Wenn Menschen, die bisher nicht viel von Pflegefamilien gewusst haben, den Berichten von Pflegeeltern zuhören, kommt häufig der Kommentar: "Ich könnte das ja nicht...!" Eine Pflegemutter und Vorsitzende eines Landesverbandes, die das schon soooo oft gehört hat, beschreibt die zwiespältigen Gefühle, die bei diesem Satz in ihr hochkommen.
Ah ja, vielen Dank für die ungefragte, abwertende Gesamteinschätzung unseres Lebens, oder sollte das ein Kompliment sein?
Die allermeisten Pflegefamilien, insbesondere diejenigen, die Kinder mit Behinderung und/oder auffälligem Verhalten aufgenommen haben und ihr Leben nun gemeinsam mit den Kindern gestalten und leben, können mit einer solchen Aussage nicht nur nichts anfangen, es kränkt sie und bringt sie in die Situation, sich für ihr Leben, ihre Entscheidung und am Ende sogar für ihr Kind zu rechtfertigen.
In den allermeisten Fällen ist dieser Satz, der so unüberlegt daherkommt, und nicht selten auch im Beisein der Kinder geäußert wird, sehr wahrscheinlich sogar anerkennend gemeint. So kommt er leider bei uns Familien nicht an! Und erst recht nicht bei unseren Kindern! Was muss das für sie implizieren? Sind wir so schlimm, sind wir so wertlos, sind wir so anders, sind wir so behindert, sind wir so schlecht, sind wir nur schwierig?
Andererseits impliziert dieser Satz aber auch: ich sehe, dass euer Alltag Kraft raubt. Ich sehe, dass ihr viele Termine wahrnehmt. Ich sehe, dass ihr eine öffentliche Familie seid. Ich sehe, dass ihr Konflikte mit Jugendämtern, Schulen, Therapeuten und den Nachbarn habt. Ich sehe, dass ihr ganz schön viel leistet. Ja, all diese Beobachtungen sind richtig und natürlich wäre es ganz wunderbar, wären all diese Herausforderungen manchmal nicht so groß und schwer für uns! Aber wisst ihr, für wen diese Anforderungen und damit verbundenen Bewertungen und Zuschreibungen noch viel schwerer sind? Genau, für unsere Kinder. Die Kinder haben bereits, bevor sie in unsere Familie einzogen, eine andere Lebensrealität erlebt und die war in den allermeisten Fällen nicht sicher, nicht gewaltfrei und mit den elementarsten Entbehrungen verbunden. Diese Erfahrungen hinterlassen Spuren und das Kind muss durch den Übergang in die Familie eine große Veränderung verarbeiten, sich auf fremde Menschen einlassen, Vertrauen gewinnen und neue Bindungen eingehen.
Pflegefamilien sind vor allem eins: Familien. Jede Familie ist individuell. Auch wir lachen, weinen, tanzen, spielen, reisen, schimpfen und kuscheln zusammen. Wir sind einfach Familien, die noch zusammenwachsen und jeder Teil von uns bringt seine Erfahrungen und Vergangenheit mit und unsere Kinder haben eben ein größeres Gepäck, wenn sie in unser Leben kommen.
Wir wünschen uns vor allem Akzeptanz und Toleranz. Wenn ihr Fragen an uns habt, fragt uns. Gern erklären wir euch das, was bei uns vielleicht anders ist als bei euch. Aber bitte überlegt gut, was eure Worte bei den Kindern, übrigens auch bei euren Kindern und uns hinterlassen. Uns ist bewusst, dass in der Gesellschaft noch immer nicht viel über Pflegefamilien bekannt ist. Pflegefamilien sind nicht beliebig austauschbare Aufbewahrungsorte für Kinder! In Pflegefamilien wachsen Beziehungen und Bindungen, in Pflegefamilien kommen die Kinder langsam zur Ruhe und sind in Sicherheit. Pflegeeltern sind keine Heiligen, aber eben auch keine Eltern, die des Geldes wegen Kinder aufnehmen.
Die allermeisten Pflegeeltern sind optimistische und visionäre Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass alle Kinder einen sicheren Ort und die bedingungslose Annahme ihrer selbst brauchen und trotz ihrer Vorerfahrungen und Narben, selbstbestimmte und zufriedene Erwachsene werden können. Auch Pflegefamilien unterliegen dem gesetzlichen, besonderen Schutz der Familie. Die Kinder haben ein Recht auf Kontinuität und ihre wichtigen Bezugspersonen. Pflegefamilien haben Anspruch auf Hilfen, wenn es zu Problemen innerhalb der Familie kommt und kein Interesse daran, die Kinder wieder „abzugeben“. Pflegeeltern sind Eltern, die Kinder lieben, obwohl sie wissen, dass diese Kinder nicht durch sie entstanden und von ihnen geboren sind. Es sind Kinder, die bereits eine Familie haben. Pflegeeltern sind in der Regel sehr tolerante Menschen und vielleicht auch „Gutmenschen“. Wie schade, dass heute viele Menschen glauben, es wäre eine Schwäche oder gar eine psychische Störung, sein Herz für andere Menschen zu öffnen und sich für sie einzusetzen. Jeder Mensch hat seine Geschichte und Motivationen, um Dinge zu tun oder zu lassen.
Blut ist dicker als Wasser! Diese Aussage kann ich nicht fühlen. Es mag daran liegen, dass auch meine Adoptiveltern das schon nicht gefühlt und mir immer vermittelt haben, sicher zu sein, bedingungslos angenommen zu sein, geliebt zu sein, ohne dass ich dafür irgendetwas tun musste, mich frei sein ließen und trotzdem Grenzen gesetzt haben, ehrlich zu mir waren und bestimmt den ein oder anderen Sturm mit mir durchlebten! Das hört sich vielleicht sehr rosarot an. Das war es sicher nicht immer. Aber, es ging immer gemeinsam und zusammen weiter.
Heute habe ich selbst Kinder aufgenommen und werde manchmal gefragt: „Würdest du das wieder tun?“ „Ja, würde ich! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es gar nichts besseres im Leben geben kann, als Kindern einen sicheren Platz im Leben zu geben! Ob dieser Platz auf Blut oder Wasser besser gebaut ist, weiß ich nicht. Ich fühle mich sehr sicher auf meinem mir gebauten Platz und glaube fest daran, dass es ganz vielen Pflege- und Adoptivkindern so geht und gehen wird. Und außerdem würde ich ansonsten meinem eigenen Leben eine Absage erteilen und dafür ist mein Leben viel zu schön.“
Wie kann gute Kommunikation in Bezug auf FASD gelingen und was kann sie schlimmstenfalls vermeiden? Pflegeeltern machen die Erfahrung, dass ihre Kommunikation mit den anderen Beteiligten der Pflegekinderhilfe gerade in Bezug auf FASD als schwierig empfunden wird. Sie kennen es gar nicht anders, als dass sie Verhaltensweisen, Benehmen und Emotionen ihrer Kinder/Jugendliche immer und immer wieder erklären und darlegen müssen, damit die Gesprächspartner das Kind verstehen, die Situation der Pflegefamilie erkennen und die Handlungen der Pflegeeltern akzeptieren können.
Rezension eines neuen Buches zum Thema Alkohol in der Schwangerschaft – Die unterschätzte Gefahr. Autorin: Dagmar Elsen. Das Biuch erscheint im Schulz-Kirchner-Verlag. Damar Elsen ist Journalistin, Buchautorin, Bloggerin, Initiatorin und Vorsitzende des Vereins Happy Baby No Alcohol.
Ein Fallbeispiel zeigt auf, wie schnell ein recht gut gestalteter Übergang Gefahr läuft zu scheitern, wenn ein Part des Helfernetzwerkes nicht bzw. nur mäßig kooperiert und einem Wissenstransfer nicht offen gegenübersteht.
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"Ich könnte das ja nicht…!"
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Ah ja, vielen Dank für die ungefragte, abwertende Gesamteinschätzung unseres Lebens, oder sollte das ein Kompliment sein?
Die allermeisten Pflegefamilien, insbesondere diejenigen, die Kinder mit Behinderung und/oder auffälligem Verhalten aufgenommen haben und ihr Leben nun gemeinsam mit den Kindern gestalten und leben, können mit einer solchen Aussage nicht nur nichts anfangen, es kränkt sie und bringt sie in die Situation, sich für ihr Leben, ihre Entscheidung und am Ende sogar für ihr Kind zu rechtfertigen.
In den allermeisten Fällen ist dieser Satz, der so unüberlegt daherkommt, und nicht selten auch im Beisein der Kinder geäußert wird, sehr wahrscheinlich sogar anerkennend gemeint. So kommt er leider bei uns Familien nicht an! Und erst recht nicht bei unseren Kindern! Was muss das für sie implizieren? Sind wir so schlimm, sind wir so wertlos, sind wir so anders, sind wir so behindert, sind wir so schlecht, sind wir nur schwierig?
Andererseits impliziert dieser Satz aber auch: ich sehe, dass euer Alltag Kraft raubt. Ich sehe, dass ihr viele Termine wahrnehmt. Ich sehe, dass ihr eine öffentliche Familie seid. Ich sehe, dass ihr Konflikte mit Jugendämtern, Schulen, Therapeuten und den Nachbarn habt. Ich sehe, dass ihr ganz schön viel leistet. Ja, all diese Beobachtungen sind richtig und natürlich wäre es ganz wunderbar, wären all diese Herausforderungen manchmal nicht so groß und schwer für uns! Aber wisst ihr, für wen diese Anforderungen und damit verbundenen Bewertungen und Zuschreibungen noch viel schwerer sind? Genau, für unsere Kinder. Die Kinder haben bereits, bevor sie in unsere Familie einzogen, eine andere Lebensrealität erlebt und die war in den allermeisten Fällen nicht sicher, nicht gewaltfrei und mit den elementarsten Entbehrungen verbunden. Diese Erfahrungen hinterlassen Spuren und das Kind muss durch den Übergang in die Familie eine große Veränderung verarbeiten, sich auf fremde Menschen einlassen, Vertrauen gewinnen und neue Bindungen eingehen.
Pflegefamilien sind vor allem eins: Familien. Jede Familie ist individuell. Auch wir lachen, weinen, tanzen, spielen, reisen, schimpfen und kuscheln zusammen. Wir sind einfach Familien, die noch zusammenwachsen und jeder Teil von uns bringt seine Erfahrungen und Vergangenheit mit und unsere Kinder haben eben ein größeres Gepäck, wenn sie in unser Leben kommen.
Wir wünschen uns vor allem Akzeptanz und Toleranz. Wenn ihr Fragen an uns habt, fragt uns. Gern erklären wir euch das, was bei uns vielleicht anders ist als bei euch. Aber bitte überlegt gut, was eure Worte bei den Kindern, übrigens auch bei euren Kindern und uns hinterlassen. Uns ist bewusst, dass in der Gesellschaft noch immer nicht viel über Pflegefamilien bekannt ist. Pflegefamilien sind nicht beliebig austauschbare Aufbewahrungsorte für Kinder! In Pflegefamilien wachsen Beziehungen und Bindungen, in Pflegefamilien kommen die Kinder langsam zur Ruhe und sind in Sicherheit. Pflegeeltern sind keine Heiligen, aber eben auch keine Eltern, die des Geldes wegen Kinder aufnehmen.
Die allermeisten Pflegeeltern sind optimistische und visionäre Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass alle Kinder einen sicheren Ort und die bedingungslose Annahme ihrer selbst brauchen und trotz ihrer Vorerfahrungen und Narben, selbstbestimmte und zufriedene Erwachsene werden können. Auch Pflegefamilien unterliegen dem gesetzlichen, besonderen Schutz der Familie. Die Kinder haben ein Recht auf Kontinuität und ihre wichtigen Bezugspersonen. Pflegefamilien haben Anspruch auf Hilfen, wenn es zu Problemen innerhalb der Familie kommt und kein Interesse daran, die Kinder wieder „abzugeben“. Pflegeeltern sind Eltern, die Kinder lieben, obwohl sie wissen, dass diese Kinder nicht durch sie entstanden und von ihnen geboren sind. Es sind Kinder, die bereits eine Familie haben. Pflegeeltern sind in der Regel sehr tolerante Menschen und vielleicht auch „Gutmenschen“. Wie schade, dass heute viele Menschen glauben, es wäre eine Schwäche oder gar eine psychische Störung, sein Herz für andere Menschen zu öffnen und sich für sie einzusetzen. Jeder Mensch hat seine Geschichte und Motivationen, um Dinge zu tun oder zu lassen.
Blut ist dicker als Wasser! Diese Aussage kann ich nicht fühlen. Es mag daran liegen, dass auch meine Adoptiveltern das schon nicht gefühlt und mir immer vermittelt haben, sicher zu sein, bedingungslos angenommen zu sein, geliebt zu sein, ohne dass ich dafür irgendetwas tun musste, mich frei sein ließen und trotzdem Grenzen gesetzt haben, ehrlich zu mir waren und bestimmt den ein oder anderen Sturm mit mir durchlebten! Das hört sich vielleicht sehr rosarot an. Das war es sicher nicht immer. Aber, es ging immer gemeinsam und zusammen weiter.
Heute habe ich selbst Kinder aufgenommen und werde manchmal gefragt: „Würdest du das wieder tun?“ „Ja, würde ich! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es gar nichts besseres im Leben geben kann, als Kindern einen sicheren Platz im Leben zu geben! Ob dieser Platz auf Blut oder Wasser besser gebaut ist, weiß ich nicht. Ich fühle mich sehr sicher auf meinem mir gebauten Platz und glaube fest daran, dass es ganz vielen Pflege- und Adoptivkindern so geht und gehen wird. Und außerdem würde ich ansonsten meinem eigenen Leben eine Absage erteilen und dafür ist mein Leben viel zu schön.“
Nevim Krüger
Pfad Niedersachsen