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18.09.2018
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Wissenschaftliche Aufarbeitung des „Kentler-Experiments“ geht weiter

Der Berliner Senat hat die Universität Hildesheim beauftragt, ein weiterführendes Aufarbeitungskonzept zum sogenannten Kentler-Experiment zu erstellen und daraus auch Empfehlungen für die gegenwärtige Gestaltung der Kinder- und Jugendhilfe abzuleiten.

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat ein Forschungsteam an der Universität Hildesheim beauftragt, ein weiterführendes Aufarbeitungskonzept zum sogenannten Kentler-Experiment zu erarbeiten. Ziel ist es, Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe zu analysieren und daraus auch Empfehlungen für die gegenwärtige Gestaltung der Kinder- und Jugendhilfe abzuleiten. Zu dem Forschungsteam zählen: Prof. Dr. Meike Baader, Dr. Florian Eßer, Prof. Dr. Wolfgang Schröer und Dr. Julia Schröder. Das Konzept soll die Ergebnisse der bisherigen wissenschaftlichen Aufarbeitung durch das Göttinger Institut für Demokratieforschung aufnehmen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hildesheim verfügen über Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe, der Erarbeitung von Schutzkonzepten, der Kindheitspädagogik sowie in der historischen Rekonstruktion der Pädagogik ab den 1960er Jahren.

In einem ersten Schritt wird ein Austausch mit Betroffenen und weiteren Expertinnen und Experten erfolgen, um die Reichweite der Aufarbeitung planen zu können. Dabei sind Fragen der Zugänglichkeit von Daten und Quellen sowie die Einbeziehung von Zeitzeugen von besonderer Bedeutung. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden Mitte Oktober den Rahmen eines Aufarbeitungskonzepts vorstellen.

Im Zentrum der weiteren Aufarbeitung sollen folgende Fragen stehen:
  • Wie kann die Aufarbeitung die Betroffenen in ihren persönlichen Rechten stärken und wie können ihre Anliegen in die Aufarbeitung einbezogen werden?
  • Wie war das Wirken von Helmut Kentler in Berlin und überregional organisatorisch sowie fachlich verankert bzw. verflochten?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Kinder- und Jugendhilfe – hinsichtlich der Verantwortung für das Geschehene sowie der heutigen Situation, z. B. in der Pflegkinderhilfe und den Hilfen zur Erziehung?

Das sogenannte Kentler-Experiment gehört zu den dunklen Kapiteln der Geschichte der Berliner Kinder- und Jugendhilfe. Ab Ende der 1960er Jahre, in den 70er und 80er Jahren wurden junge Trebegänger mit dem „Ziel der Resozialisierung“ bewusst an pädophile Pflegeväter vermittelt. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in diesen Pflegestellen blieb von amtlicher Seite entweder unbemerkt, wurde womöglich bewusst ignoriert oder sogar beschönigt und gefördert. Im Zentrum dieser Vorgänge steht der 2008 verstorbene Sexualwissenschaftler und Professor für Sozialpädagogik Helmut Kentler. Er war u.a. am Pädagogischen Zentrum Berlin in den 1970er Jahren tätig und später Professor an der Universität Hannover.

Pressemitteilung vom 17.09.2018