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25.02.2020
Gerichtsbeschluss erklärt
vom: 
18.12.2019

Beschwerderecht von Pflegeeltern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Urteil das Beschwerderecht von Pflegeeltern abgelehnt und dies ausführlich begründet. Darüber hinaus ging es in diesem Verfahren auch um die Beschwerdemöglichkeit ehemaliger Pflegeeltern z.B. in Fragen der Bestellung eines Ergänzungspflegers.

Nachdem im September 2009 der leiblichen Mutter des Kindes Teile des Sorgerechts entzogen und das Jugendamt als Ergänzungspfleger benennt wurde, kam das Kind im Oktober 2009 zu den Pflegeeltern. Im September 2015 beantragten die Pflegeeltern die Übertragung der Teile des Sorgerechts auf sie. Im Januar 2016 wurde das Kind vom Jugendamt aus der Pflegefamilie herausgenommen, in eine Bereitschaftspflege gegeben und im Mai 2026 in eine Wohngruppe vermittelt. Die Pflegeeltern wollten eine Rückführung des Kindes zu ihnen. Aufgrund eines dafür entstandenen Sachverständigengutachtens einigten sich alle Beteiligten darauf, das Kind in der Wohngruppe zu belassen und den ehemaligen Pflegeeltern Besuchskontakte zu ermöglichen. 

Die Pflegeeltern haben sodann das in jenem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen und die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt, in dem ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt worden ist. Durch die Unterbringung in einer Wohngruppe war ein anderes Jugendamt zuständig, welches nun zum Ergängzungspfler bestellt wurde. Das Amtsgericht wies die Beschwerde der ehemaligen Pflegeeltern zurück. Das Oberlandesgericht hat ihre Beschwerden mangels Beschwerdebefugnis verworfen. Dagegen richten sich deren zugelassene Rechtsbeschwerden.

Der BGH erklärte die Rechtsbeschwerden für erfolglos - sie seien zwar zulässig, aber unbegründet. Das Oberlandesgericht habe die Erstbeschwerden zu Recht mangels Beschwerdebefugnis der ehemaligen Pflegeeltern verworfen. 

Folgende Begründungen des OLG wurden vom BGH übernommen:

Eine Beschwerbefugnis für ehemalige Pflegeeltern ergibt sich nicht, weil es an einer Rechtsbeeinträchtigung fehle. Aus einem berechtigten Interesse lasse sich nicht auf ein rechtliches Interesse schließen. 

Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft sei als Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Pflegeeltern fielen zudem in den Schutzbereich des Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zwischen ihnen und dem Kind eine familienähnliche Beziehung bestehe. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG sei allerdings bei einem Auseinanderfallen von Entscheidungszuständigkeit und persönlicher Bindung noch nicht verletzt, weil hierfür eine unmittelbare Rechtsverletzung erforderlich sei. Auch eine verfassungskonforme Auslegung, die etwa zu einer Beschwerdeberechtigung der Pflegeltern führen könne, sei nicht geboten, zumal die Interessen des Kindes durch den bestellten Verfahrensbeistand gewahrt würden.

Begründung und weitere Erläuterungen des Bundesgerichtshofes (Auszüge):

b) Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Pflegeeltern nicht berechtigt, Beschwerde gegen eine die elterliche Sorge für das Pflegekind betreffende Entscheidung des Familiengerichts einzulegen.

Wie der Senat bereits entschieden hat, genügt selbst das Recht der Großeltern auf Beachtung ihrer nahen Verwandtenstellung bei der Auswahl des Vormunds grundsätzlich nicht, um die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG zu begründen.Weil dies auch für den Fall einer bestehenden sozialfamiliären Beziehung zwischen Großeltern und Kind gilt, kann es sich für Pflegeeltern, die als solche im Unterschied zu Großeltern nicht mit dem Kind verwandt sind, nicht anders verhalten. 

Im Übrigen lässt sich die Annahme eines subjektiven Rechts auf Berücksichtigung bei der Vormundauswahl durch das Bundesverfassungsgericht schon deshalb nicht auf Pflegeltern übertragen, weil hierfür neben der familiären Beziehung ein nahes Verwandtschaftsverhältnis bestehen muss.

bb) Zwar kann die Beziehung zwischen Pflegeeltern und Kind sowohl unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG wie auch unter den Schutz des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen. Dieser Schutz gründet sich indessen jeweils auf die gelebte soziale Familie und kann daher nur deren (Fort-)Bestand gewährleisten. Dem wird bereits durch die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des faktischen Familienlebens als Bestandsschutz im Wege der Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB hinreichend Rechnung getragen. Die mit der - rechtlichen - Pflegerbestellung von den ehemaligen Pflegeeltern erstrebte Einräumung sorgerechtlicher Befugnisse würde hingegen über die Rechte einer fortbestehenden, aus Pflegeeltern und Kindern bestehenden sozialen Familie hinausgehen und ließe sich allein aus dem sozialen Familienleben folglich nicht mehr rechtfertigen 

Zum besseren Verständnis werden nachfolgend alle im Urteil aufgeführten Artikel und Paragraphen aufgeführt 

Art. 8 EMRK (Europäische Menschenrechts-Konvention) - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Art 6

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Art 19

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

§ 59 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) - Beschwerdeberechtigte

Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

§ 303 FamFG - Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1. die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,

2. Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1. dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie

2. einer Person seines Vertrauens zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

§ 1887 BGB Entlassung des Jugendamts oder Vereins

(1) Das Familiengericht hat das Jugendamt oder den Verein als Vormund zu entlassen und einen anderen Vormund zu bestellen, wenn dies dem Wohl des Mündels dient und eine andere als Vormund geeignete Person vorhanden ist.

(2) Die Entscheidung ergeht von Amts wegen oder auf Antrag. Zum Antrag ist berechtigt der Mündel, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, sowie jeder, der ein berechtigtes Interesse des Mündels geltend macht. Das Jugendamt oder der Verein sollen den Antrag stellen, sobald sie erfahren, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

(3) Das Familiengericht soll vor seiner Entscheidung auch das Jugendamt oder den Verein hören.

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