Sie sind hier
Pflegekind aufnehmen in der eigenen Schwangerschaft?
Themen:
Komplette Frage der Pflegemutter
Wir haben vor kurzem ein Pflegekind aufgenommen und das trotz meiner Schwangerschaft. Die Anbahnung lief gut und schon nach vier Wochen zog das 3,5 jährige Mädchen bei uns ein. Es musste alles so schnell gehen, weil sie dringend aus der Bereitschaftspflegefamilie raus musste. Dort war sie über acht Monate. Der Einzug ist jetzt zwei Wochen her. Leider läuft es im Alltag nun gar nicht mehr. Ich bin mit ihr den Tag über alleine und nun beginnt sie mich zu schlagen, zu hauen und v.a. gezielt in den Bauch zu treten und boxen. Wir finden einfach keinen richtigen Draht zueinander, während es beim Partner gut läuft. Ich bin total verunsichert und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Habe Angst um unser Baby und wie es nach der Geburt werden soll. Kann ich im schlimmsten Fall das Kind wieder abgeben. Ich bin nur noch genervt und frustriert. Vielleicht ja auch, weil bei ihr scheinbar nichts ankommt und sie völlig hochtickt. Was kann ich tun? Wie würde eine Abgabe ablaufen?
Meine Antwort
Gut, dass Sie mir schreiben und ich Ihnen einen Rat geben darf.
Erlauben Sie mir vorab eine Einschätzung der Vermittlung des Kindes zu Ihnen: Ein derartige Vermittlung ist aus meiner Sicht so nicht vertretbar. Ein Pflegekind zu einem Paar zu vermitteln, welches selbst sein erstes Kind erwartet ist wirklich keine gute Ausgangslage für die Pflegeeltern und für das Kind. Ich halte diese Vermittlung für einen Fehler und schreibe Ihnen dies so offen, weil ich nicht möchte, dass Sie sich Vorwürfe machen.
Auch die Beendigung einer Bereitschaftspflege, die schon acht Monate dauerte, ist dafür keine Entschuldigung. Im Gegenteil - in diesen Monaten hat das Kind sowieso schon Bindungen an die Bereitschaftspflege aufgebaut, da ist eine frühere oder spätere Trennung aus der Sicht des Kindes immer eine 'Trennung' und der Verlust wichtiger Personen. Gerade dann muss ein Übergang in eine Vollzeitpflege besonders gut, mit entsprechender Zeit und verlässlich ablaufen.
Es ist gut, dass Sie so schnell reagieren und merken, dass das Kind zur Zeit nicht in Ihr Leben passt. Ich finde, Sie sollten erst einmal in Ruhe Ihr Baby bekommen und danach schauen, ob ein Pflegekind dann noch in Ihrer Familie einen Platz haben könnte.
Bitte wenden Sie sich jetzt unmittelbar an Ihre Vermittlungsstelle, welche Ihnen das Kind vermittelt hat und teilen Sie dort mit, dass das Zusammenleben mit dem Kind für Sie unter den gegebenen Umständen eigentlich nicht möglich ist. Da Sie sich so früh melden, ist dies für das Kind kein großes Problem, es hat noch keine Beziehungen zu Ihnen aufgebaut und trauert wahrscheinlich noch um die Bereitschaftspflegeeltern. Es kann also in einer anderen Pflegefamilie durchaus noch ein Zuhause finden.
Es ist bedeutsam, dass Sie Ihren eigenen Gefühlen trauen und sich nicht von anderen 'bereden' lassen. Und lassen Sie sich kein schlechtes Gewissen machen, hier sind SIE und Ihr Baby vorrangig.
Ich möchte Sie ermutigen, den Schritt zur Abgabe des Kindes zu machen.
Antwort der Pflegemutter auf meine Hinweise
Vielen vielen lieben Dank für ihre nette, offene und lange Antwort. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut. Es tut mir leid, dass ich Ihnen erst heute antworte, aber ich musste das auch erstmal sacken lassen.
Nach wie vor bin ich total hin und her gerissen. Reagiere ich über? Brauchen wir einfach noch mehr Zeit? Wie kann ich eine positive Bindung zu ihr aufbauen?
Ich habe einfach Angst, zu vorschnell zu handeln.
Das Wochenende lief sehr gut, vermutlich auch, weil ich nicht alleine mit ihr war.
Die Kleine war prompt total bemüht, hat mir in die Schuhe geholfen (was ja im 8. Monat alleine immer schwieriger wird ;-), endlich auch mal Danke und Bitte gesagt und hat sich sooo süß über ihr fertiggestelltes Kinderzimmer gefreut.
Und trotzdem bleiben diese Zweifel und die Angst vor der kommenden Woche. Wird sie wieder so austicken? Was mache ich falsch? Kann ich einfach nur nicht genug lieben?
Inzwischen drei Wochen sind keine lange Zeit und doch frage ich mich, ob nicht wenigstens ein kleiner Funke da sein müsste. Aber ich kann diesen nicht (mehr) finden.
Mein Partner kommt so gut mit ihr klar, klar auch da gibt es Reibungspunkte, aber im Allgmeinen läuft es entspannter ab. Er bat mich, uns Dreien noch etwas Zeit zu geben und mehr Verständnis für L. Situation aufzubringen. Irgendwie fühle ich mich dadurch noch mehr bedrängt und als Versagerin.
Das Jugendamt meinte eigentlich genau das gleiche; nicht gleich aufgeben....das wird sich schon alles finden. Ich hätte halt einfach das Glück, das L. die Überanpassungsphase übersprungen hat. Glück? Das schwere Zeiten kommen würden,war klar, aber so geballt: das überfordert mich. Vermutlich auch aufgrund der fortgeschrittenen Schwangerschaft.
Jetzt habe ich Sie wieder so vollgetextet. Das tut mir leid. Vielen Dank nochmals für ihre Mühe.