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08.12.2010
Gerichtsbeschluss
vom: 
23.11.2009

Voraussetzungen für einen vollständigen Entzug der elterlichen Sorge

Das Grundrecht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl.Es gehört nicht zum staatlichen Wächteramt für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen.

Tenor:

Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts

  • Familiengerichts – Ahlen vom 8.4.2009 (16 F 73/08) wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe:

I.
Gegenstand des Verfahrens ist der Entzug des Sorgerechts für die Kinder der Beschwerdeführer, L1 L, geboren am 23.10.03, L2 L, geboren am 7.10.04, L3 L, geboren am 27.3.08, sowie L4 L, geboren am 27.2.09.

Die am 9.8.1978 geborene Kindesmutter und der am 14.2.1966 geborene Kindesvater sind seit dem 3.1.2003 miteinander verheiratet und leben in einem gemeinsamen Haushalt. Beide sind nicht berufstätig und leben von Sozialleistungen.

Die Kindesmutter hat aus einer früheren Beziehung bereits drei Kinder (A1, geb. 19.5.98; A2, geb. 21.10.1999 und A3, geb. 2.1.2001), die allesamt in Pflegefamilien leben (Beiakte 16 F 28/99 AG Ahlen).

Der Kindesvater hat aus einer früheren Beziehung fünf Kinder, die ebenfalls sämtlich in Pflegefamilien leben.

Bereits ab der Geburt von L1 wurde für die Eheleute L seitens des damals zuständigen Jugendamtes Beckum eine intensive und engmaschige Familienhilfe eingerichtet; seinerzeit wurde für den Fall der alleinigen Versorgung des Kindes durch die Eltern eine Kindeswohlgefährdung angenommen. Auch nach dem Umzug der Familie nach B wurde eine sozialpädagogische Familienhilfe eingerichtet, und zwar zeitgleich mit der Geburt des zweiten Kindes, L2.

Im September 2006 wurde der Verdacht einer Behinderung bei L1 geäußert, da das Kind in seiner Gesamtentwicklung deutlich verzögert war, nicht oder nur in Sprachfragmenten sprach und nicht spielte. Der Kindesvater lehnte es allerdings ab, die erforderliche Diagnostik durchzuführen. Erst im April 2007 wurde die Diagnose einer globalen Entwicklungsstörung mit autistischen Verhaltensweisen gestellt.

Im März 2007 wurde festgestellt, dass die Ernährung der Kinder nicht kindgerecht war und die Zähne L2s aufgrund ständigen Trinkens zuckerhaltiger Getränke (gesüßter Zitronentee, Limonade und Cola) zerstört waren, so dass sie herausoperiert hätten werden müssen. Auch insoweit verweigerte der Kindesvater seine Einwilligung.

In der Folgezeit gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen der sozialpädagogischen Familienhelferin, Frau N, und insbesondere dem Kindesvater immer schwieriger. So widerrief etwa der Kindesvater die Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber dem Kinderarzt mit dem Argument, nicht mehr kontrolliert werden zu wollen. Auch zeigte sich, dass die Wohnung der Familie zunehmend vermüllte und den Kindern etwa weiterhin zuckerhaltige Getränke aus Nuckelflaschen zu trinken gegeben wurden, die zudem nicht hinreichend gereinigt waren. Der Kindergartenbesuch L1s fand nur selten statt.

Unter dem 24.7.07 teilte der Kindesvater der Familienhelferin schließlich mit, dass er die weitere Zusammenarbeit ablehne und ihr verbiete, die Wohnung zu betreten.

Mit Schreiben vom 5.9.07 wurden die Kindeseltern seitens des Jugendamtes auf die aus dortiger Sicht bestehende Kindeswohlgefährdung hingewiesen und sie aufgefordert, zumindest der Fortsetzung der SPFH zuzustimmen, was schließlich auch geschah.

Bei einem nicht angekündigten Hausbesuch am 21.9.07, 16.30 h, wurde festgestellt, dass die Kinder äußerlich massiv verwahrlost wirkten und einen mehr als mangelhaften Sprachgebrauch zeigten. L2 hatte keine Zähne im Oberkiefer mehr; L1 signalisierte erhebliche Entwicklungsrückstände, wirkte autistisch und hospitalisiert. Beide Kinderzimmer waren in einem aus hygienischer Sicht nicht mehr bewohnbaren Zustand; die Betten etwa waren nicht bezogen und kotverschmiert.

Dennoch sah das Jugendamt von einer Inobhutnahme zunächst noch ab.

Nachdem ab Ende November Herr K als sozialpädagogischen Familienhelfer bei der Familie tätig geworden war, kooperierten die Eltern zunächst gut. In der Folgezeit stellten sich allerdings wieder die schon aus der Vergangenheit bekannten Probleme - etwa der mangelnden medizinischen Betreuung und Förderung der Kinder, der mangelnden Regelmäßigkeit beim Kindergartenbesuch, mangelnder Absprachen mit den Kindeseltern, mangelnder kindgerechter Ernährung und der unzureichenden Haushaltsführung – ein.

Unter dem 17.3.08 nahm Herr K gegenüber dem Jugendamt eine Gefährdungseinschätzung gem. § 8a SGB VII vor und bejahte hierbei eine "dringende Gefahr für die Kinder (Gefahr für Leib und Leben)".

Mit Schreiben vom 2.4.08 hat das Jugendamt Ahlen sodann beim AG Ahlen beantragt, den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht auf Beantragung von Sozialleistungen für die Kinder L1, L2 und den kurz zuvor, am 27.3.08, geborenen L3 zu entziehen.

Aufgrund einstweiliger Anordnung vom 3.4.2008 sind den Kindeseltern daraufhin seitens des Amtsgerichts Ahlen die beantragten Teilbereiche des Sorgerechts entzogen und auf das Jugendamt Ahlen als Pfleger übertragen worden. Die Kinder wurden daraufhin in Obhut genommen, wobei L1 und L2 in einer Einrichtung untergebracht wurden und L3 in einer Pflegefamilie.

Im Anhörungstermin vom 24.4.08 sind die beiden im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe eingesetzten Sozialarbeiter, Herr K und Frau N als Zeuge vernommen worden (Bl. 41 ff. d.A.)

Durch Beschluss vom 24.4.08 hat das Amtsgericht sodann ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob das Wohl der drei Kinder bei einem weiteren Verbleib bei den Kindeseltern gefährdet wäre. Zur Sachverständigen ist Frau C bestellt worden. Darüber hinaus hat das Amtsgericht die beiden Kinder L1 und L2 angehört (Bl. 64 d.A.).

Die weiterhin eingesetzte Verfahrenspflegerin befürwortete die weitere Fremdunterbringung der Kinder (Bl. 83 ff. d.A.), da aus ihrer Sicht die Eltern zu einer adäquaten Versorgung der Kinder nicht in der Lage seien. Sowohl L1 wie auch L2 hätten nach der Herausnahme aus der Familie keine Heimwehanzeichen oder Verlustängste gezeigt. Beide Kinder hätten allerdings ein auffälliges Essverhalten an den Tag gelegt; beide seien sehr auf das Essen fixiert und äßen, was immer da sei, ohne erkennbares Sättigungsgefühl und teilweise bis zum Erbrechen. Nach dem Eindruck der Betreuer in der Pflegestelle hätten beide Kinder in der Vergangenheit offensichtlich ausgeprägte Hungergefühle kennengelernt. Die Gesamtsituation der Kinder, die bei der Inobhutnahme einen verwahrlosten und unhygienischen Eindruck gemacht und gravierende Mangelerscheinungen im gesundheitlichen Bereich gezeigt hätten (fehlende Mundhygiene, verfaulte Zähne, Pilzerkrankung im Windelbereich, Kopfläusebefall) hätte sich in den Wochen in der Pflegestelle gravierend verbessert. Auch hätten L1 und L2 seinerzeit Zeichen emotionaler Verwahrlosung gezeigt, hätten sich nunmehr jedoch positiv entwickelt, seien offener, fröhlicher und aktiv in ihr neues Lebensumfeld integriert.

Auch der in einer Pflegefamilie untergebrachte Michael habe eine positive Beziehung zu seinen Pflegeeltern entwickelt.

Am 27.2.2009 kam das vierte Kind der Familie, L4 L, auf die Welt.

Unter dem 2.3.2009 hat das Amtsgericht auch im Hinblick auf L4 den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung von Sozialleistungen entzogen und auf das Jugendamt Ahlen als Pfleger übertragen.

Mit Beschluss vom 8.4.2009 hat das Amtsgericht aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6.4.09 den Kindeseltern das Sorgerecht für alle vier Kinder entzogen und das Jugendamt Ahlen als Vormund eingesetzt. Zur Begründung verweist es insbesondere auf das als überzeugungskräftig angesehene Gutachten der Sachverständigen C. Hiernach seien die beiden älteren Kinder durch das Verhalten bzw. die mangelnde Erziehungsfähigkeit beider Eltern bereits jetzt massiv geschädigt. Im Hinblick auf die beiden jüngeren Kinder sei bei einem Verbleib in der Familie hiermit gleichfalls in massiver Form zu rechnen. Es stünden auch keine milderen Mittel zur Verfügung, denn die über einen längeren Zeitraum geleistete ambulante Hilfe hätte sich als nicht ausreichend herausgestellt.

Gegen diesen, ihnen am 15.4.2009 zugestellten Beschluss haben die Kindeseltern mit einem am 12.5.09 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist zuletzt bis 7.8.2009 - mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie berufen sich darauf, das Sachverständigengutachten lasse es an einer nachvollziehbaren Prognose hinsichtlich der beiden jüngeren Kindern fehlen. Auch hätten sich die Beschwerdeführer inzwischen in psychotherapeutische Behandlung begeben, um dort eine vom Sachverständigengutachten abweichende Einschätzung zu ihrer Erziehungsfähigkeit zu erhalten. Der Vorfall, wonach die Hand L1s in heißes Wasser gehalten worden sei, werde bestritten.

II.

Die gemäß §§ 621 e, 621 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die von den Kindeseltern gegen die Entscheidung des Amtsgerichts erhobenen Einwände geben dem Senat keine Veranlassung zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das Amtsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass den Kindeseltern das Sorgerecht für alle vier Kinder zu entziehen ist, weil die Voraussetzungen des §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen.

Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht zur Abwehr der Gefahr erforderliche Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Kinder durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung der Kinder oder durch unverschuldetes Versagen der Eltern gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung der Kinder von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a BGB).

Das Wohl der Kinder i.S. von § 1666 Abs. 1 BGB ist gefährdet, wenn eine gegenwärtige Gefahr oder zumindest eine bevorstehende Gefahr für seine Entwicklung vorliegt, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine erhebliche Schädigung des - körperlichen oder seelischen – Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Bei der Auslegung des Begriffs des Kindeswohls ist zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dem Erziehungsrecht der Eltern Vorrang zukommt und der Staat in dieses Erziehungsrecht nur nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingreifen darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes dient das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistete Grundrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355 m.w.N.; FamRZ 2008, 492).

Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, für eine den Fähigkeiten des jeweiligen Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen; vielmehr gehören die Eltern und deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1666 Rdn. 18). Im Rahmen der §§ 1666, 1666 a BGB ist stets zu beachten, dass kein Kind Anspruch auf "Idealeltern" und optimale Förderung der Erziehung hat und sich die staatlichen Eingriffe auf die Abwehr von Gefahren beschränkt. Keinesfalls kann es für eine Trennung der Kinder von den Eltern oder einem Elternteil ausreichen, dass es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung eventuell besser geeignet wären.

Darüber hinaus ist bei der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung i.S. der §§ 1666, 1666 a BGB auch zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert und Eingriffe des Staates nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Dieses Gebot einer Achtung des Familienlebens führt dazu, dass der Staat bei Vornahme von Eingriffen grundsätzlich so handeln muss, dass eine Fortentwicklung in der familiären Erziehung erfolgen kann; er hat geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um die Eltern und die Kinder zusammenzulassen (vgl. EuGHMR, FamRZ 2002, 1393).

Gemessen an den vorstehend genannten Kriterien ist die Herausnahme der Kinder aus dem Familienverband gerechtfertigt gewesen.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen C sind beide Eltern nicht erziehungsfähig. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei das Wohl aller vier Kinder bei einem Verbleib bei den Eltern massiv gefährdet:

Bei L1 und L2 seien schwerwiegende Beeinträchtigungen und Störungen der kindlichen Entwicklung festzustellen, die ursächlich auf das Verhalten der Kindeseltern zurückzuführen seien. So sei es etwa auch zu körperlichen Misshandlungen der Kinder gekommen; beispielsweise habe man L1s Hand aus "erzieherischen Gründen" in kochendes Wasser gesteckt; letzteres hätten beide Eltern ihr, der Sachverständigen, gegenüber einräumt - weshalb der Senat im Übrigen auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung hegt

Der Kindesvater sei immer wieder vor den Augen der Kinder in massive körperliche Auseinandersetzungen – auch mit der Kindesmutter - verwickelt; auch komme es zwischen den Eltern immer wieder zu intensiven verbalen Auseinandersetzungen.

Bei dem Kindesvater liege eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur vor, welche die Kognition, die Affektivität und die Impulskontrolle beeinträchtige und die Gefahr körperlicher und psychischer Misshandlungen der Kinder berge. Es bestehe bei ihm auch der Verdacht einer Internet- und Spielsucht. Der – mehrfach vorbestrafte - Kindesvater sei nicht in der Lage, die Belange seiner Familie zu ordnen und sich schützend für seine kleinen Kinder einzusetzen und sie vor ungünstigen Einflüssen Dritter – etwa des zwischenzeitlich bei ihm wohnenden, wegen Drogenkonsums und –handels sowie sonstiger Delikte polizeilich gesuchten älteren Sohnes L3 – zu schützen.

Bei der Kindesmutter sei eine dependente Persönlichkeitsstruktur und eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eigener Kindheitserlebnisse festzustellen. Aufgrund ihrer Belastungen sei sie nicht in der Lage, ihre Kinder sachgerecht zu fördern und zu erziehen.

L2 zeige – so die Sachverständige - eine reaktive Bindungsstörung im Kindesalter sowie eine schwere seelische Deprivation, letzteres als Folge einer Situation, in der dem Kind die Möglichkeit zur Befriedigung grundlegender psychischer Bedürfnisse nicht in ausreichender Quantiät und/oder Qualität zur Verfügung gestanden habe.

Bei L1 fanden sich aus Sicht der Sachverständigen angesichts der positiven Entwicklung, die das Kind seit der Inpflegenahme genommen habe, zwar keine Hinweise auf einen bestehenden Autismus, allerdings diagnostizierte sie eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit den Kindeseltern, wobei die Sachverständige auch sexuelle Missbrauchserfahrungen für sehr wahrscheinlich hält. Auch L1 leide zudem unter einer schweren seelischen Deprivation.

Mildere Mittel als die Herausnahme aller Kinder aus der Familie seien – so die Gutachterin - nicht denkbar; die über Jahre angestellten Versuche des Jugendamtes, die Situation der Kindeseltern durch ambulante Hilden zu stabilisieren, hätten eine Schädigung der Kinder nicht verhindern können.

Das Gutachten der Sachverständigen, die im Senatstermin das Ergebnis ihrer schriftlichen Ausführung nochmals bestätigt hat, ist in sich geschlossen und widerspruchsfrei. Die Gutachterin legt überzeugungskräftig und nachvollziehbar dar, dass es angesichts der massiven Schädigungen, die L1 und L2 im elterlichen Haushalt erlebt haben - bis hin zu einem bei L1 nach dem Gutachten nahe liegenden sexuellen Missbrauch, jedenfalls aber der körperlichen Misshandlung- , nicht verantwortet werden kann, L1 und L2 in den elterlichen Haushalt zurückzuführen bzw. die beiden jüngeren Kindern der gleichen Gefahr auszusetzen. Dem schließt sich der Senat uneingeschränkt an.

Es ist insbesondere aus Kindeswohlgesichtspunkten zu der Herausnahme der Kinder – und zwar aller vier Kinder – keine mildere Alternative ersichtlich.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit der der Verfahrenspflegerin, die in ihrem schriftlichen Bericht vom 20.10.09 sowie im Senatstermin eine Zurückweisung der Beschwerde der Kindeseltern befürwortet hat. Auch sie hält eine Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt aus Kindeswohlgesichtspunkten für ausgeschlossen. L1 und L2 hätten zwar in den letzten Monaten eine relativ gute Entwicklung gezeigt; allerdings sei die schwere Traumatisierung offensichtlich. Beide Kinder zeigten deutliche Verhaltensauffälligkeiten. L1 äußere sich in der letzten Zeit auch verstärkt zu Situationen und Ereignissen, die sich im elterlichen Haushalt als sehr belastend empfunden habe. L2 zeige in den letzten Monaten sehr aggressive Verhaltensweisen.

Auch der Vertreter des Jugendsamtes Ahlen, Herr C2, hat sich im Senatstermin deutlich für eine Bestätigung der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen. Die beiden älteren Kinder hätten sich nach dem Stand ihrer Möglichkeiten gut entwickelt. Es habe offensichtlich ein erheblichen Angstabbau stattgefunden; während L1 zu Anfang extreme Angst vor Wasser gehabt habe und geradezu panisch auf Versuche reagiert habe, sie im Intimbereich zu waschen - für das Jugendamt im Übrigen ein starker Verdacht auf Missbrauchserfahrungen des Kindes im Elternhaus – habe sich dies inzwischen deutlich reduziert. Von ihrer intellektuellen Ausstattung her müsse bei L1 allerdings von einer Lernbehinderung an der Grenze zur Intelligenzminderung ausgegangen werden. Nicht nur L1, sondern auch L2 zeigten deutliche Anzeichen von Mangelerfahrungen, was sich etwa an ihrem nahezu unkontrollierbaren Essverhalten zeige. Was die beiden jüngeren Kinder angehe, soentwickelten sich diese in ihren jeweiligen Pflegefamilien sehr positiv.

Für eine Zurückweisung der Beschwerde spricht aus der Sicht des Senates im Übrigen, dass die Kindeseltern im Beschwerdeverfahren nur ein geringes Interesse an ihren Kindern gezeigt haben. So sind sie – trotz ordnungsgemäßer Ladung und ohne jegliche Entschuldigung - dem Senatstermin ferngeblieben. Ihr Verfahrensbevollmächtigter hat hierzu im Termin erklärt, trotz verschiedener Versuche habe er zu seinen Mandanten keinen Kontakt herstellen können, da diese sich trotz entsprechender wiederholter Aufforderung bei ihm nicht zurückgemeldet hätten.

Hierzu passt aus der Sicht des Senates auch der Bericht des Vertreters des Jugendamtes im Senatstermin, wonach die Eltern von dem Angebot des Jugendamtes, regelmäßige Umgangskontakte mit L4 zu haben, bislang nur einmal Gebrauch gemacht hätten. Bei diesem Termin im Jugendamt hätten die Kindeseltern das Kind nicht einmal mit dem Namen angesprochen geschweige denn Fragen zum Kind gestellt. Auch im Hinblick auf die anderen Kinder seien die Beschwerdeführer bislang nur einmal auf die Möglichkeit eines Umgangskontaktes eingegangen. Die Kindeseltern hätten auch keinerlei Interesse gezeigt an der ihnen angebotenen Übersendung eines von der Einrichtung, in der L1 und L2 lebten, erstellten Kalenders mit verschiedenen Fotos und Bastelarbeiten der Kinder.

Schließlich haben die Beschwerdeführer es entgegen ihrer Ankündigung auch unterlassen, ein ärztliches Attest beizubringen, aus dem sich ihrem Beschwerdevortrag zufolge ergeben soll, dass aufgrund einer inzwischen (angeblich) begonnenen psychotherapeutische Behandlung nunmehr von der Erziehungsfähigkeit beider Beschwerdeführer auszugehen sei – angesichts der sich aus dem Gutachten ergebenden massiven Defizite beider Eltern erscheint es auch wenig realistisch, anzunehmen, durch eine psychotherapeutische Behandlung könnten diese – zumal in der Kürze der Zeit – behoben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13a FGG, 93 Abs. 3 S. 2 2. Halbsatz KostO.

Gegenstandswert der Beschwerde: 3.000 €.

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