Sie sind hier

20.05.2015
Gerichtsbeschluss
vom: 
22.07.2014

Alterssicherung von Pflegepersonen zur gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 39 SGB VIII

Da beide Kläger als Pflegeperson im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII anzusehen sind, hat dies zur Folge, dass auch beiden die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung zusteht.

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juli 2013 verpflichtet, folgende weitere - über die bereits bewilligten Erstattungen hinausgehende - Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung zu erstatten:

1.

An den Kläger zu 1. einen weiteren Zuschuss zur Alterssicherung in Höhe des hälftigen Mindestbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 13. Februar 2014 für das Pflegekind K. K1. .

2.

An die Klägerin zu 2. jeweils für die Pflegekinder K2. K3. und K. K1. Zuschüsse in Höhe des hälftigen Mindestbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 13. Februar 2014.

3.

An die Klägerin zu 2. ab dem 14. Februar 2014 bis auf weiteres jeweils den einfachen Betrag des hälftigen Mindestbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung für das Pflegekind K. K1. .

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung als Pflegepersonen der bei ihnen untergebrachten Jugendlichen.

Die Eheleute E. betreuen seit Jahren die Pflegekinder K2. K3. , geboren am 00.00.1996, und K. K1. , geboren am 00.00.1998. K2. K3. lebt seit dem 29. September 1996 bei den Klägern. Wegen erhöhten Aufwandes wurde das Pflegeverhältnis ab dem 16. November 2009 auf eine sozialpädagogische Pflegestelle umgestellt. K. K1. lebt seit dem 15. Februar 1999 in der Pflegefamilie. Auch dieses Pflegeverhältnis wurde mit Bescheid vom 12. April 2002. als sozialpädagogische Pflegestelle anerkannt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 10. Oktober 2007 wurden die Kläger zu Vormündern für beide Pflegekinder bestellt.

Am 9. Februar 2007 beantragte der Kläger zu 1. unter anderem die Übernahme der hälftigen Kosten seiner Altersvorsorge in Form einer fondgebundenen Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung (RentiTop 60 Plus) der Kosmos Direkt. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass sich die Kläger als Pflegeeltern die Kinderversorgung und die Hausarbeit teilen und deshalb nur zu jeweils 50 Prozent arbeiteten.

Mit Bescheid vom 13. April 2007 gewährte der Beklagte dem Kläger zu 1. einen Zuschuss zur Altersvorsorge in Form des nachgewiesenen Vertrages in Höhe von 25,00 Euro monatlich, der mit dem Pflegegeld für K2. K3. ausgezahlt wurde. Nach Erhöhung des Vertrages erhielt der Kläger rückwirkend ab dem 1. Dezember 2007 einen Zuschuss zur Altersvorsorge in Höhe von 39,80 Euro.

Mit Schreiben vom 7. August 2012 wies der Kläger zu 1. darauf hin, Herr Prof. Wiesner vertrete in seinem Kommentar "SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe" die Meinung, dass der Zuschuss zur Alterssicherung sich jeweils auf ein Kind beziehe, also kindbezogen zu berücksichtigen sei.

Am 12. Oktober 2012 beantragte der Kläger zu 1., ihm rückwirkend ab dem 1. November 2010 einen höheren Zuschuss zu den Aufwendungen für seine Altersvorsorge zu bewilligen. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er Sozialpädagoge sei, Kinder nach § 33 Satz 2 SGB VIII erziehe und deshalb Anspruch auf einen erhöhten Zuschuss von mindestens 1,5, also 60,- Euro monatlich habe. Beigefügt war ein Nachtrag zum Versicherungsschein der Kosmos Direkt, wonach der Kläger zu 1. ab dem 1. November 2010 monatlich einen Eigenbetrag von 160,- Euro in eine fondgebundene Riester-Rente einzahlt.

Am 13. Oktober 2012 beantragte die Klägerin zu 2., ihr ebenfalls bezogen auf jedes Kind rückwirkend ab dem 1. November 2010 einen angemessenen Zuschuss zur Altersvorsorge zu gewähren. Sie spare im Rahmen eines mit der Volksbank Gronau-Ahaus eG abgeschlossenen Riester-Vertrags (VR-Rente Plus) monatlich 140,- Euro und erfülle die Voraussetzungen des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Zur Begründung führte sie aus: Sie habe schon bald nach Beginn des Pflegeverhältnisses ihre Berufstätigkeit reduziert und arbeite nur mit halber Stelle. Sie sei Heilpädagogin und erziehe entwicklungsbeeinträchtigte Kinder gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII. Deshalb beantrage sie rückwirkend ab dem 1. November 2010 den anderthalbfachen Satz von 40,- Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2013, gerichtet an beide Kläger, lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Erstattung weiterer Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung ab. Dies begründete der Beklagte wie folgt: Der Kläger zu 1. erhalte den hälftigen Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung als Altersvorsorge. Dieser sei zum 1. Januar 2013 auf 42,53 Euro erhöht worden. Diesen Betrag erhalte der Kläger zu 1. auch weiterhin. Gemäß den Richtlinien des Kreises Steinfurt werde der Zuschuss zur Altersvorsorge jedoch nur für eine Pflegeperson und für ein Pflegekind maximal in Höhe der Hälfte des niedrigsten Beitrags in der gesetzlichen Rentenversicherung erstattet. Die Höhe dieser Erstattung sei angemessen und entspreche den Empfehlungen des Deutschen Vereins. Die Übernahme weiterer Kosten der Alterssicherung komme deshalb nicht in Betracht.

Die Kläger haben am 8. August 2013 jeweils Klagen erhoben. Zur Begründung führen sie aus: Der Kläger zu 1. sei verheiratet, Sozialpädagoge und nicht erwerbstätig. Die Klägerin zu 2. sei Heilpädagogin, nur halbtags erwerbstätig und erziehe gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1., zwei Pflegekinder. Für beide Kinder erhielten sie lediglich das Pflegegeld. Darüber hinaus erhalte der Kläger zu 1. einen Zuschuss zur Alterssicherung für seinen Riester-Sparvertrag in Höhe des Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Übernahme der hälftigen Kosten einer angemessenen Alterssicherung solle dem versorgungsrechtlichen Nachteilsausgleich dienen. Deshalb sei die Übernahme der hälftigen Kosten einer angemessenen Alterssicherung pro Pflegekind und pro Pflegeperson und nicht pro Pflegefamilie zu zahlen. Die Möglichkeit einer zusätzlichen Berufstätigkeit reduziere sich mit der Zahl zu betreuenden Kinder. Bei beiden Pflegekindern handele es sich zudem um solche mit besonderen Anforderungen an Betreuung und Erziehung gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII, weshalb auch ein erhöhtes Pflegegeld für diese Kinder gezahlt werde. Dementsprechend sei auch für jedes Kind ein angemessener Zuschuss zur Altersvorsorge zu zahlen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 4. Juli 2013 zu verpflichten, den Klägern jeweils nachgewiesene Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung für jedes Pflegekind und für beide Pflegepersonen jeweils in Höhe des hälftigen Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung, bezüglich des Klägers zu 1. ab dem 1. November 2010, bezüglich der Klägerin zu 2. ab dem 1. Dezember 2010, hinsichtlich des Pflegekindes K2. K3. bis zu Beendigung des Pflegeverhältnisses am 12. Februar 2014, zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Die Erziehungshilfe für K2. K3. sei mit Erreichen der Volljährigkeit beendet worden. Die hälftigen Kosten der Altersvorsorge in Höhe von derzeit 42,53 Euro würden deshalb mit dem Pflegegeld für K. K1. ausgezahlt.

Die Klagen der Kläger sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung weiterer Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 39 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII. Danach umfassen die laufenden Leistungen im Sinne des § 39 SGB VIII auch die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson.

Die Kläger sind berechtigt, den Anspruch gemäß § 39 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII geltend zu machen (1.). Bei den von den Klägern nachgewiesenen Aufwendungen handelt es sich ihrer Art nach um solche für eine angemessene Alterssicherung (2.). Die nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson sind für jedes Pflegekind gesondert hälftig zu erstatten (3.). Der Anspruch auf hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung steht jeder Pflegeperson, und somit beiden Klägern zu (4.), und zwar in Höhe des hälftigen Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung (5.).

1.

§ 39 SGB VIII regelt die Gewährung von Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen, das/der im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme außerhalb des Elternhauses untergebracht ist. Damit stellt das Pflegegeld eine Annexleistung zum eigentlichen Anspruch auf Jugendhilfe dar und steht deshalb grundsätzlich je nach Art der Leistung dem Personensorgeberechtigten (§§ 27, 33 SGB VIII), dem Kind/Jugendlichen selbst (§ 35 a SGB VIII) oder dem jungen Volljährigen (§ 41 SGB VIII) zu.

Vergleiche dazu: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - ., Urteil vom 12. September 1996 ‑ 5 C 31/95 ‑, FEVS 47, 433, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - Bay. VGH - , Urteil vom 5. April 2001 ‑ 12 B 96.2358 ‑, FEVS 52, 464, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - , Urteil vom 25. April 2001 ‑ 12 A 924/99 ‑, NVWZ-RR 2002, 123, juris; Degener in Jans/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Kommentar, 3. Auflage, § 39 Randnummer - Rdn. - 5 und 8; Kunkel, Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Lehr- und Praxiskommentar, 4. Auflage, § 39 Rdn.8ff.; Stähr in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, § 39 Rdn. 20 d; anderer Ansicht; Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 4. Auflage, § 39 Rdn. 16.

Ob abweichend davon der Pflegeperson hinsichtlich der nachgewiesenen Kosten einer angemessenen Alterssicherung ein eigener Anspruch zusteht,

so: Verwaltungsgericht - VG - Köln, Urteil vom 20. Dezember 2007 ‑ 26 K 4302/06 ‑, juris; anderer Ansicht für die Alterssicherung: Degener in Hauck/Haines, a.a.O.

kann im vorliegenden Fall offenbleiben, da die Kläger für beide Pflegekinder mit Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 10. Oktober 2007 zu Vormündern bestellt worden sind und deshalb Inhaber des Personensorgerechts sind bzw. hinsichtlich der seit dem 13. Februar 2014 volljährigen K2. K3. waren.

2.

Die von den Klägern abgeschlossenen Verträge und damit einhergehenden Aufwendungen stellen ihrer Art nach jeweils angemessene Alterssicherungen im Sinne des § 39 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII dar.

Bei dem Begriff der "angemessenen Alterssicherung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt und der vom Gericht auszulegen ist.

Vergleiche dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 23. Februar 2010 - 3 A 345/09 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. August 2008 - 7 A 10142/08 -, juris; VG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 26 K 4302/06 -, juris.

Zur Art der angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Februar 2010 - 5 C 29/08 -, FEVS 62, 23 - 26, juris ausgeführt:

"Als Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII anerkennungs- und förderungsfähig sind private vermögensbildende Maßnahmen und Anlageformen, denen eine der gesetzlichen Rente vergleichbare Altersvorsorgefunktion zukommt (1). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, ab dem - wenn auch nur als Ausnahme - die gesetzliche Altersrente frühestens in Anspruch genommen werden kann. Für vor dem 31. Dezember 2011 abgeschlossene Verträge zum Zwecke der privaten Alterssicherung ist dies die Vollendung des 60. Lebensjahres (2). ...

1. Leitbild der nach § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ihrer Art nach mit öffentlichen Mitteln zu fördernden Vermögensbildung zum Zwecke der gesetzlichen Altersvorsorge ist die gesetzliche Rente. ... Die hälftige Erstattung der Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung durch den Träger der Jugendhilfe dient dem versorgungsrechtlichen Nachteilsausgleich. Es soll dadurch sichergestellt werden, dass eine Pflegeperson, die auf eine (vollzeitige) Erwerbstätigkeit verzichtet, um ein Pflegekind bzw. mehrere Pflegekinder zu betreuen und infolgedessen keine oder bei einer Teilzeit-Erwerbstätigkeit nur reduzierte (gesetzliche) Rentenanwartschaften erwirbt, gleichwohl im Alter über eine gewisse finanzielle Absicherung verfügt. ... Mit Rücksicht darauf erfüllen von den vielfältigen Möglichkeiten der privaten finanziellen Absicherung im Alter nur die Formen der Kapitalanlegung die an eine Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zu stellenden Anforderungen, bei denen auf Grund einer entsprechenden Vertragsgestaltung gewährleistet ist, dass das zum Zweck der Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhaltes im Ruhestand aufgebaute Vermögen im Zeitpunkt des Eintritts der Pflegeperson in den Ruhestand (noch) vorhanden ist. Hierfür muss vertraglich sichergestellt sein, dass die Ansprüche aus einer privaten Kapitalanlage nicht vor diesem Zeitpunkt fällig werden und sie auch nicht anderweitig verwertet werden können.

2. Für den Eintritt in den Ruhestand ist die Anlehnung an die gesetzlichen Regelungen im Bereich der zusätzlichen (privaten) Altersvorsorge ... auf die Altersuntergrenze der gesetzlichen Altersrente abzustellen. ... Die Altersuntergrenze der gesetzlichen Altersrente war bis zum in Kraft treten des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ... auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festgesetzt. ... In Übereinstimmung damit schreibt das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz für Verträge und Anlageformen der (zusätzlichen) privaten Altersvorsorge, die vor dem 31. Dezember 2011 abgeschlossen wurden, vor, dass die Auszahlungsphase in der Regel nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnen darf (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 14 Abs. 2 Satz 1 AltZertG)."

Als mögliche Vorsorgeformen einer angemessenen Alterssicherung kommen neben einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere sogenannte zertifizierte Altersvorsorgeverträge in Betracht. Dabei handelt es sich um vom Gesetzgeber als förderungswürdig anerkannte Vorsorgearten, wie etwa Banksparpläne, Aktienfondssparpläne, gefördertes Wohneigentum sowie "Riester-Rente" in Betracht.

Vergleiche dazu Stähr in Hauck/Haines, a.a.O., § 39 Rd-Nr. 20 d; Wiesner, a.a.O., § 39 Rd-Nr. 32 d.

Bei dem vom Kläger zu 1. abgeschlossenen Vertrag mit der Kosmos Direkt handelt es sich um eine fondsgebundene Riester-Rente Nr. xxxxxxxxx mit der Zertifizierungsnummer xxxxxx. Diesen Vertrag hat der Kläger zu 1. zum 1. Dezember 2005 abgeschlossen und seine Beiträge in der Folgezeit mehrfach erhöht, zuletzt zum 1. November 2010. Gemäß dem vorgelegten Versicherungsschein handelt es sich dabei um eine fondsgebundene Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung. Zwischen dem 1. Dezember 2018 und dem 1. Dezember 2022 kann der Kläger zu jedem Monatsersten die Rentenzahlung beantragen. Der früheste Zeitpunkt des Rentenbeginns, der 1. Dezember 2018, liegt nach der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers im Jahre 2017. Je nach Stellung des Antrages variiert die garantierte monatliche Rentenzahlung zwischen 31,- Euro und 44,06 Euro. Zum 1. November 2010 hat der Kläger den Vertrag dahingehend geändert, dass er einen monatlichen Betrag von 160,- Euro zu zahlen hat. Damit handelt es sich um einen vor dem 31. Dezember 2011 geschlossenen Vertrag, bei dem die früheste Auszahlung mit Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgen darf, der grundsätzlich eine angemessene Alterssicherung darstellt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Dementsprechend hat der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. April 2007 einen Zuschuss zur Altersvorsorge in Höhe von 25,00 Euro gewährt, der mit dem Pflegegeld für K2. -K3. ausgezahlt wurde. Nach Erhöhung des Vertrages erhielt der Kläger rückwirkend ab dem 1. Dezember 2007 einen Zuschuss zur Altersvorsorge in Höhe des hälftigen Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 39,80 Euro; inzwischen wurde dieser Betrag auf 42,53 Euro erhöht.

Auch bei dem von der Klägerin zu 2. abgeschlossenen Vertrag mit der Volksbank Gronau-Ahaus eG abgeschlossenen Vertrag (VR-Rente Plus) handelt es sich um einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag (Zertifizierungsnummer xxxxxx), den die Klägerin zu 2. ab dem 1. Dezember 2010 mit monatlich 140,00 € anspart. Gemäß II. 1. des Vertrages beginnt die Auszahlungsphase frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres oder bei Nachweis einer vor diesem Zeitpunkt beginnenden Leistung aus einem gesetzlichen Alterssicherungssystem an den Sparer.

3.

Der sich so dem Grunde nach ergebende Erstattungsanspruch der Kläger ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch nicht auf ein Pflegekind zu beschränken.

Da dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen ist, ob die Altersvorsorgeaufwendungen pro Pflegekind oder nur für das erste Pflegekind übernommen werden können, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob der Beitrag zu einer angemessenen Altersvorsorge je Pflegekind anfällt. Aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksachen 15/3676 und 16/9299) ergibt sich dazu nichts. Deshalb ist auf die Systematik des Gesetzes zurückzugreifen. Der Gesetzgeber hat die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson an die Zahlung der laufenden Leistungen gemäß § 39 Absatz 4 Satz 1 SGB VIII gekoppelt. Die laufenden Leistungen bemessen sich auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten je Pflegekind. Indem der Gesetzgeber in § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII bestimmt hat, dass die laufenden Leistungen auch die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson umfassen, hat er zum Ausdruck gebracht, dass diese Leistungen auch pro Pflegekind anfallen. Dies entspricht im Übrigen Sinn und Zweck des Gesetzes, auch Pflegeeltern eine angemessene Altersvorsorge zu ermöglichen. Mit der Zahl der zu betreuenden Pflegekinder steigt zwangsläufig der damit verbundene erforderliche Zeitaufwand, so dass die Pflegeperson in Folge der Inpflegenahme eines weiteren Kindes gehindert ist, einer Erwerbstätigkeit in größerer Intensität nachzugehen und damit darauf angewiesen ist, auf andere Weise für eine angemessene Alterssicherung zu sorgen.

Vgl. so auch VG Meiningen, Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2008 - 8 K 17/08 Me, juris; VG Saarland, Urteil vom 20. März 2009 - 11 K 825/07 -, juris, aufgehoben wegen ungeeigneter Altersvorsorge im konkreten Fall durch OVG Saarland vom 23. Februar 2010, ‑ 3 A 345/08 -, juris,; Kunkel, Lehr und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe - LPK-SGB VIII -, 5. Auflage, § 39, Rd-Nr.21; Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Empfehlungen zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2014, S. 2, www.deutscherverein.de; andere Ansicht VG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 26 K 4302/06 -, juris.

Dies gilt umso mehr, wenn - wie im vorliegenden Fall - auch noch ein gesteigerter Betreuungsbedarf vorhanden ist, der zur Einstufung als sozialpädagogische Pflegestelle geführt hat. Im vorliegenden Fall sind die Pflegeverhältnisse bezüglich beider Kinder wegen des erhöhten Aufwandes in sozialpädagogische Pflegestellen umgestellt worden. Auch haben die Pflegeeltern ihre Erwerbstätigkeit vermindert. So ist der Pflegevater inzwischen nicht mehr erwerbstätig, während die Pflegemutter nur noch einer hälftigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

4.

Der geltend gemachte Anspruch steht auch beiden Klägern zu, da sie beide "Pflegeperson" im Sinne des § 39 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII sind.

Gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 steht der Anspruch auf die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson zu. Wenn - wie im vorliegenden Fall - kein Pflegevertrag abgeschlossen worden ist, ist den Umständen des konkreten Einzelfalles zu entnehmen, wer Pflegeperson im Sinne des Gesetzes ist. Wie sich aus den überreichten Verwaltungsvorgängen ergibt, wurde das Pflegeverhältnis mit beiden Klägern begründet. Diese werden in den Verwaltungsvorgängen als Pflegeeltern bzw. Pflegevater und Pflegemutter bezeichnet. Die im Zusammenhang mit den Pflegeverhältnissen ergangenen Bescheide waren überwiegend an beide Kläger gerichtet. Auch wurden beide Kläger in den Hilfeplänen als Pflegepersonen aufgeführt. Schließlich sind beide Kläger zu Vormündern für die Pflegekinder bestellt worden. Dies alles zeigt, dass zum einen beiden Klägern die Verantwortung für die Pflegekinder übertragen wurde und diese auch von beiden Klägern wahrgenommen wurde. So hat der Kläger zu 1. seine Berufstätigkeit aufgegeben und widmet sich voll der Erziehungsaufgabe, während die Klägerin zu 2. ihre Arbeitszeit auf die Hälfte reduziert hat. Zwar wurde das Pflegegeld bezüglich K2. -K3. an den Kläger zu 1. ausgezahlt; dies ändert jedoch nichts daran, dass Pflegepersonen beide Kläger waren. Da beide Kläger als Pflegeperson im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII anzusehen sind, hat dies zur Folge, dass auch beiden die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung zusteht.

Vgl. zu der Frage der Erstattung von Altersvorsorgeaufwendungen an Pflegeeltern: Kunkel, a.a.O. (Erstattung pro Pflegeperson); andere Ansicht VG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 26 K 4302/06 -, juris.

5.

Im Hinblick auf das Kriterium der "Angemessenheit" ist der Erstattungsanspruch der Höhe nach auf den hälftigen Anteil des Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung zu begrenzen.

Vgl. so auch VG Saarland, Urteil vom 20. März 2009 ‑ 11‑K 825/07 -, juris; VG Meiningen, Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2008 - 8 K 17/08 Me‑ juris; VG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 26 K 4302/06 -, juris, Wiesner, SGB VIII, § 39 Rdn. 32 f.; Kunkel, LPK-SGB VIII, § 39 Rdn. 20; Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. im Auftrag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Gutachten vom 18. Januar 2000 IV. c..

Da die Erstattung der Aufwendungen für eine Alterssicherung der Pflegeperson gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII Bestandteil der laufenden Leistungen im Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen ist, ist auch bezüglich der Aufwendungen für eine Alterssicherung zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII geregelt hat, dass die laufenden Leistungen grundsätzlich in monatlichen Pauschbeträgen zu gewähren sind. Deshalb verbietet sich eine nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und den Verhältnissen der Pflegeperson vor Inpflegenahme ausgerichtete Bestimmung der Angemessenheit. Vielmehr ist in allen Fällen der Inpflegenahme eines Kindes oder Jugendlichen pro Pflegekind und pro Pflegeperson der hälftige Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung als Bezugsgröße für den Erstattungsanspruch angemessen. Damit wird auch dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung getragen, einen Anreiz für die Inpflegenahme von Pflegekindern zu schaffen und gleichzeitig einen Nachteilsausgleich vorzunehmen.

Die Aufwendungen der Kläger zu ihrer Alterssicherung sind ihnen auch rückwirkend ab den aus dem Tenor ersichtlichen Zeitpunkten zu erstatten. § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wurde durch Artikel 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) vom 8. September 2005 (BGBL I Seite 2729) mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 eingefügt. Seitdem stand Pflegepersonen für nachgewiesene Aufwendungen ihrer Alterssicherung der Anspruch auf hälftige Erstattung ihrer nachgewiesenen Aufwendungen zu. Eines diesbezüglichen Antrages bedurfte es dazu nicht. Vielmehr ergibt sich dieser Anspruch nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII unmittelbar aus dem Gesetz, wenn die Aufwendungen "nachgewiesen" sind. Dass die Kläger entsprechende Aufwendungen hatten, haben sie durch Vorlage der entsprechenden Vertragsurkunden belegt.

Der Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist. Nach § 188 Abs. 2 VwGO werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat; die sich im Zusammenhang mit der "Angemessenheit" von Aufwendungen der Altersvorsorge stellenden Fragen sind bisher in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.