Der Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. ist jeden Tag mit den Herausforderungen durch die Fetale Alkoholspektrum - Störung (FASD) konfrontiert. Im aktuellen Beitrag „Ein Glas Wein scheint in der Schwangerschaft nicht zu schaden“ im ZEIT-Magazin vom 3. April 2021 wird die dringend notwendige und weitgreifende Prävention im Keim erstickt und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft legitimiert und auf verantwortungslose Weise beschönigt.
Einwand des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. zum Zeitartikel
Das Fetale Alkoholsyndrom ist eine lebenslange hirnorganische Schädigung, die beim noch ungeborenen Fötus durch den Alkoholkonsum der werdenden Mutter verursacht wird. Bereits geringe Mengen können zu irreversiblen Schäden führen. Dr. Mirjam Landgraf, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderneurologie und Autorin der S3-Leitlinie zur FASD-Diagnostik, sagt auf die Frage „Gibt es eine unbedenkliche Trinkmenge in der Schwangerschaft?“: „Nein, die gibt es nicht. Es führt zwar nicht jeder Alkoholkonsum dazu, dass das Kind erkrankt, aber wir wissen nicht, welche Menge dem Fötus schadet und welche nicht. Dazu gibt es keine gesicherten, wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die weltweite Empfehlung ist: Vollständige Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft!“ (Focus-Interview vom 25.02.2021)
Im aktuellen Beitrag „Ein Glas Wein scheint in der Schwangerschaft nicht zu schaden“ im ZEITMagazin vom 3. April 2021 wird die dringend notwendige und weitgreifende Prävention im Keim erstickt und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft legitimiert und auf verantwortungslose Weise beschönigt.
Jedes Jahr kommen allein in Deutschland über 20.000 Kinder mit der Diagnose „Fetale Alkoholspektrum-Störung“ (FASD) zur Welt. Die Dunkelziffer ist weit höher. Damit führt FASD die Liste der häufigsten angeborenen Behinderungen der westlichen Welt an – und wäre gleichzeitig zu 100 Prozent vermeidbar! Die betroffenen Menschen leiden ein Leben lang unter dem entstandenen strukturellen Hirnschaden und den damit verbundenen Einschränkungen und Komorbiditäten.
Im aktuellen Interview von Fiona Weber-Steinhaus mit der Ökonomie-Professorin Emily Oster wird einmal mehr deutlich, dass die gesellschaftliche Verantwortung zur Vermeidung des Fetalen Alkoholsyndroms fehlt. „Ich bin Ökonomin, die meisten Entscheidungen basiere ich auf einer Risiko-Nutzen-Abwägung“, sagt Oster zu Beginn des Interviews. So scheint Emily Osten den „Nutzen“ von Wein (worin auch immer dieser bestehen mag) gegen das Risiko einer lebenslangen Schädigung des Kindes durch Alkohol in der Schwangerschaft durch eine Excel Tabelle abzuwägen.
Auf Nachfrage, ob man sich als Schwangere auch mal ein Glas Wein gönnen dürfte, fällt die Antwort erschreckend verantwortungslos aus: „Ich fand keine stichhaltigen Beweise, dass eine geringe Menge Alkohol die kognitive Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigt. Das heißt: Mal ein Glas Wein zu trinken scheint nicht zu schaden.“
Weiter wird im Artikel über die Mengen von Alkohol in der Schwangerschaft diskutiert. An dieser Stelle wird suggeriert, dass Alkohol nur in großen Mengen schädlich sei. Aus unserer Sicht ist dies grob fahrlässig, da nur eines gelten kann: Null Alkohol – null Risiko!
Alkohol ist ein Nervengift, das in jeder Menge schadet – umso mehr bei ungeborenen Kindern, deren Organismus diesem Gift schutzlos ausgeliefert ist. Der Fötus trinkt mit und braucht etwa zehn Mal so lange für die Entgiftung wie die Mutter selbst. Die Leber des Fötus arbeitet erst ab dem 7. Monat der Schwangerschaft eigenständig. Neben der Menge des Alkohols spielen z.B. Zeitpunkt und Konstitution eine wesentliche Rolle für die konkrete Auswirkung und die Stärke der Schäden.
Es darf an dieser Stelle keine beschönigende Risiko-Nutzen-Abwägung geben! Es ist keinerlei „Nutzen“ von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft vorstellbar, der das Risiko einer lebenslangen Schädigung des ungeborenen Kindes aufwiegen kann! Prof. Dr. Hans-Ludwig Spohr, Spezialist für alkoholgeschädigte Kinder mit jahrzehntelanger Erfahrung in der FASD-Diagnostik, beantwortet die Frage nach geringen Mengen Alkohol in der Schwangerschaft: „Wir können nicht ausschließen, dass es trotzdem zu kognitiven Schäden kommen kann, die sich beispielsweise erst im Schulalter zeigen.“ (ZEIT vom 16. September 2017)
Beim aktuell vorliegenden Interview mit Emily Oster hat die ZEIT – auch wenn das Interview ansonsten sachlich geführt ist – keine ausreichende Verantwortung übernommen. Die gefährlich falsche Schlagzeile und der fehlende Hinweis auf das Fetale Alkoholsyndrom sind für ein derart seriöses Medium als fahrlässig anzusehen. Mediziner und Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen und ihre langjährigen Erkenntnisse werden durch Excel-Aufzeichnungen einer Wirtschaftswissenschaftlerin diskreditiert. Bereits mit ein wenig oberflächlicher Recherche hätte man herausfinden können, dass mittlerweile zahlreiche renommierte Institutionen und Organisationen aus guten Gründen zu „Null Alkohol in der Schwangerschaft und Stillzeit“ aufrufen, darunter die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Berufsverband der Frauenärzte oder die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Wir fordern deshalb: Aufklärung statt Bagatellisierung! Medien haben hier eine wesentliche Verantwortung zu tragen.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. Nevim Krüger, Kerstin Held (FASD-Ausschuss)
Wie kann gute Kommunikation in Bezug auf FASD gelingen und was kann sie schlimmstenfalls vermeiden? Pflegeeltern machen die Erfahrung, dass ihre Kommunikation mit den anderen Beteiligten der Pflegekinderhilfe gerade in Bezug auf FASD als schwierig empfunden wird. Sie kennen es gar nicht anders, als dass sie Verhaltensweisen, Benehmen und Emotionen ihrer Kinder/Jugendliche immer und immer wieder erklären und darlegen müssen, damit die Gesprächspartner das Kind verstehen, die Situation der Pflegefamilie erkennen und die Handlungen der Pflegeeltern akzeptieren können.
Junge Erwachsene mit FAS/FAE haben oft grosse Schwierigkeiten, eine geeignete Wohnform für sich zu finden. FASworld e.V. arbeitet gerade an einer Studie zu diesem Thema und hat dazu einen Fragebogen entwickelt, den Sie hier finden. Von Irm Wills
Adoptiveltern haben gegen eine aus ihrer Sicht unzulängliche Aufklärung des Jugendamtes über die mögliche FAS-Behinderung des Adoptivkindes mit der Begründung geklagt, dass sie das Kind nicht adoptiert hätten, wenn sie von der Behinderung gewusst hätten.
Ein Projekt in den Niederlanden widmet sich Aufgabe, das Bewusstsein für FASD in der Öffentlichkeit zu stärken und besonders auf die Gefährlichkeit von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft hinzuweisen. In diesem Zusammenhang wurde ein einprägsames Video von knapp vier Minuten gedreht, welches die Wirkung von Alkohol beim Fötus darstellt. In Deutschland hat der Beltzverlag ein neues Buch zu FASD und Schule herausgebracht. Unabhängig vom Erwerb des Buches können Materialien beim Verlag zur Hilfe für Lehrer und Eltern heruntergeladen werden.
Herr und Frau Rosenke nahmen 2002 ihr Patenkind bei sich auf. Es stellte sich heraus, dass das Mädchen am fetalen Alkoholsyndrom leidet. Um für mehr Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen zu sorgen, hat das Ehepaar Rosenke die Regionalgruppe Hamburg und Umgebung von FASWorld ins Leben gerufen.
Vor einigen Jahren schrieb die heute erwachsene C. einmal auf, was es für sie bedeutet, mit FASD zu leben. Es kostete sie viel Zeit und Bemühungen, um dies zu schreiben, aber sie wollte es tun, damit wir sie und andere Menschen mit FASD verstehen.
Mit achtzehn Monaten kommt Ines zur Pflegefamilie. Symptome großer Vernachlässigung sind deutlich, aber da ist noch mehr! Erst nach sechs Jahren wird FASD diagnostiziert. Die Pflegemutter beschreibt sehr persönlich ihre Erfahrungen und Empfindungen mit ihrer Pflegetochter, aber auch mit dem Umfeld und den Schwierigkeiten, welche aufkommen, wenn ein Kind nicht "der Norm" entspricht.
Das Erziehungsbüro Rheinland (EBR) hat Erklärvideos produziert zur Frage der "Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Pflegefamilien", zur Erläuterung von "Erziehungsstellen" und zur Erklärung des "Fetalen Alkoholsyndroms".
"Wir sind uns bewusst, welch große Herausforderungen unsere FASD-Pflegekinder und ihre Pflegeeltern tagtäglich meistern müssen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen und ihnen den Rücken frei zu halten." - Bericht zur Arbeit des Pflegekinderfachdienstes Neustadt/Aisch, Bad Winsheim.
Fast 10 000 Kinder in Deutschland werden jährlich mit FASD geboren - und trotzdem ist diese Beeinträchtigung immer noch nicht genügend bekannt. Um dies zu bewirken und das Leben der Betroffenen durch Wissen, Verständnis und Hilfen zu erleichtern, wollen einige FASD- und Betroffenenorganisationen ein Bündnis schmieden.
Medien müssen mehr Verantwortung übernehmen!
Ein Einwand zu einem Artikel der ZEIT zu FASD
Themen:
Einwand des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. zum Zeitartikel
Das Fetale Alkoholsyndrom ist eine lebenslange hirnorganische Schädigung, die beim noch ungeborenen Fötus durch den Alkoholkonsum der werdenden Mutter verursacht wird. Bereits geringe Mengen können zu irreversiblen Schäden führen. Dr. Mirjam Landgraf, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderneurologie und Autorin der S3-Leitlinie zur FASD-Diagnostik, sagt auf die Frage „Gibt es eine unbedenkliche Trinkmenge in der Schwangerschaft?“:
„Nein, die gibt es nicht. Es führt zwar nicht jeder Alkoholkonsum dazu, dass das Kind erkrankt, aber wir wissen nicht, welche Menge dem Fötus schadet und welche nicht. Dazu gibt es keine gesicherten, wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die weltweite Empfehlung ist: Vollständige Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft!“ (Focus-Interview vom 25.02.2021)
Im aktuellen Beitrag „Ein Glas Wein scheint in der Schwangerschaft nicht zu schaden“ im ZEITMagazin vom 3. April 2021 wird die dringend notwendige und weitgreifende Prävention im Keim erstickt und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft legitimiert und auf verantwortungslose Weise beschönigt.
Jedes Jahr kommen allein in Deutschland über 20.000 Kinder mit der Diagnose „Fetale Alkoholspektrum-Störung“ (FASD) zur Welt. Die Dunkelziffer ist weit höher. Damit führt FASD die Liste der häufigsten angeborenen Behinderungen der westlichen Welt an – und wäre gleichzeitig zu 100 Prozent vermeidbar! Die betroffenen Menschen leiden ein Leben lang unter dem entstandenen strukturellen Hirnschaden und den damit verbundenen Einschränkungen und Komorbiditäten.
Im aktuellen Interview von Fiona Weber-Steinhaus mit der Ökonomie-Professorin Emily Oster wird einmal mehr deutlich, dass die gesellschaftliche Verantwortung zur Vermeidung des Fetalen Alkoholsyndroms fehlt. „Ich bin Ökonomin, die meisten Entscheidungen basiere ich auf einer Risiko-Nutzen-Abwägung“, sagt Oster zu Beginn des Interviews. So scheint Emily Osten den „Nutzen“ von Wein (worin auch immer dieser bestehen mag) gegen das Risiko einer lebenslangen Schädigung des Kindes durch Alkohol in der Schwangerschaft durch eine Excel Tabelle abzuwägen.
Auf Nachfrage, ob man sich als Schwangere auch mal ein Glas Wein gönnen dürfte, fällt die Antwort erschreckend verantwortungslos aus: „Ich fand keine stichhaltigen Beweise, dass eine geringe Menge Alkohol die kognitive Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigt. Das heißt: Mal ein Glas Wein zu trinken scheint nicht zu schaden.“
Weiter wird im Artikel über die Mengen von Alkohol in der Schwangerschaft diskutiert. An dieser Stelle wird suggeriert, dass Alkohol nur in großen Mengen schädlich sei. Aus unserer Sicht ist dies grob fahrlässig, da nur eines gelten kann: Null Alkohol – null Risiko!
Alkohol ist ein Nervengift, das in jeder Menge schadet – umso mehr bei ungeborenen Kindern, deren Organismus diesem Gift schutzlos ausgeliefert ist. Der Fötus trinkt mit und braucht etwa zehn Mal so lange für die Entgiftung wie die Mutter selbst. Die Leber des Fötus arbeitet erst ab dem 7. Monat der Schwangerschaft eigenständig. Neben der Menge des Alkohols spielen z.B. Zeitpunkt und Konstitution eine wesentliche Rolle für die konkrete Auswirkung und die Stärke der Schäden.
Es darf an dieser Stelle keine beschönigende Risiko-Nutzen-Abwägung geben! Es ist keinerlei „Nutzen“ von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft vorstellbar, der das Risiko einer lebenslangen Schädigung des ungeborenen Kindes aufwiegen kann! Prof. Dr. Hans-Ludwig Spohr, Spezialist für alkoholgeschädigte Kinder mit jahrzehntelanger Erfahrung in der FASD-Diagnostik, beantwortet die Frage nach geringen Mengen Alkohol in der Schwangerschaft: „Wir können nicht ausschließen, dass es trotzdem zu kognitiven Schäden kommen kann, die sich beispielsweise erst im Schulalter zeigen.“ (ZEIT vom 16. September 2017)
Beim aktuell vorliegenden Interview mit Emily Oster hat die ZEIT – auch wenn das Interview ansonsten sachlich geführt ist – keine ausreichende Verantwortung übernommen. Die gefährlich falsche Schlagzeile und der fehlende Hinweis auf das Fetale Alkoholsyndrom sind für ein derart seriöses Medium als fahrlässig anzusehen. Mediziner und Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen und ihre langjährigen Erkenntnisse werden durch Excel-Aufzeichnungen einer Wirtschaftswissenschaftlerin diskreditiert. Bereits mit ein wenig oberflächlicher Recherche hätte man herausfinden können, dass mittlerweile zahlreiche renommierte Institutionen und Organisationen aus guten Gründen zu „Null Alkohol in der Schwangerschaft und Stillzeit“ aufrufen, darunter die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Berufsverband der Frauenärzte oder die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Wir fordern deshalb: Aufklärung statt Bagatellisierung! Medien haben hier eine wesentliche Verantwortung zu tragen.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.
Nevim Krüger, Kerstin Held (FASD-Ausschuss)