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Steuerliche Anrechnung bei Haushaltsaufnahme von Pflegekindern
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Der Kl. hatte von Juni bis November 1997 S in Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). S, der in 1980 geboren ist, war dem Kl. durch das Jugendamt vermittelt worden. Der Kl. nahm S in seinen Haushalt auf. Ursprünglich sollte das Pflegeverhältnis hilfeplanerisch auf Dauer angelegt sein. Anlaß für die Einrichtung der Pllegestelle war, daß S straffällig geworden war und ihm im Rahmen des gegen ihn damals laufenden Jugend-strafverfahrens und der in diesem Zusammenhang verbüßten Untersuchungshaft nach der Hauptverhandlung vom Juni 1997 eine Zukunftsperspektive eröffnet werden sollte. Die damals verhängte Jugendstrafe setzte das AG zur Bewährung aus. Nachdem jedoch im Zusammenleben mit S in erhöhtem Maße Schwierigkeiten auftraten, wechselte S in eine betreute Wohnform einer Jugendhilfeeinrichtung. Die Pflegestelle hob das Jugendamt Mitte November 1997 auf.In der Zeit, in der der Kl. die Pflegestelle für S innehatte, erhielt er vom Jugendamt ein Pflegegeld i. H. v. monatlich 1673 DM. Nach seinem Vortrag leistete der Kl. zusätzlich einen Kostenbeiltrag von monatlich rd. 150 DM bis 200 DM für S.Aus den Gründen:Die Klage ist begründet.Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Als Kinder im Sinne dieser Vorschrift werden berücksichtigt die Kinder i. S. des § 32 Abs. 1 EStG (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Dazu gehören nach § 32 Abs. l Nr. 2 EStG Pflegekinder.Pflegekinder sind nach der gesetzlichen Definition des § 32 Abs. l Nr. 2 EStG Personen, mit denen der Stpfl. durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Stpfl. sie mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.Unstreitig besteht zwischen S und seinen leiblichen Eltern kein Obhuts- und Pflegeverhältnis i. S. von § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Entgegen der Auffassung des Bekl. liegen aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Streitfall vor.Ein familienähnliches Band, wie es das Gesetz fordert, bedeutet, daß eine familienähnliche Personensorge, d. h. körperliche Versorgung und Erziehung gewährt wird (Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 32 Rdnr. 27 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 20. Januar 1995 III R 14/94, BFHE 177, 359, BStBl II 1995,582).Im Streitfall hat der Kl dem S eine familienähnliche Personensorge zukommen lassen. Das ergibt sich schon daraus, dass ihm vom Jugendamt die Personensorge nach § 38 Abs. l KJHG übertragen worden ist. D. h. der Kl. war nach § 38 KJHG im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach § 33 KJHG berechtigt, S in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten. Er hat ihn auch tatsächlich, was auch vom Bekl. nicht bestritten wird, betreut.Es liegt auch das Tatbestandsmerkmal eines auf längere Dauer berechneten familienähnlichen Bandes vor. Auf Dauer berechnet sind die Beziehungen dann, wenn sie von vorne herein zeitlich darauf angelegt sind, familienähnliche Bande zwischen den Pflegeeltern und den Pflegekindern entstehen zu lassen (Schmidt, a. n. 0., § 32 Rdnr. 32). Dabei ist entscheidend, daß aus der Sicht der Pflegeeltern (hier des Pflegevaters) die Beziehungen auf Dauer angelegt sind: das bedeutet, daß die Absicht der Pflegeeltern entscheidend ist (BFH, BFHE 177, 359, BStB; II 1995, 582). Absicht des Kl. war, was auch die Bescheinigungen des Jugendamts bestätigen, die Pflege von S auf nicht absehbare Zeit, nämlich bis zu seiner Verselbständigung, zu übernehmen.Daß sich im Streitfall die Erwartungen des Kl. nicht erfüllt haben, schadet nicht. Es kann für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „auf längere Dauer berechnet" nicht darauf ankommen, wie die Prognose für das Pflegekind zum Zeitpunkt der Übertragung der Pflege für das Kind lautet. Auch bei einer - wie im Streitfall möglicherweise - schlechten Prognose für die Schaffung eines familienähnlichen, auf längere Dauer berechneten Bandes zwischen Kl. und S kommt es allein auf die Absicht des Kl. an.Ob die Auffassung des Bekl., daß es bei einem siebzehnjährigen, d. h. bei einem fast volljährigen Kind, unwahrscheinlich sei, daß noch familienähnliche Beziehungen zu Pflegeeltern entstünden, zutreffend ist, kann im Streitfall offenbleiben. Aus der gesetzlichen Regelung ist nicht zu entnehmen, daß eine altersmäßige Begrenzung für die Berücksichtigung von Pflegekindern vorliegt (vgl. ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 11. März 1992 VIII (II) 56/90, EFG 1992, 464). Dann muß aber auch angenommen werden, daß der Gesetzgeber - unabhängig vom Alter des Kindes - das Entstehen familienähnlicher Beziehungen grundsätzlich für möglich hält. In den Fällen, in denen - wie im Streitfall - das Pflegekind zwar kurz vor der Volljährigkeit steht, aber wegen eines bis dahin fehlenden Schulabschlusses und einer fehlenden Ausbildung noch der Personensorge über einen längeren Zeitraum bedarf, hält der Senat das Entstehen familienähnlicher Beziehungen jedenfalls für nicht ausgeschlossen.Soweit der Bekl. der Auffassung ist, daß der zwischen dem Kl. und dem Pflegekind bestehende Altersunterschied gegen die Annahme eines familienähnlichen Bandes spricht, folgt dem der Senat ebenfalls nicht. Der Kl. war zum Zeitpunkt der Übertragung der Pflege für S durch das Jugendamt 32 Jahre alt, S 17 Jahre all. Bei der Entscheidung hat der Senat berücksichtigt, daß S nach der Mitteilung des Jugendamts „ein besonders entwicklungsverzögerter junger Mensch ist, der noch in erheblichem Umfang der erzieherischen Einflußnahme und Beaufsichtigung durch die Pflegefamilie bedarf". Das bedeutet, daß für die Feststellung des Altersunterschieds nicht allein auf die Anzahl der tatsächlichen Jahre abgestellt werden kann, die zwischen dem Kl. und S liegen. Der Altersunterschied ist nach Auffassung des Senats jedenfalls dann ausreichend, wenn das Jugendamt die Personenfürsorge überträgt und damit den Altersunterschied für ausreichend erachtet.Der Kl. hat, was unstreitig ist, das Kind in seinem Haushalt aufgenommen.Der Kl. hat das Kind auch nicht unwesentlich auf seine Kosten unterhalten.Pflegegeld, das den Pflegegeldsatz des zuständigen Jugendamtes nicht übersteigt, bleibt als eigene Mittel der Pflegeeltern außer Betracht (Schmidt, a. a. 0., § 32 Rdnr. 25, ebenso Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem 10. Abschnitt des EStG vom 9. April 1997 - DA 63.2.2.5 Abs. l).Nach der Rspr. des BFH kann im Regelfall von einem nicht unwesentlichen Beitrag zum Kindesunterhalt i. S. des § 32 Abs. l Nr. 2 EStG ausgegangen werden, wenn das Kind im Haushalt des Stpfl. lebt und von diesem zumindest teilweise betreut wird (BFH-Urteil vom 12. Juni 1991 III R 108/89, BFHE 165, 201, BStBl II 1992, 20). Etwas anderes gut nur dann, wenn die Pflegeeltern für die Unterbringung und Betreuung nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entlohnt werden (BFH-Urteil BFHE 165, 201. BStBl II 1992, 20). Im Streitfall bestehen hierfür jedoch keine An-haltspunkte. Der Kl. erhält vom Jugendamt Pflegegeld für eine sozialpädagogische Pflegefamilie i. H. v. monatlich 1673 DM. Auch soweit es sich um ein erhöhtes Pflegegeld handelt, liegt nach Auffassung des Senats keine Entlohnung nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten vor.Bei der Beurteilung der Frage, wann ein Unterhaltsbeitrag in nicht unwesentlicher Höhe erbracht wird, ist nach Auffassung des Senats auch nicht nur darauf abzustellen, in wieweit der Stpfl. tatsächlich Kosten trägt, die über das vom Jugendamt gezahlte Pflegegeld hinausgehen. Denn nach der Lebenserfahrung werden bei einer Haushaltsaufnahme im Regelfall auch Sachleistungen und Zeit investiert, die für sich schon allein genommen i. d. R. einen nicht unwesentlichen Unterhaltsbeitrag i. S. von § 32 Abs. l Nr. 2 EStG darstellen und durch die gerade ein Eltem-Kind-Verhältnis geprägt ist. Soweit das Schleswig-Holsteinische FG in seinem Urteil vom 27. April 1994 II 364/93 (EFG 1994, 752) einen anderen Ansatz vertritt, folgt dem der Senat nicht.
Bezüge:
EStG§§63
64