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Alltag mit Kindern

Kids mit Lernschwäche, Schulangst, Aggression - Psychologen fehlen

Bundesverband Deutscher Psychologen (BDP): „In Deutschland können wir uns aber fast nur noch um die Problemfälle kümmern.“

Laut dem Robert Koch-Institut entwickeln 22% der Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten. Der Bedarf an Beratung ist deshalb laut Klaus Seifried, stellvertretender Bundesvorsitzender der Sektion Schulpsychologie im Bundesverbandes Deutscher Psychologen (BDP), groß. „In Deutschland können wir uns aber fast nur noch um die Problemfälle kümmern.“ Dabei bräuchte nach seiner Einschätzung eigentlich jeder Schüler Unterstützung - und auch die Lehrer, die oft schwierige Erziehungsarbeit leisteten. Deutschland ist in Europa Schlusslicht bei der Versorgung mit Schulpsychologen - und das geht zulasten von Nachwuchs und Pädagogen.
Elternhaus: Enormer Druck oder Desinteresse
So schieden 2006 von bundesweit rund 18.000 pensionierten Lehrern 24% aus Krankheitsgründen aus, wovon die Hälfte wiederum wegen psychischer Probleme ging. Da zeigten wohl auch Probleme im Elternhaus und mangelnde moralische Orientierung der Kids ihre Folgen, meint Seifried: „Wir haben Eltern, die wenig Interesse für ihre Kinder haben oder hilflos sind - und Kinder, die schon mit zehn, elf Jahren auf der Straße streunen.“ Es gebe aber auch ehrgeizige und autoritäre Eltern, die enormen Druck auf ihre Sprösslinge ausübten, den diese dann irgendwie loswerden müssten: „Aggression und Mobbing kennen wir nicht nur aus der Hauptschule, sondern auch und gerade aus dem Elite-Gymnasium.“

Zugleich werden Kindern immer häufiger Psychopharmaka verabreicht, wie eine Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Köln zeigt: 2006 erhielten mit 28.100 Kids viermal so viele Neuroleptika wie im Jahr 2000 (6.800 Kinder). „Grundsätzlich wird relativ schnell mit Medikamenten interveniert, ohne sich die Zeit zu nehmen, den Hintergrund der Störung zu finden“, kritisiert Psychologe Seifried.
Viele Schulpsychologen gehen in Rente
Die Ursache für den Schulpsychologen-Mangel erklärt Christa Schaffmann: „In den 70er Jahren gab es eine richtige Welle, es wurden viele Stellen geschaffen - diese Generation geht jetzt aber in Rente. Viele Bundesländer haben aus finanziellen Gründen die frei gewordenen Stellen nicht nachbesetzt.“ Oft sei es erst eine Katastrophe wie der Amoklauf in einer Schule im westfälischen Emsdetten 2006, die die Politik aufrüttele. Ein Jahr nach dem Amoklauf hatte Nordrhein-Westfalen eine deutliche Aufstockung der Schulpsychologen-Zahlen von 170 auf 260 beschlossen - und ist damit bundesweiter Spitzenreiter.

Der Besuch beim Schulpsychologen ist für die Eltern kostenlos, beim niedergelassenen Psychotherapeuten nicht. „Damit haben Leute mit Geld bessere Chancen, ihre Kinder unterstützten zu lassen“, bemängelt Seifried.

hier die Veröffentlichung auf der Webseite

Letzte Aktualisierung am: 
07.04.2009