Sie sind hier

16.10.2018
Gerichtsbeschluss erklärt
vom: 
27.09.2018

Voraussetzungen der Eingliederungshilfe

Beschluss des OLG Lüneburg vom September 2018 zu den besonderen Voraussetzungen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35 a in Form einer Schulbegleitung.

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf Eingliederungshilfe beim Jugendamt gestellt. Das Jugendamt hatte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Juli 2018 abgelehnt. Daraufhin ging der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht in Beschwerde. Das Verwaltungsgericht erkannte den Bescheid des Jugendamtes als richtig an. Nachdem sich auch das Oberverwaltungsgericht mit der nun folgenden Beschwerde beschäftigt hatte, wies es die Forderungen des Antragstellers zurück.

Das OVG erläutert in seinem Beschluss besonders die Voraussetzungen, die nötig sind, um Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zu gewähren:

Erste Voraussetzung:

Die erste Voraussetzung für die Gewährung dieser Eingliederungshilfe ist die Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit und dass die Teilhabe des Kindes am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Das Vorliegen dieser Voraussetzung haben die Fachkräfte des Jugendamts selbst zu prüfen und festzustellen.

Im Beschluss wird die Aufgabe des Jugendamtes dazu ausführlich erläutert:

Sie haben also aufgrund ihrer umfassenden Kenntnis des sozialen Umfelds des betroffenen Kindes oder Jugendlichen und ihres sozialpädagogischen und gegebenenfalls psychologischen Sachverstands zu beurteilen, wie sich die Funktionsbeeinträchtigung im Hinblick auf die Teilhabe des Kindes oder Jugendlichen am Leben in der Gesellschaft auswirkt, ohne dass insoweit eine fachärztliche oder psychotherapeutische Stellungnahme erforderlich ist.

Auch die weitere nach § 35a Abs. 2 SGB VIII zu treffende Entscheidung, ob eine bestimmte Hilfe zur Deckung des Bedarfs im Einzelfall geeignet und erforderlich ist, ist vom Jugendamt in der Regel allein aufgrund seiner eigenen Fachkompetenz und im Rahmen des mit allen Beteiligten durchzuführenden Hilfeplanverfahrens gemäß § 36 Abs. 2 SGB VIII zu treffen, ohne dass insoweit eine fachärztliche oder psychotherapeutische Stellungnahme notwendig ist.

Einschränkend dazu meint das Gericht:

Allerdings kann der nach § 35a Abs. 1a SGB VIII zur Feststellung der Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit einzuholenden fachärztlichen Stellungnahme auch für die Beurteilung dieser Fragen eine sowohl vom Jugendamt als auch vom Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigende beachtliche Aussagekraft zukommen.

Die zweite Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII beschriebt das Gericht deutlich:

Sie liegt nur vor, wenn die festgestellte seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Kindes oder Jugendlichen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Bloße Schulprobleme und Schulängste, die andere Kinder teilen, reichen nicht für die Annahme einer behinderungsrelevanten seelischen Störung. Eine solche ist aber bei einer auf Schulversagensängsten beruhenden Schulphobie, einer totalen Schul- und Lernverweigerung oder einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt und der Vereinzelung in der Schule zu bejahen.

Das Gericht hat die Beschwerde des Antragsstellers als nicht begründet angesehen. da dieser das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten der Schulbegleitung nicht glaubhaft gemacht hat. Dabei bezog sich das Gericht im Wesentlichen darauf, dass die hier eine Beeinträchtigung der Teilhabe des Kindes am Leben in der Gesellschaft nicht vorliegen würde.

Das könnte Sie auch interessieren

Gutachten

Betreuung von Kindern mit Behinderungen in Pflegefamilien

Gutachten des Deutschen Vereins vom 2. Okt. 2013 zur Bedeutung und zu einzelnen Rechtsfragen zu § 54 Abs. 3 SGB XII und § 10 Absatz 4 SGB VIII
Gutachten

Das Recht auf Regelschule für behinderte Kinder

Behinderte Kinder haben ab sofort das Recht, gemeinsam mit nicht behinderten Kindern eine allgemeine Schule zu besuchen. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) würde dieser Anspruch für das einzelne Kind unabhängig von anders lautenden Schulgesetzen gelten.
Fachartikel

von:

Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche gemäß § 35a SGB VIII

Was sind seelische Behinderungen und wie kann im Rahmen des § 35a SGTB VIII Anspruch verwirklicht werden.
Gutachten

von:

Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII für Kleinkinder

Der Deutsche Verein hat ein Gutachten zu der Frage erstellt, ob es ein generelles Mindestalter für den Anspruch auf den § 35a SGB 8 (seelische Behinderung) gibt.
Stellungnahme

Inklusion mit Augenmaß

Die Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin fordert mehr Teilhabe für Kinder mit hohem Betreuungsbedarf. „Inklusion ist möglich.“ Politische Absichtserklärungen allein reichen aber längst nicht mehr aus. So fehlen derzeit ausreichende Mittel zur barrierefreien Gestaltung von Räumen und vor allem ausreichend qualifiziertes Personal.
Arbeitspapier

Das Jugendamt als Rehabilitationsträger

Das Landesjugendamt Niedersachsen hat die im Jahr 2012 entwickelte Handreichung zum § 35a SGB VIII auf die neuen Rechtslagen des SGB VIII und des BTHG angepasst. Ziel der Handreichung ist auch dieses Mal, die Weiterentwicklung der Planungsprozesse und die Klarheit im Verwaltungsverfahren in der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII herauszuarbeiten.
Empfehlung

von:

Wirkung und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe

Anfang Dezember hat der Deutsche Verein seine "Eckpunkte für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu Wirkung und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe" herausgegeben. Mit den Eckpunkten möchte der Deutsche Verein Impulse in die aktuelle fachliche Debatte um die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Bereich der Eingliederungshilfe einbringen, damit ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden kann.
Nachricht aus Hochschule und Forschung

Forschungsbericht zum Persönlichen Budget

Ein Bericht über die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets im Rahmen der Sozialhilfe und Kinder- und Jugendhilfe (§ 35a SGB VIII)
Arbeitspapier

Umgang mit chronisch kranken Kindern in der Schule, Verabreichung von Medikamenten und Erste Hilfe durch Lehrkräfte

Das Ministerium für Bildung im Saarland hat ein Papier veröffenltich, welches als Handlungsempfehlung und Hilfestellung im schulischen Alltag dienen soll.
Gutachten

Ansprüche auf Eingliederungshilfe SGB XII oder Hilfe zur Erziehung nach SGB VIII

Der Deutsche Verein hat ein Gutachten zur Vorrangigkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber den Leistungen der Hilfe zur Erziehung für die Betreuung von körperlich und/oder geistig behinderten Kindern in einer Pflegefamilie erarbeitet.