Sie sind hier
Anteil der Erziehungskosten im Pflegegeld ist kein Einkommen der Pflegeeltern
Das Urteil des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg besagt, dass eine Krankenkasse für den Anteil der Erziehungskosten innerhalb des Pflegegeldes § 39 SGB VIII keine Beiträge einfordern kann.
In dem Urteil heißt es als Begründung:
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das an die Klägerin gezahlte Erziehungsgeld nicht als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen. Nach § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung für die Beitragsbemessung heranzuziehen. Eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt.
Danach kommt es für die Beitragspflicht nicht darauf an, ob die in Frage stehende Leistung mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vergleichbar ist und auch nicht darauf, ob mit ihr weitere Zwecke verfolgt werden. Voraussetzung für die Beitragspflicht ist aber, dass die Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Dafür reicht nicht aus, dass eine Geldleistung tatsächlich auch zur Finanzierung des Lebensunterhaltes verwandt werden kann. Das ist nämlich bei allen Geldleistungen der Fall. Zu unterscheiden ist zwischen Leistungen, die zumindest auch dem allgemeinen Lebensbedarf zu dienen bestimmt sind und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Letztere sind für die Beitragsbemessung nicht heranzuziehen.
Die Abgrenzung erfordert eine wertende Entscheidung über das Bestehen einer besonderen Zweckbestimmung von öffentlichen Leistungen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die in Frage stehende Leistung die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zahlungsempfängers günstig beeinflusst (vgl. zum Ganzen BSG v. 3. Juli 2013 – B 12 KR 27/12 R – juris Rn 17/18; LSG Baden-Württemberg v. 26. Januar 2016 – L 11 KR 888/15 – juris Rn 29 mit weit. Nachw.).
Der Senat ist der Überzeugung, dass die der Klägerin vom Jugendamt gewährten Leistungen nicht zur Finanzierung ihres allgemeinen Lebensbedarfes bestimmt sind. Sie haben auch nicht den Nebenzweck, ihre allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern. Rechtsgrundlage für die Leistungen ist § 39 SGB VIII iVm den dazu ergangenen Ausführungsvorschriften der Berliner Senatsverwaltung über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) v. 21. Juni 2004. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Leistungen die Kosten der Erziehung abdecken sollen.
Nach der Konzeption des Gesetzes ist Leistungsberechtigter das Kind bzw. dessen Personensorgeberechtigter, nicht aber die Pflegeperson. Das spricht dagegen, dass diese Leistungen den Zweck haben, das Einkommen der Pflegeperson zu mehren (BSG v. 29. März 2007 – B 7b AS 12/06 R; LSG Berlin-Brandenburg v. 7. September 2007 – L 24 KR 173/09 B ER). Nach den Gesetzesmaterialien soll mit diesen Leistungen ein Anreiz gesetzt werden, um die Bereitschaft zur Betreuung zur Pflegekinder zu stärken (BR-Drucks 503/89, S. 73). Danach ist die Anreizfunktion der eigentliche Zweck der Leistung und nicht die Sicherung des Lebensunterhaltes. Ein dadurch bewirkter finanzieller Vorteil bei der Pflegeperson ist bloße Nebenfolge.
Dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck würde es widersprechen, wenn der Anreiz gerade für freiwillig Versicherte dadurch gemindert wird, dass eine Berücksichtigung als Einnahme bei der Beitragsbemessung erfolgt. Im Übrigen ist das Erziehungsgeld auch im Rahmen des SGB II und des SGB XII von der Berücksichtigung als Einnahmen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (v. Koppenfels-Spiess in jurisPK SGB VIII, § 39 Rn 42, 43). Ersteres gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – nicht mehr als zwei Pflegekinder betreut werden. Deswegen spricht der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung dafür, von einer Anrechnung auch im Rahmen der beitragspflichtigen Einnahmen abzusehen. Dazu verweist der Senat auf § 3 Abs. 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, wonach eine Berücksichtigung als beitragspflichtige Einnahme zu unterbleiben hat, wenn eine Leistung wegen ihrer besonderen Zwecksetzung bei der Gewährung von sonstigen einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen berücksichtigt wird. Da die Vorschrift der Klarstellung dient, ist unerheblich, dass sie erst seit der 5. Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. November 2013 in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler zu finden ist.
Urteil des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg - AZ L 1 KR 140/14 vom 11.03.2016