Sie sind hier

12.11.2019
Konzept

Die Warendorfer Praxis

Im Oktober 2019 wurde die Broschüre zur 'Warendorfer Praxis' veröffentlicht. Die „Warendorfer Praxis“ ist ein im Jahr 2008 gegründetes Kooperationsnetzwerk. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vier Jugendämter, Familienrichterinnen und –richter der Amtsgerichte des Kreises und des Oberlandesgerichtes Hamm, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freier Jugendhilfeträger, der Beratungsstellen und der Frauenhäuser sowie Verfahrensbeistände und Sachverständige arbeiten darin zusammen. Die einzelnen Leitfäden der „Warendorfer Praxis“ zu den jeweiligen Themen wurden mit Blick auf veränderte Rechtslagen aktualisiert und aufeinander abgestimmt. Mit dieser Ausgabe werden sie erstmals zu einer Gesamtausgabe der „Warendorfer Praxis“ zusammengefasst.
Vortwort von Andreas Hornung - Richter am Oberlandesgericht Hamm,Mitbegründer der „Warendorfer Praxis“

Sie halten die Gesamtausgabe der „Warendorfer Praxis“ in Ihren Händen. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk zum Schutz des Kindeswohls, an dem im Kreis Warendorf mit
Kindern und Jugendlichen sowie Eltern befasste Fachkräfte (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Juristen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
von Beratungsstellen und Frauenhäusern, Verfahrensbeistände, Gutachter) einzelfallunabhängig zusammenarbeiten. Es geht um die Erarbeitung von inhaltlichen und Verfahrensstandards für die außergerichtliche und gerichtliche Zusammenarbeit in Sorgerechts-und Umgangsstreitigkeiten.

Entstanden ist die „Warendorfer Praxis“ aufgrund einer Initiative des damaligen und noch heutigen Leiters des Kreisjugendamtes Warendorf Wolfgang Rüting. Er lud im Herbst 2007 den Richter Rudolph aus Cochem ein, der über das damals bereits seit langem bestehende Netzwerk „Cochemer Praxis“ berichtete. Die bei diesem Vortrag anwesenden Fachkräfte waren sich schnell einig, einen Arbeitskreis zu gründen, der bis zum Frühjahr 2008 den Grundleitfaden der Warendorfer Praxis“ entwickelte. Damit besteht unser Netzwerk inzwischen seit über elf Jahren.

In Abgrenzung zum Cochemer Modell lag und liegt bereits dem allgemeinen Leitfaden die Kernidee zugrunde, dass außergerichtlich und vor dem Familiengericht zwischen „Regelverfahren“ und „Gefährdungsverfahren“ unterschieden werden muss. Regelverfahren betreffen Kinder und Eltern, die von Trennung und/oder Scheidung ohne erkennbare Gefährdung des Kindeswohls betroffen sind und darin gestärkt werden sollen, Regelungen zum Sorgerecht und zum Umgang nach dem Motto „Schlichten statt Richten“ selbst – erforderlichenfalls mit Hilfe von Mediation und/oder Beratung – zu treffen. In den „Gefährdungsverfahren“ - namentlich bei häuslicher Gewalt oder anderen Formen der Schädigung, Misshandlung, Verwahrlosung oder sonstigen Gefährdung des Kindeswohls – geht es hingegen nicht um das Gebot des Einvernehmens, sondern um ebenso zügige wie sorgfältige
Sachverhaltsaufklärung mit dem Ziel effektiver Kinderschutzmaßnahmen.

Im Verlaufe der vergangenen elf Jahren hat der Arbeitskreis „Warendorfer Praxis“ zu einzelnen Aspekten der genannten Verfahren verschiedene Leitfäden entwickelt, die Sie ebenfalls in dieser Ausgabe finden. In diesen Leitfäden geht es um die Details der interprofessionellen Zusammenarbeit in Fällen häuslicher Gewalt (Auswirkungen auf die Regelung von Sorgerecht und Umgang, Empfehlungen im Fall der erforderlichen Umgangsbegleitung), den Inhalt des Rückmeldebogens über eine erfolgte Beratung/Mediation, Inhalte und Abläufe bei der Beteiligung/Anhörung von Kindern und Jugendlichen durch Fachkräfte, die Handhabung von Fällen hochstrittiger Eltern und des Wechselmodells sowie Abläufe und Inhalte bei Sachverständigengutachten.

Insgesamt ist so durch unsere Arbeit im Netzwerk „Warendorfer Praxis“, welches bundesweit unter Fachkräften des Kinderschutzes große Beachtung findet, inzwischen ein „dickes Buch“ entstanden. Diese Gesamtausgabe enthält damit eine Vielzahl praktischer Arbeitshilfen und zeigt, nach welchen Standards die interprofessionelle Kooperation bei Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten erfolgversprechend gelingen kann. Der weitere große Vorteil der Mitarbeit in einem solchen Netzwerk liegt in dem persönlichen Kennenlernen der hinter den jeweils anderen Professionen stehenden Personen und fachlichen Haltungen. Eine gelingende Kooperation wird hierdurch im Einzelfall erheblich erleichtert, ohne die Inhalte und Grenzen der jeweiligen fachlichen Verantwortlichkeit zu verwischen. Es bleibt abzuwarten, in welchen Bereichen unser nach wie vor regelmäßig drei- bis viermal im
Jahr zusammenkommender Arbeitskreis die nächsten „Baustellen“ ausmachen wird, an denen wir gemeinsam inhaltlich arbeiten werden.

Inhaltsverzeichnis der Gesamtausgabe
  • Vorwort 
  • Einführung
  • Warendorfer Praxis - Verfahrensweise der Warendorfer Praxis vor, während und am Ende der kindeswohlbetreffenden familienrechtlichen Verfahren, insbesondere bei Trennung und Scheidung in außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren (Sorgerecht, Umgangsrecht, Kindesherausgabe und Gewaltschutz)
  • Leitfaden zur Verfahrensweise in Fällen häuslicher Gewalt
  • Leitfaden für die Arbeit mit hochstrittigen Eltern
  • Leitfaden Handhabung der Paritätischen Doppelresidenz „Wechselmodell“
  • Leitfaden „Kind im Blick“
  • Leitfaden Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Kindschaftsverfahren

Das könnte Sie auch interessieren

Stellungnahme

von:

Regelungsvorschlag zur Schaffung eines Rechtsbehelfs bei überlangen Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen

Der Paritätische hat zum Diskussionsentwurf "Regelungsvorschlag zur Schaffung eines präventiven Rechtsbehelfs bei überlangen Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen" des Bundesministeriums der Justiz und Verbraucherschutz eine Stellungnahme erarbeitet.
Arbeitspapier

Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht

Mit der 2. Auflage der „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“ hat eine Expertengruppe die Entwicklungen und Erfahrungen der letzten vier Jahre aufgegriffen und nicht nur die Qualitätsstandards ausgebaut, sondern auch Anpassungen an die aktuelle Gesetzeslage vorgenommen.
Arbeitspapier

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Kindschaftsrecht

Prof. Dr. Peter-Christian Kunkel hat ein Diskussionspapier über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Kindschaftsrecht veröffentlicht.