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Nie genug zu bekommen
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Vernachlässigte Kinder sind – besonders wenn diese Vernachlässigung in den frühen ersten Lebensjahren geschah – traumatisierte Kinder. Das Grundbedürfnis nach körperlicher, geistiger und seelischer Versorgung konnte nicht gestillt werden. Die Kinder waren übermächtigen Erwachsenen hilflos und ohne zeitliche Begrifflichkeit ausgeliefert. Diese unzuverlässigen, nicht schützenden Erwachsenen verursachten beim Kind schwere Ängste und Verwirrungen.
Die Hirnreifung vernachlässigter Kinder entwickelt sich anders als die behüteter und versorgter Kinder. Hirnreifung geschieht durch das Erleben im sozialen Kontext. Während behütete Kinder ihre Eltern als Quell der Versorgung und Freude erleben und dies auch so in ihrem Hirn als Lebenserfahrung speichern, erleben vernachlässigte Kinder ihre Eltern als bedrohlich und zerstörerisch und speichern diese Lebenserfahrungen in ihrem Hirn ab.
Diese frühen Traumatisierungen prägen das Kind und seine Sicht auf seine Welt. Die frühen Erfahrungen werden auf das Leben im hier und heute übertragen und es dauert eine lange Zeit, bis Kinder diese Sicht der Welt durch eine neue Sicht der Welt verändern können. Dazu braucht es jahrelang geduldig und verständnisvoll handelnde Pflege-/Adoptiveltern, die dem Kind durch ihr Kümmern die Chance auf eine neue, weniger schreckliche Sicht der Welt ermöglichen. Schwer traumatisierte Kinder können diesen Weg oft nicht mehr gehen und verbleiben in ihren Ängsten und Wirren.
Pflegekinder sind sehr häufig (schwer) vernachlässigte Kinder, die den Erwachsenen nicht (noch nicht) vertrauen.
Diese Kinder leiden an einem Grundmangelgefühl. Sie haben das Gefühl, nie genug zu bekommen.
Dies zeigt sich in Fragen des Essens, aber auch in anderen Situationen: Sie wünschen sich von Herzen etwas und wenn sie es dann bekommen haben, ist die Freude nur kurz und das Kind will schon wieder was anderes. Aus hier hat es nie das Gefühl, genug zu bekommen.
Tipps für den Alltag
Dieses Gefühl ist für die Pflegeeltern schwer auszuhalten. Sie bemühen sich doch so sehr um das Kind und wollen es zufrieden und glücklich sehen.
Das Kind braucht Zeit – es braucht Ihre Geduld um langsam zu Ihnen Vertrauen aufzubauen. Manchmal geht es dabei auch wieder einen Schritt zurück - aber es geht durchaus auf Sie zu, wenn auch ganz langsam, denn es hat immer wieder Angst, dass auch Sie es verlassen oder nicht versorgen werden.
Es tut in der Seele weh zu sehen, dass ein Kind sich nicht wirklich freuen kann und dass es immer wieder und weiter nur haben, haben, haben will.
Sie helfen dem Kind nicht, wenn Sie ihm alles geben, was es will – denn das ist wie ein nicht zu füllender Brunnen. Geben Sie ihm Geschenke, wenn die Familie üblicher weise Geschenke bekommt: zu Festen, Geburtstagen, manchmal zur Überraschung. Sprechen Sie mit ihm darüber und bleiben Sie dabei, den Tag zu strukturieren und Regeln einzuhalten. Überlegen Sie sich Rituale, die Ihr Kind sicherer machen kann.
Wenn Ihr Kind sich bei Ihnen immer sicherer fühlt, dann kann es Vertrauen zu Ihnen aufbauen. Mit Vertrauen wächst das Wissen darum, dass Sie es nicht verlassen und dass Sie es versorgen werden. DANN verliert es sein Grundmangelgefühl, wird zufriedener und wird sich mehr freuen können.