschlossenen Türen ins Stocken geraten ist. Die Tatenlosigkeit der Regierungsverantwortlichen führt dazu, dass ein parlamentarisches Verfahren schon aus zeitlichen Gründen kaum noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss gebracht werden kann.
Politik

Spielräume für Kinder: Die Rechte des Kindes müssen besonders in und nach Krisenzeiten gewährleistet sein

Deutsche Liga für das Kind fordert künftige Bundesregierung zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz auf – Kinder müssen an der Ausgestaltung der Krisenbewältigung beteiligt sein. Bildung, Spiel und Beteiligung sind wichtig für ein gutes Aufwachsen von Kindern und deshalb auch als Kinderrechte verankert. Während der Corona-Pandemie gerieten die Rechte von Kindern jedoch häufig aus dem Blick, und Kinder waren nicht an der Gestaltung von Maßnahmen zur Krisenbewältigung beteiligt. Gerade in und nach Krisen kommt es aber darauf an, die besten Interessen und die Sichtweisen von Kindern vorrangig zu berücksichtigen.
Politik

Mehr als 300 PolitikerInnen wollen sich in der nächsten Legislaturperiode für Kinderrechte einsetzen

#KinderrechteChampion ist eine Kampagne von Kinderrechtsorganisationen, um die Kinderrechte bei der Bundestagswahl im September 2021 auf die Agenda zu setzen und langfristig zu stärken. Deswegen fordern wir die Bundestagskandidat*innen auf, sich für die Umsetzung der Kinderrechte im neugewählten Bundestag einzusetzen und #KinderrechteChampion zu werden!
Politik

Kinderrechte ins Grundgesetz – Aktionsbündnis Kinderrechte legt Formulierung zur Änderung des Grundgesetzes vor

Das Aktionsbündnis Kinderrechte fordert Bundestag und Bundesrat dazu auf, mit der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz die Rechtsposition von Kindern in Deutschland zu stärken. Dazu hat das Aktionsbündnis am 16. November vor der Bundespressekonferenz in Berlin einen Formulierungsvorschlag vorgestellt.
Politik

Kinderbeauftragter des Bundestages

Bei den Fraktionen gibt es derzeit keine Einigkeit über die Einrichtung eines Kinderbeauftragten des Bundestages.
Hinweis

Kinderrechte müssen im Justizsystem flächendeckend umgesetzt werden

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert eine breite überparteiliche Initiative von Bund und Ländern zur besseren Umsetzung der Kinderrechte im Justizsystem. Dazu hat die Kinderrechtsorganisation zwei Publikationen veröffentlicht: eine Sammlung guter Praxisbeispiele zur Umsetzung einer kindgerechten Justiz in den Bundesländern sowie eine Handreichung für Richterinnen und Richter als Arbeitshilfe zur Ausgestaltung einer kindgerechten Justiz im Familiengerichts- und Strafverfahren.
Politik

Bundesrat will Kinderrechte in Verfassung verankern

Die Länder möchten die spezifischen Rechte von Kindern stärken. Mit einer heute gefassten Entschließung haben sie daher die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen.
Hinweis

Beauftragte für Kinderrechte

Eine im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes erstellte Expertise spricht sich für die Etablierung von Ombudspersonen bzw. Beauftragten für Kinderrechte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene aus.
Politik

Ergänzende Positionierung zum Thema Kinderrechte ins Grundgesetz

Der Paritätische Gesamtverband setzt sich für eine Verankerung der Kinderrechte ins Grundgesetz ein und fordert umfassende Regelungen, die die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention - insbesondere dem Kindeswohlvorrang (gemäß Artikel 3 UN-KRK) und das Beteiligungsrecht (gemäß Artikel 12 UN-KRK) - berücksichtigen.