Sie sind hier

31.01.2005
Gerichtsbeschluss
vom: 
12.02.2004

Amtspflichten kommunaler Adoptionsvermittlungsstellen

Grundsätzlich bestehen Aufklärungs- und Beratungspflichten der Adoptionsvermittlungsstellen gegenüber Adoptionsbewerbern. Entscheidend ist für den Umgang der Ermittlungspflichten, dass eine Untersuchung durch einen Facharzt erforderlichenfalls auch eine stationäre Beobachtung zu veranlassen sind, wenn sich Erziehungsschwierigkeiten, Krankheitsverdacht und unklare Anomalien des Kindes ergeben (hier verneint)

Zum Sachverhalt:

Der Kläger verlangt im Wege der Amtshaftung Erstattung der von ihm und seiner Ehefrau für den Unterhalt des Kindes M. aufgewandten und noch aufzuwendenden Kosten.
Er meint u.a., der Beklagte habe es pflichtwidrig versäumt, vor der Adoptionsvermittlung über frühkindliche Erfahrungen und Lebensbedingungen des Kindes bei seinen leiblichen Eltern aufzuklären. Tatsächlich sei das Kind in erheblichem Maße in der Herkunftsfamilie vernachlässigt worden. Diese frühkindlichen Schädigungen hätten mittlerweile zu erheblichen Verhaltensstörungen des Kindes im familiären und schulischen Bereich geführt. Wäre eine solche Aufklärung erfolgt, hätten er und seine Ehefrau von der Adoption Abstand genommen und M. weiterhin als Pflegekind betreut. Frühkindlich vernachlässigte Kinder seien generell nicht zur Entwicklung eines normalen Eltern-Kind-Verhältnisses in der Lage und deshalb für eine Adoption ungeeignet. Der Beklagte ist u.a. der Auffassung, aufgrund der seinen Mitarbeitern zugänglichen Erkenntnisquellen habe es keinerlei Anhaltspunkte für eine spätere negative Entwicklung des Kindes gegeben. Da sich das zunächst problematische Kind im übrigen schon vier Jahre in der Familie des Klägers befunden und sich dort nach anfänglichen Schwierigkeiten gut entwickelt habe, sei kein Grund zu vertieften Nachforschungen ersichtlich gewesen. Insbesondere habe es keine Notwendigkeit einer kinderpsychologischen Untersuchung gegeben.
Die Klage hat weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg.

Aus den Gründen:

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch ... aus § 839 BGB i.V. mit Art 34 GG als der allein Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

I. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht bereits eine objektive Verletzung der den Mitarbeitern des beklagten Kreises obliegenden Amtspflicht verneint.

1. Grundsätzlich bestehen zwar Aufklärungs- und Beratungspflichten der Adoptionsvermittlungsstellen gegenüber Adoptionsbewerbern. Dies hat der Senat im Urteil vom 15.Juli 1992 - II U 52/92 - (VersR 1994, 677), das den Parteien bekannt ist, bereits entschieden; daran ist auch weiterhin festzuhalten. Entscheidend ist danach für den Umfang der Ermittlungspflichten, dass eine Untersuchung durch einen Facharzt, erforderlichenfalls auch eine stationäre Beobachtung zu veranlassen sind, wenn sich Erziehungsschwierigkeiten, Krankheitsverdacht oder unklare Anomalien des Kindes ergeben.

2. Der für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Amtspflichtverletzung darlegungspflichtige Kläger trägt für solche Anhaltspunkte, die intensiven Ermittlungen des Jugendamtes des beklagten Kreises hätten auslösen müssen, nicht ausreichend vor.Der Kläger räumt selbst ein, dass sich im Zeitpunkt der Vorbereitung der Adoption das zunächst problematische und auch auffällige Verhalten des Kindes erheblich verbessert hatte. Selbst wenn dem Jugendamt, wofür konkrete Anhaltspunkte jedoch gar nicht gekannt werden, eine erhebliche Vernachlässigung der Kinder der Familien H. durch deren leibliche Eltern bekannt war, so bestand bei der Vorbereitung der Adption im Jahre 1992 allseits der Eindruck, M. habe sich davon erholt. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die jetzigen psychischen Beeinträchtigungen M's auf frühkindlichen Entwicklungsstörungen beruhen oder aber ob dem Jugendamt - ohnehin wohl das Jugendamt der Stadt L. und nicht das des beklagten Kreises - solche Störungen aus der Zeit vor der Aufnahme des Kindes in die Familie des Klägers bekannt waren, weil sich daraus allein jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum 1992 nicht die Hinweise ergeben mussten, die eine eingehende ärztliche oder psychologische Untersuchung M.'s erforderlich gemacht hätten.

3. Der Senat sieht keine Veranlassung, dem Beklagten die Vorlage seiner Jugendamtsakten aufzugeben. Für einen Vorlegeanspruch des Klägers nach § 422 ZPO (materiell-rechtliche Gründe) ist nichts vorgetragen. Ein prozessualer Vorlegungsanspruch aus § 423 ZPO besteht ebenfalls nicht, denn der Beklagte selbst beruft sich auf diese Unterlagen nicht. Der Senat hat auch von der nach Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes zum 1.1.2002 bestehenden Möglichkeit, die Aktenvorlage nach § 142 I ZPO anzuordnen, keinen Gebrauch gemacht. Der Klägervortrag lässt nämlich jegliche Hinweise darauf vermissen, über welche aktenkundig gewordenen Kenntnisse die Mitarbeiter des Beklagten 1992 verfügt haben könnten. Angesichts der zur Vorziffer dargestellten erheblichen Besserungen im Verhalten des Kindes spricht nichts für das Vorhandensein solcher Hinweise, die die ernsthafte Gefahr eines Rückfalls in möglicherweise früher vorhandene Verhaltsensauffälligkeitenb hätten begründen können. Der Senat hat deshalb von einer Beiziehung, die dem Kläger eine Ausforschung ermöglichen sollte, im Hinblick auf die durch eine solche Maßnahmen auch betroffenen Persönlichkeitsrechte des inzwischen 17 Jahre alten Kindes M. abgesehen.

4. Schließlich kann auch auf die weitergehende Behauptung des Klägers, frühkindlich vernachlässigte Kinder seinen generell adoptionsungeeignet, eine Amtspflichtsverletzung nicht gestützt werden. Der Senat hat zu dieser Frage das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. K. eingeholt. Die Gutachterin hat nach eingehender Exploration des Klägers und seiner Ehefrau zur bisherigen Entwicklung M. festgestellt, dass für die Mitarbeiter des Beklagten allein aufgrund der frühkindlichen Erfahrungen, die M. in seiner Herkunftsfamilie gemacht hat, nicht absehbar war, dass sich die vom Kläger behaupteten erheblichen Verhaltensstörungen im Verlauf der weiteren Entwicklung ergeben würden. Dem folgt der Senat. Soweit der Kläger meint, bei einer eingehenden Untersuchung dere Sachverständigen über die Zustände in M's Herkunftsfamilie anhand der Jugendamtsakten hätten sich ein solcher Kausalverlauf verifizieren lassen, bedarf dies keiner weiteren Aufklärung. Für die Frage, zu welchen Maßnahmen die Mitarbeiter des Beklagten verpflichtet waren, ist nämlich nicht der tatsächliche Kausalverlauf, sollte er überhaupt aufklärbar sein, entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr nur, ob die Bediensteten des Beklagten allein aufgrund des unstreitig ihnen bekannten Umstandes, dass die Eheleute H. ihre Kinder so erheblich vernachlässigt hatten, dass die elterliche Sorge auf einen Vormund übertragen und die Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden mussten, davon auszugehen hatten, dass dies die Kinder für eine Adoption und die damit angestrebte Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu ihren Adoptiveltern ungeeignet macht.Das hat die Sachverständige aber gerade überzeugend verneint und darauf hingewiesen, das aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Verhalten und Merkmalen des Kindes einerseits und seiner Umwelt andererseits gerade nicht von einem monokausalen,linearen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Vernachlässigung und späteren auffälligen Verhalten ausgegangen werden kann. In dieses Bild passt es, wenn die Sachverständige im Rahmen ihrer Exploration festgestellt hat, dass die Entwicklung M.'s nicht gleichförmig verlaufen ist. Vielmehr haben sich anfänglich vorhandene Probleme während der Zeit, als M. als Pflegekind im Haushalt des Klägers lebte, zunächst wesentlich gebessert. Eine Verschlechterung war auch aus der Sicht der Ehefrau des Klägers im Zusammenhang mit einem Schulwechsel und dem Zusammentreffen mit Lehrern, die M. gegenüber weniger verständnisvoll reagierten verbunden. Der Beginn der Pubertät brachte weitere Probleme; zwischenzeitlich hat sich nach Angaben des Klägers und seiner Ehefrau M's Verhalten wieder etwas gebessert, so dass sie ihn auch wieder in ihren Haushalt aufgenommen haben. All dies spricht gegen eine Zwangsläufigkeit der Entwicklung vernachlässigter Kinder, so dass auch wegen dieses Umstandes die Bediensteten der Beklagten keiner Veranlasssung zu weitergehender Untersuchungen oder Hinweise vor der Adoption hatten.

Bezüge:

§ 839 BGB
Art 34 GG
§ 142 I ZPO
§ 422 ZPO
§ 423 ZPO