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04.11.2015
Nachricht aus Hochschule und Forschung

Die rechtliche und soziale Situation von Pflegeeltern in Österreich

Das Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien – ÖIF - hat Mitte 2015 einen Forschungsbericht zur rechtlichen und sozialen Situation von Pflegeeltern in Österreich veröffentlicht.

Mitte 2015 wurde in Österreich eine empirische Untersuchung mit dem Titel „Die rechtliche und soziale Situation von Pflegeeltern in Österreich“ veröffentlich. Dies ist ein Forschungsbericht des Österreichischen Instituts für Familienforschung an der Universität Wien ÖIF.

Autoren des Forschungsberichtes: Christine Geserick, Wolfgang Mazal, Elisabeth Petric.

Die empirischen Daten des Berichtes sind Daten aus 2012 – überarbeitet in 2014.

Inhaltliche Schwerpunkte des Forschungsberichtes:

  • Statistik zu Pflegeverhältnissen in Österreiche
  • Die arbeits- und sozialrechtliche Stellung von Pflegeeltern
  • Empirische Erhebung: Expertenstimmen zum Status Quo
  • Zusammenfassung und Conclusio
  • Literaturverzeichnis / Anhang

Anzahl der Pflegekinder

In den neun Bundesländern der Republik Österreich – Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten – gab es Stichtag 31.1.2013 insgesamt 4.468 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien. Das sind 0,3 % aller Kinder unter 18 Jahren in Österreich. Drei von tausend Kindern lebten also in 2013 in Pflegefamilien. Die Anzahl der Pflegekinder ist in den letzten 18 Jahren relativ konstant geblieben.

6.379 Kinder waren in anderen Institutionen untergebracht. Das sind im Bundesdurchschnitt 41,2 % aller Unterbringungen, wobei hier die Länder sehr unterschiedlich sind. In Vorarlberg waren 51,2 % aller Unterbringungen in Pflegefamilien, in Kärnten dagegen 24,4 %.

Die rechtliche Situation für die Pflegeeltern in Österreich ist regional verschieden, besonders im Rahmen des Pflegegeldes und der sozialrechtlichen Absicherung.

Auszug aus dem Forschungsbericht

5. Zusammenfassung und Conclusio

Die vorliegende Studie widmet sich der aktuellen Situation von Pflegeeltern in Österreich aus rechtlicher und aus Akteurs-Perspektive. Damit stehen Paare und Einzelpersonen im Fokus, die sich der Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes angenommen haben, das kurz- oder längerfristig nicht mehr in seiner Herkunftsfamilie leben kann. Im Gesetzestext wird das Verhältnis zwischen Pflegeeltern und Pflegekind als eines beschrieben, das jener Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern "nahekommt" oder "hergestellt werden soll".

Wie viele Pflegeeltern in Österreich leben, ist nicht hinreichend statistisch erfasst, verfügbar sind jedoch die Zahlen über Pflegekinder: Demnach lebten im Jahr 2013 in Österreich 4.468 minderjährige Kinder in Pflegefamilien. Diese Zahl ist in den letzten 18 Jahren relativ konstant geblieben und schwankt zwischen 4.200 bis 4.500, wobei kein einheitlicher Richtungstrend der Schwankungen erkennbar ist. Verändert hat sich jedoch das Geschlechterverhältnis, denn der bislang geringere Anteil von Mädchen ist gewachsen und liegt nun in etwa gleichauf mit den Burschen: Im Jahr 2013 sind 49,1%der Pflegekinder weiblich und 50,9% männlich.

Fokus der Studie ist die soziale und rechtliche Situation der Pflegeeltern, speziell ihre arbeits- und sozialrechtliche Position betreffend. Hier geht es vor allem um die Frage, wie die besondere Beziehung zwischen Pflegeeltern und ihrem Pflegekind im Spannungsfeld zwischen "Familie" und "Dienstleistung" gesetzlich geregelt ist, inwieweit sich die rechtlichen Regelungen der Bundesländer unterscheiden, wie diese juristisch zu bewerten und von den Pflegeeltern selbst empfunden werden. Kurz gefasst: Sind Pflegeeltern Dienstleister? Wollen sie dies sein? Ist der Abschluss von Arbeits- oder freien Dienstverträgen rechtlich zulässig?

Diese Fragen wurden aus zwei Perspektiven mit ihrer jeweils disziplinenspezifischen Methodik bearbeitet.
Es ging einerseits

  • (1) um die juristische Darstellung und Bewertung des Status Quo, andererseits
  • (2) um die empirische Erhebung vom Erleben der unmittelbar Beteiligten (Akteurssicht), Stand 2012.

Für den ersten, juristischen Teil, wurde die geltende Rechtslage in allen neun Bundesländern im Jahr 2012 recherchiert, im Oktober 2014 aktualisiert und themenspezifisch zusammengefasst. Für den zweiten, empirischen Teil, wurde eine qualitativ orientierte Interviewstudie mit 16 Experten und Expertinnen aus allen neun Bundesländern durchgeführt. Befragt wurden im Jahr 2012 Pflegeeltern sowie Fachleute von Interessensvertretungen und Kinder- und Jugendhilfe.

Den einleitenden Forschungsfragen und den Ergebnissen beider Berichtsteile folgend, stellten sich vor allem die folgenden Themen als essenziell heraus, welche die soziale und rechtliche Position von Pflegeeltern in Österreich beschreiben:

(1) Motivation zur Pflegeelternschaft

Um eine Pflegeelternschaft bewerben sich Paare und Einzelpersonen vor allem aus karitativen Gründen ("einem Kind etwas Gutes tun") oder weil sie einen Kinderwunsch haben, der anders nicht erfüllt werden kann – sei es, dass eine leibliche Elternschaft nicht möglich ist oder dass sich ein adoptionswilliges Paar zugunsten einer Pflegelternschaft umentscheidet. Dabei beobachten die Fachleute aus der Vermittlung, dass der Kinderwunsch eine an Relevanz zunehmende Motivation für eine Pflegeelternschaft ist. Damit verknüpft ist die Erfahrung, dass "ältere" Kinder (d.h. bereits nach dem Säuglingsalter) und Kinder mit Geschwistern geringere Chancen auf eine rasche Unterbringung haben als andere.

Die positive Bewertung der Interviewten einer selbstlos-altruistischen Motivation ("damit es nicht ins Heim muss") findet seine komplementäre Entsprechung in der Ablehnung einer vorher bewusst oder unbewusst zugewiesenen "Funktion", die Pflegekinder erfüllen sollen ("Partnerersatz", "Geschwisterkind", "Beziehungskitt"). Dies seien potenziell problematische Motivationszusammenhänge.

Auch finanzielle Gründe zur Aufnahme eines Pflegekindes wurden als problematisch charakterisiert, werden jedoch kaum beobachtet.

(2) Familienformen und Geschlechteraspekt

Die Erzählpersonen verneinen meist die Existenz einer so genannt "typischen Pflegefamilie" und betonen vielmehr, dass die verschiedenen Konstellationen ein verkleinertes, aber passgleiches Spiegelbild der gesamtgesellschaftlichen Verteilung von Familienformen mit Kindern seien: Auch im Pflegeelternkontext wird das Modell der traditionellen Kernfamilie am häufigsten gelebt, ebenso orientiert sich die Vermittlung prinzipiell am (heterosexuellen) Zwei-Eltern-Modell.

Sowohl auf Einstellungs- als auch gerichtlicher Ebene gerade im Entstehungszeitraum der Studie wurde anhaltend diskutiert, ob gleichgeschlechtliche Paare Pflegeeltern sein dürfen. Aktuell gibt es nur wenige gleichgeschlechtliche Paare als Pflegeeltern, und dies nicht in allen Bundesländern.

Ebenso gibt es wenige Alleinerziehende, auch wenn sie prinzipiell eine Pflegeelternschaft übernehmen können. Es gibt mehr alleinerziehende Pflegemütter als Pflegeväter, wie auch sonst die pflegeelterliche Fürsorgearbeit weiblich dominiert ist: Auch in Paarbeziehungen ist es meist die Frau, welche die elterliche Fürsorge tagsüber übernimmt und für ihr Pflegekind auf eine Erwerbstätigkeit temporär oder generell verzichtet. Dies zieht nach sich, dass Pflegelternschaft und auch deren sozialrechtliche Absicherung vor allem "weibliche" Themen sind.

(3) Anerkennung des "Dienstes" und rechtsdogmatische Bewertung der Verträge

Grundfeststellung als auch Ergebnis beider Analysen (empirisch und juristisch) ist, dass Pflegeeltern einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten, indem sie Kindern, denen der stabile familiale Bezugsrahmen ihrer Ursprungsfamilie abhandengekommen ist, ein neues Zuhause geben. Sie übernehmen die Pflege und Fürsorge für das Pflegekind in vollem Maße, 24 Stunden am Tag, und es stellt sich somit dieäußerst schwierige Frage, ob und wie dieser "Dienst" honoriert werden kann.

Aus Akteurssicht (Interviews) dominiert die Auffassung, "jedem Dienst gebühre eine Anerkennung", wobei Art und Reichweite sowie Honorierung unterschiedlich verortet werden (gesellschaftlich positives "Image"; sozialrechtliche Absicherung; Entgelt). Konsens ist, dass Pflegeeltern, sowohl was die finanzielle als auch die sozialversicherungsrechtliche Situation angeht, keine "Schlechterstellung" erfahren dürfen, sei es im Vergleich zu einem Leben ohne Kinder (finanzieller Aspekt) oder im Vergleich zu Erwerbstätigen (sozialrechtliche Absicherung).

Das betonen vor allem die Pflegeeltern selbst. Sie möchten eine "Anerkennung" ihres Tuns damit vor allem als eine Art Gleichstellung oder Ausgleich erfahren – und weniger als zusätzlichen "Gewinn" im Sinne eines Arbeitslohnes. Bezüglich der finanziellen Situation herrscht generelle Zufriedenheit, gewähren doch Pflegekindergeld und die Regelung zur Rückvergütung des Sonderbedarfs genau das: den Ausgleich der finanziellen Aufwendungen für das Pflegekind. Die Situation der sozialrechtlichen Absicherung wird hingegen unterschiedlich beurteilt, ebenso vermissen einige Personen die gesellschaftliche Anerkennung ("Image").

Aus rechtlicher Sicht (juristischer Teil) stellt sich die Frage, inwieweit Fürsorge- und Erziehungsleistungen im Rahmen des Abschlusses von Dienstleistungsverträgen überhaupt honoriert werden können. Etabliert hat sich in den letzten Jahren die Vergütung des so genannten sozialpädagogischen Mehraufwandes, wobei das Pflegeverhältnis gleichzeitig in einen professionelleren Kontext gestellt wird. Vergütet werden hierbei zusätzliche Aufgaben, welche die Pflegeperson im Zusammenhang mit ihrer Pflege- und Fürsorgetätigkeit übernimmt (Dokumentation der kindlichen Entwicklung, Weiterbildung, Supervision).

Im Zuge der Beurteilung, welcher Dienstleistungsvertrag zulässigerweise über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands abgeschlossen werden darf, musste festgestellt werden, dass der sozialpädagogische Mehraufwand als Vertragsinhalt in zwei Punkten problematisch ist:

Erstens stellen die in der Praxis teilweise als Vertragsinhalt vereinbarten Tätigkeiten Nebenpflichten des gesetzlich determinierten Pflegevertrages dar, sodass die rechtliche Zulässigkeit eines eigenständigen Vertragsabschlusses über diese Tätigkeiten verneint werden muss. Für eine vertragliche Gestaltung bleibt im Hinblick auf diese Tätigkeiten kein Raum. Es kann daher nur über zusätzliche Verpflichtungen, die zwar mit dem Pflegevertrag in Zusammenhang stehen, aber keine Nebenpflichten desselben darstellen, ein eigenständiger Dienstleistungsvertrag abgeschlossen werden.

Zweitens stellen die Verträge über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands – im Gegensatz zur teilweise in der Praxis gelebten Vorgehensweise – freie Dienstverträge und keine Arbeitsverträge dar. Pflegepersonen unterliegen nicht der für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages erforderlichen Fremdbestimmung, da sie in ihrer zeitlich en und örtlichen Durchführung autonom sind. Dieses Ergebnis ist für Pflegeeltern jedoch keinesfalls nachteilig, sondern bewahrt die Praxis vielmehr vor zahlreichen rechtlichen Problemen, die die Qualifikation des Vertrages über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands als Arbeitsvertrag mit sich bringen würde (z.B. Urlaub, Arbeitszeit etc.).

(4) Möglichkeit der sozialen Absicherung

In der Praxis wurden in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Bemühungen unternommen, einen sozialrechtlichen Schutz für Pflegeeltern zu schaffen. Dies geschah nicht nur aus dem Bestreben heraus, ihre Arbeit auf diese Weise gesellschaftlich anzuerkennen, sondern auch um jene Pflegeeltern nicht zu benachteiligen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund der Aufnahme eines Pflegekindes aufgeben und somit gezwungen sind, eine freiwillige Versicherung abzuschließen. Der Weg zur sozialrechtlichen Absicherung erfolgt dabei über den Abschluss eines freien Dienstvertrages über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands.

Mit Ausnahme des Burgenlands, das bislang keine sozialrechtliche Absicherung für Pflegeeltern vorsieht, verfolgen die anderen acht Bundesländer ihr jeweils eigenes System: Entweder erfolgt eine sozialrechtliche Absicherung ex lege aufgrund der Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze oder der Beitrag zueiner freiwilligen Versicherung wird – bei Entlohnung unter der Geringfügigkeitsgrenze – von vom Kinder- und Jugendhilfeträger übernommen. Auf diese Weise gelangen Pflegeeltern auf eigenen Wunsch mit Abschluss des Vertrages über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands zu einer sozialrechtlichen Absicherung.

Zwei Punkte sind allerdings kritisch zu bewerten:

Einerseits die Höhe der Entlohnung, die Pflegeeltern mit einem relativ geringen Schutz in der Arbeitslosen- und Pensionsversicherung ausstatten, andererseits die unterschiedliche Entlohnung der Pflegeeltern in den Bundesländern, die wiederum zu einem differenzierten Niveau der sozialrechtlichen Leistungen der Pensions- und Arbeitslosenversicherung führt.

Für einheitliche Regelungen in diesem Bereich stehen im Prinzip zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Zum einen die Schaffung vertragliche Regelungen in Verträgen sui generis, die eine Zuerkennung von Rechtspositionen ermöglichen, die für wünschenswert gehalten werden. Zum anderen die Schaffung einer spezialgesetzlichen Regelung, die eine punktuelle Zuerkennung von Rechten ermöglicht, die auch Arbeitnehmern zugestanden werden. Von einer generellen Einbeziehung in das Arbeitsrecht ist jedoch abzuraten. Obwohl die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands die Pflege und Erziehung nicht unmittelbar betrifft, verhindern die Eigenheiten des zwischen Pflegeeltern und Pflegekind bestehenden Verhältnisses eine undifferenzierte Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften.

(5) Wünsche von Pflegeeltern und InteressensvertreterInnen

Neben dieser zentralen Frage der arbeits- und sozialrechtlichen Stellung von Pflegeeltern, äußerten die im Feld befragten Akteure und Akteurinnen weitere Themen, welche die soziale und rechtliche Situation von Pflegeeltern beschreiben und idealerweise einer Änderung bedürfen. Gerade weil diese im Alltag "normale" elterliche Pflichten haben, fordern sie Rechte ein, die leiblichen Eltern gebühren. Die folgenden vier Themenhaben sich als wichtige Wünsche der Pflegeeltern in Bezug auf ihre rechtliche Situation herauskristallisiert:

Elternkarenz und Elternteilzeit:

Kritisiert wird die Benachteiligung von Pflegeeltern betreffend Elternkarenz und Elternteilzeit. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Vereinbarung eines Karenzurlaubs als unbezahlte Dienstfreistellung. Auf diese sind jedoch die Bestimmungen des MSchG/VKG nicht anwendbar, so dass kein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz besteht.

Unselbstständig erwerbstätige Pflegepersonen, die Pflegekinder in einem jungen Alter zu sich nehmen, haben somit eine besondere Problematik im Bereich der Vereinbarkeit von Erwerb und Familie.

Nur Pflegepersonen, die bei öffentlichen Arbeitgebern beschäftigt sind, ist in manchen Bundesländern gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, Elternkarenz bzw. Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen. Das Fehlen einer rechtlichen Regelung ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Arbeitgeber vor einer mehrmaligen Inanspruchnahme von Elternkarenz bzw. Elternteilzeit jener Pflegeeltern geschützt werden sollen, die neben ihrer Erwerbstätigkeit als Kurzzeit- oder Krisenpflegeeltern fungieren. Es wäre daher sinnvoll, eine Regelung anzudenken, die es Pflegeeltern ermöglicht, Elternkarenz bzw. Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, wenn das Pflegeverhältnis voraussichtlichen einen gewissen Zeitraum überschreiten wird.

Doppelname als Familienname des Pflegekindes:

In Erwartung des neuen Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 (KindNamRÄG 2013) wurde von einigen InterviewpartnerInnen 2012 vorgeschlagen, dass Pflegekinder die Möglichkeit haben sollten, einen Doppelnamen zu führen, der sich aus den Familiennamen der Herkunfts- und Pflegefamilie zusammensetzt. So würde Kindern, die normalerweise den Familiennamen der Herkunftsfamilie tragen, aber den Wunsch äußern, so wie die Pflegefamilie zu heißen, der schwierige Schritt einer Entscheidung im Sinne eines "Entweder-Oder" der familialen Zugehörigkeit erleichtert. Zwar wurde mit Einführung zum 1. April 2013 nun beschlossen, dass leibliche Kinder nun einen Doppelnamen führen dürfen. Allerdings berührt das Inkrafttreten der neuen Rechtslage den oben genannten Wunsch nicht, das heißt, er bleibt vorerst unerfüllt.

Rückführung: Der "Point of no return":

Aus rechtlicher Perspektive betrachtet bedeutet eine Pflegeelternschaft im Rahmen der vollen Erziehung eine nicht unbedingt auf Dauer angelegte familiale Mitgliedschaft des Pflegekindes zur Pflegefamilie, denn eine Rückführung ins Herkunftssystem ist prinzipiell möglich, sprich: Die Pflegeeltern sind eben "nur" Eltern auf Zeit. Aus Akteurssicht hat diese Formulierung "Eltern auf Zeit", die damit verknüpften Sachverhalte und individuellen Einstellungen eine maßgebliche Relevanz im Forschungsgegenstand.

Der Begriff ruft besonders bei den befragten Pflegeeltern emotionale Reaktionen hervor, z.B. Verlustangst. Die Angst der Pflegeeltern, das Pflegekind wieder zu verlieren ist aus subjektiver Akteurssicht einer der zentralsten Begriffe in der Charakterisierung von Pflegeelternschaft. Sie strukturiert bereits die Überlegung, ob man überhaupt eine Pflegeelternschaft in Betracht zieht, z.B. im Gegensatz zur Adoption. Zwar kommt es bei den auf längere Zeit angelegten Pflegeverhältnissen nur selten zu diesen Rückführungen, jedoch sollten diese ab einem gewissen Zeitraum, den das Kind in der Pflegefamilie verbracht hat, nicht mehr möglich sein, so der geäußerte Wunsch einiger StudienteilnehmerInnen. Dies würde vor allem dem Kind schmerzhafte Bindungsabbrüche ersparen.

Die Benennung des "point of no return" im jeweiligen Fall sei schwierig, zu beachten sei jedenfalls das jeweilige Kindesalter. Manche erwähnen eine Grenze von zwei Jahren. Zu beachten ist, dass es auch die Meinung gibt, eine Rückführung sollte prinzipiell immer möglich sein. Demnach gelte auch der Begriff "Eltern auf Zeit" durchwegs und für alle Pflegeeltern.

Pflegekindergeld nach Übernahme der Obsorge:

Mitunter übernehmen Pflegeeltern die Obsorge für ihre Pflegekinder und wünschen sich jedoch auch in Folge, dass sie weiterhin Pflegekindergeld beziehen. Nur wenn die Landesausführungsgesetze eine entsprechende Regelung enthalten, haben Pflegeeltern trotz Obsorgeübertragung einen Rechtsanspruch auf das Pflegekindergeld. Was die vertragsrechtlichen Konsequenzen angeht, ergibt sich unseres Erachtens eindeutig, dass eine Obsorgeübertragung nicht zu einer Beendigung eines bereits bestehenden Vertrages über den sozialpädagogischen Mehraufwand führen muss bzw. sollte.

Während der Entstehung und Überarbeitung der vorliegenden Studie haben wir diese Themen im Auge gehabt. Aus heutiger Perspektive (Herbst 2014) lässt sich daher sagen, dass die vier oben angeführten 2012 geäußerten Wünsche weiterhin Aktualität haben, das heißt, sie haben sich bislang nicht erfüllt. Besonders in puncto Pflegekindergeld kam ein klares Nein vom Bundesgesetzgeber: Bezüglich der Gewährung des Pflegekindergeldes im Fall einer Obsorgeübertragung hat er sich klar gegen die sen Wunsch ausgesprochen.

Abschließend sei noch erläutert, wie die Zielrichtung der vorliegenden Studie zu verstehen ist und wie die Ergebnisse verwendet werden könnten, denn schließlich hat sie gerade im rechtlichen Teil einige Fragen aufgeworfen, z.B. was die rechtliche Zulässigkeit der in manchen Bundesländern abgeschlossenen Verträge anlangt.

Dass wir hier ein sensibles Thema aufgegriffen haben, wurde im Zuge der juristischen Analyse der Studie spürbar. Während die empirische Interviewstudie mit Pflegeeltern und Fachleuten der Behörden und Interessensvertretungen keinerlei Vorbehalte auslöste und im Gegenteil die Gespräche sehr positiv und "offen" verliefen, rief die daran anschließende Kontaktaufnahme für die juristische Untersuchung Unsicherheiten bei den Verantwortlichen hervor. Die Bitte per Telefon oder E-Mail, man möge uns Vertragsmuster der freien Dienstverträge oder Arbeitsverträge zur Verfügung stellen oder erläutern, auf welcher rechtlichen Grundlage die ein oder andere Regelung beruhe, wurde manches Mal abgelehnt. Vermutlich – so unsere Interpretation und latente Aussage von ein, zwei Verantwortlichen – führte das Wissen, dass man sich mitunter in einer "rechtlichen Grauzone" bewege, dazu, dass manche Anfragen nur zögerlich beantwortet wurden oder man Musterverträge ungern aus der Hand geben wollte. Und vielleicht hat auch unsere Studie selbst und ein möglicher Austausch unter den Verantwortlichen dazu geführt, dass "plötzlich" Zurückhaltung geübt wurde.

Es ist uns wichtig zu betonen, dass wir die vertrags- und sozialrechtliche Absicherung im Sinne der Akteure und Akteurinnen unterstützen wollen, gerade weil die sozialwissenschaftliche Interviewstudie zeigt, dass die Bestrebungen von Pflegeeltern, deren Interessensvertretungen (z.B. Pflegeelternverein) und Fachleuten der Behörden relativ ähnlich sind. Sie alle streben danach, die Situation von Pflegeeltern in Österreich zu verbessern. Weil dieser Konsens vorhanden ist, könnten, so meinen wir, Lösungen gefunden werden, welche die Bedingungen für Pflegeeltern auf ein rechtlich solideres Fundament stellen.

Angesichts der jüngsten Judikatur des OGH ist allerdings de lege lata nur eine Einzelfallbeurteilung möglich. Dies legt im Prinzip zwei Lösungswege nahe:

  • Entweder eine Gestaltung von Verträgen sui generis, in denen bestimmte arbeitsvertragliche Regelungen (etwa hinsichtlich eines Kündigungsschutzes nachgebildet werden, ohne dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird),
  • oder eine gesetzliche Sonderregelung, kraft der Pflegeeltern punktuell vertragsrechtliche und sozialrechtliche Positionen zuerkannt werden, die für Arbeitnehmer gelten. Von einer generellen Einbeziehung in das Arbeitsrecht ist jedoch abzuraten: Obwohl die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands die Pflege und Erziehung nicht unmittelbar betrifft, verhindern die Eigenheiten des zwischen Pflegeeltern und Pflegekind bestehenden Verhältnisses eine undifferenzierte Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften.

Bei alledem muss die Tatsache in Betracht gezogen werden, dass die Anzahl der Pflegeeltern in allen neun Bundesländern Österreichs zu gering ist, um den bestehenden Bedarf an Pflegeverhältnissen zu decken. Es dürfte von großem gesellschaftlichem Interesse sein, diese Situation zu verbessern. Deshalb kann gerade eine rechtliche Absicherung verstärkt als Anreiz verwendet werden, um Personen die Ausübung der Tätigkeit als Pflegeperson einerseits zu ermöglichen, andererseits auch attraktiver zu machen.

Auszug aus dem ÖIF Forschungsbericht | Pflegeeltern | April 2015

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Vergleiche von einigen in der Studie benannten Bedingungen zu den Bedingungen in Deutschland

Alterssicherung

In Österreich wird sehr deutlich die Frage der sozialrechtlichen Absicherung der Pflegeeltern diskutiert und es wird deutlich, dass die besondere Beziehung von Pflegeeltern zu ihren Pflegekindern ein Regelung im Rahmen einer 'undifferenzierte Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften' nicht möglich macht. Die o.a. Artikel zeigt, dass eine möglichen Lösungen gefunden wurden:
'Der Weg zur sozialrechtlichen Absicherung erfolgt dabei über den Abschluss eines freien Dienstvertrages über die Erbringung des sozialpädagogischen Mehraufwands'.
In Deutschland werden 50% von freiwilligen Altersversicherungen der Pflegeeltern durch das Jugendamt übernommen. Monatlich werden dafür ca. 40 € pro Pflegekind den Pflegeeltern erstattet. (§ 39 Abs. 4 SGB VIII).

Elternzeit und Elternteilzeit

In Deutschland haben die Pflegeeltern hier die gleichen Rechte wie leibliche Eltern. Elterngeld wird jedoch nicht gezahlt.

Pflegegeld bei Übernahme der Vormundschaft (Obsorge in Österreich)

Im Gegensatz zur Regelung in Österreich verlieren Pflegeeltern bei Übernahme der freiwilligen Vormundschaft für ihr Pflegekind nicht ihren Status als Pflegeeltern im Sinne des § 33 SGB VIII und somit auch nicht den Anspruch auf Unterhaltszahlungen im Rahmen von Pflegegeld für ihr Pflegekind.

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