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An welchen Kriterien könnte der Qualitätsentwicklungsprozess in der Pflegekinderhilfe ausgerichtet werden?
Die Vorgaben der Rechtsordnung zum Schutz von Elternrechten stellen, wie gesehen, erhebliche Anforderungen auch an die Pflegekinderhilfe in Deutschland.
Wie immer Fachkräfte sich persönlich hierzu stellen, die bestehenden verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Wertungen sind ernst zu nehmen und in die fachliche Arbeit zu integrieren.
Gesetze sind jedoch nicht unabänderbar. Der Blick über die Grenzen in andere Länder zeigt, dass dort länger andauernde Familienpflegeverhältnisse teilweise besser geschützt sind oder die Möglichkeiten zur Adoption stärker genutzt werden. Hier dürfte für Deutschland ein Rechtsentwicklungsbedarf liegen. Dauerpflegeverhältnisse verdienen verbesserten rechtlichen und staatlichen Schutz. Auch wird die Arbeit mit der Herkunftsfamilie während der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie in anderen Ländern deutlich stärker und qualifizierter angegangen. Und mehr als das. Doch hierbei allein auf den Gesetzgeber zu verweisen oder im Stillstand auf ihn zu warten, ist sicherlich nicht der Weg der Wahl.
Ausbau der Pflegekinderhilfe
Eine Stärkung der Pflegekinderhilfe in Deutschland steht an. Der quantitative Ausbau im Verhältnis zur Heimerziehung ist nicht nur eine Forderung der Rechnungsprüfungsämter, sondern auch ein fachliches Desiderat. Um dieses zu verwirklichen, braucht es an einigen Stellen sicherlich ein Um- oder Neudenken und vor allen Dingen engagierte Investitionen in dieses Segment der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Horizonte in der deutschen Kinder- und Jugendhilfelandschaft verdienen Erweiterung. Vielerorts werden fast nur kleinere Kinder in Pflegefamilien vermittelt, ältere Kinder und Jugendliche in Heimen oder sonstigen Wohnformen untergebracht. Die internationale Forschung zeigt jedoch, dass das Alter des Kindes allein kein besonders aussagekräftiger Faktor für die Erfolgsprognose der Hilfe in einer Pflegefamilie ist. Auch für ältere Kinder und Jugendliche kann die Vollzeitpflege die am besten geeignete Hilfeform sein.
Sollen die Potenziale der Pflegekinderhilfe für ältere Kinder und Jugendliche mit Bindungsproblematiken und ausgeprägten Verhaltensproblemen besser genutzt werden, ist dies nicht einfach durch eine veränderte Vermittlungspraxis zu erzielen, sondern stellt besondere Anforderungen an die Qualität der fachlichen Arbeit. Die hierfür erforderlichen Konzept- und Kompetenzerweiterungen, verbunden mit einer Erweiterung des professionellen Ausschnitts der Pflegekinderhilfe mit einer vielgestaltigen Angebotspalette an Erziehungsstellen, kämen auch den jüngeren Kindern in Familienpflege zugute.
Eine Steigerung der Zahl der Pflegekinderverhältnisse lohnt, tritt aber nicht von selbst ein.
Die Werbung von Pflegeeltern, deren vorbereitende und stetige Weiterqualifizierung zu intensivieren und verbessern, macht sich zwar bezahlt, ist aber auch herausfordernd. Die Pflegekinderhilfe bedarf nicht unbedingt einer Entwicklung der Pflegeelternschaft allgemein von einer Laientätigkeit hin zu einer beruflichen Tätigkeit. Der Ruf nach Professionalisierung der Pflegepersonen enthält die Gefahr, dass Probleme der Pflegeverhältnisse individualisiert werden, d.h. von Pflegeeltern aufgrund ihrer Ausbildung erwartet wird, diese selbst und allein zu lösen. Pflegeeltern brauchen eine professionelle Infrastruktur der Begleitung und Unterstützung, das zeigen erfolgreiche Interventionsprogramme aus dem Ausland wie z. B. »Multi Treatment Foster Care« oder auch »Early Treatment Foster Care«.
Neben Vorbereitungskursen muss ein verbindlicher Zugang zu laufender Beratung im Prozess der Unterbringung gesichert werden. Dazu bedarf es entsprechender personeller Ressourcen der Pflegekinderhilfe. Innovative Angebote wie strukturierte, die Familien aufsuchende und die Bindungsbeziehungen unterstützende Beratung in der ersten Zeit nach der Unterbringung eines Kindes haben in der US-amerikanischen Pflegekinderhilfe sehr gute Ergebnisse für Pflegekinder und Eltern gezeigt. Ein Aufbau von solchen Angeboten in Deutschland wäre vermutlich eine äußerst lohnenswerte Investition.
Eine Qualifizierung der Begleitung von Pflegekindern, Pflegeeltern, deren leiblichen Kindern und der Herkunftseltern sowie -geschwister beginnt mit einer gesteigerten Investition in den Anfang.
In Vollzeitpflegeverhältnissen birgt das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis eigene Dynamiken. Es besteht nicht zwischen zwei Profi-Institutionen auf der einen und den Leistungsberechtigten auf der anderen Seite, sondern zwischen dem Jugendamt und zwei Familien.
Rechtlich gesehen kommen mit der Unterbringung Verträge zustande sowohl zwischen Jugendamt und Pflegeperson, als auch zwischen Sorgeberechtigten und Pflegeperson. In der bisherigen Praxis geschieht dies häufig konkludent, also »unausgesprochen«, d.h. nicht ausdrücklich schriftlich festgelegt, sondern wie die Jurist/inn/en sich ausdrücken: durch schlüssiges Verhalten.
Eine vorherige Auseinandersetzung über die gegenseitigen Erwartungen findet nicht oder nur zum Teil statt, wenn dem Vertragsschluss ein Aushandlungsprozess nicht oder nur bedingt vorausgeht.
Im Verhältnis zwischen Jugendamt und Pflegeeltern bedeutet der Abschluss von Vereinbarungen zunächst eine Verständigung über das, was beide Seiten an Kompetenzen und Ressourcen einzubringen bereit und in der Lage sind.
Pflegeeltern als Leistungserbringer beschreiben Inhalt, Umfang und Qualität ihres Angebots, verpflichten sich bspw. zur Inanspruchnahme von Beratung, Weiterqualifizierungsangeboten und Supervision usw. Das Jugendamt erklärt sich verbindlich bereit zur finanziellen Ausstattung, zum Zurverfügungstellen von entlastenden Angeboten der Beratung und Unterstützung nach § 37 Abs. 2 SGB VIII usw. Für den Abschluss von Vereinbarungen zwischen Jugendamt und Pflegeeltern können die gesetzlichen Vorgaben für die Inhalte der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarungen zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und Trägern von Einrichtungen nach §§ 78a ff. SGB VIII eine Orientierung bieten. Die Vielgestaltigkeit der Pflegekinderverhältnisse erfordert jedoch ausreichend Spielraum und Offenheit sowohl hinsichtlich des Abschlusses der Vereinbarung (z.B. für das einzelne Kind oder allgemein für die Pflegestelle) als auch der Dichte der Regelungsgegenstände (z.B. klare Profilbeschreibung bei Erziehungsstelle oder allgemeine Anforderungen bei Verwandtenpflege). Die Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 SGB VIII baut auf den Vereinbarungen auf, integriert und konkretisiert sie.
Auch im Verhältnis zwischen Sorgeberechtigten und Pflegeeltern liegt der Unterbringung des Kindes notwendig ein Vertrag zugrunde. Es bestehen gegenseitige Erwartungen, etwa zur religiösen Kindererziehung oder zur Namensführung. Viele Fragen, etwa welche sorgerechtlichen Befugnisse die Pflegeeltern ausüben dürfen und bei welchen Entscheidungen die Sorgeberechtigten (mit)bestimmen wollen oder auch, wer welche Versicherungen für das Kind abschließt, bedürfen eines Austauschs. Absprachen über Umgangskontakte sind nicht nur Bestandteil der Hilfeplanung, sondern gehören – nicht nur – rechtlich gesehen genauso zu den Vereinbarungen zwischen Sorgeberechtigten und Pflegeeltern. Die eher stiefmütterliche Behandlung in der Praxis der Pflegekinderhilfe haben diese Aushandlungsprozesse nicht verdient. Ihre Potenziale für den Hilfeprozess sollten Aufforderung sein, ihnen verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Dem Jugendamt kommt bei der Initiierung und Begleitung dieser Klärungsprozesse eine zentrale, moderierende, beratende und unterstützende Rolle zu. Bei später auftretenden Meinungsverschiedenheiten kann an die erarbeiteten Absprachen angeknüpft werden, und es sind die Möglichkeiten für Jugendamt bzw. Pflegekinderdienst bei einem freien Träger in der Regel größer, das Konfliktniveau zu reduzieren.
Die öffentlich-rechtliche Sozialleistungsbeziehung zwischen Jugendamt und Herkunftseltern beschränkt sich derzeit allzu sehr auf Partizipation an der Hilfeplanung. In der Beratung und Unterstützung der Herkunftsfamilie nach einer Fremdunterbringung (§ 37 Abs. 1 SGB VIII) liegen ebenfalls große Potenziale zu einer Erweiterung und Qualifizierung des Angebots. Im Einzelfall wird es dabei um das fachkundige Ausloten der Möglichkeiten für eine Rückführung und Hinwirken auf eine Verbesserung der Erziehungsbedingungen gehen. Unbedingt erforderlich ist dafür die Entwicklung von Angeboten, die belegbar geeignet sind, unter bestimmten Voraussetzungen elterliche Erziehungsfähigkeit zu fördern, auch wenn das Kind derzeit nicht bei den Eltern lebt. Vor allen Dingen ist aber in den Fällen einer Fremdunterbringung Beratung und Unterstützung der Herkunftsfamilie bei der Verarbeitung der Trennung gefragt. Die entlastende Wirkung, wenn die Herkunfseltern ihrem Kind die Botschaft auf den Weg geben können, »Du bist in der Pflegefamilie richtig und uns nicht gleichgültig«, kann für die kindliche Entwicklung und erleichterte Integration in die Pflegefamilie kaum hoch genug eingeschätzt werden. Die kontinuierliche Arbeit mit den Herkunftseltern, vor allem aber in der Phase nach der Unterbringung des Kindes, erhöht die Chancen, die Konflikte mit den Pflegeeltern und damit auch die Loyalitätskonflikte des Kindes zu reduzieren.
Fortlaufende und individuelle Wahrnehmung aller Beteiligten
Das erweiterte Familiensystem in Pflegekinderverhältnissen stellt an die Fachkräfte, die es umgeben, besondere Anforderungen. Alle Beteiligten in den Familien im Blick zu behalten und allen mit ihren je individuellen Hilfebedürfnissen gerecht zu werden, ist aus der Perspektive der Fachlichkeit vielleicht eine der anspruchvollsten Aufgaben in der gesamten Kinder- und Jugendhilfe, die gleichzeitig ein hohes Maß an zeitlichen Ressourcen fordert.
Im verdichteten Arbeitsalltag führt dieser Anspruch leicht an die Grenzen zur Überforderung oder darüber hinaus.
Bemerkbar macht sich dies auch in familiengerichtlichen Verfahren über Umgang, Herausgabe des Kindes oder Verbleibensanordnung. Verallgemeinernde Setzungen im Sinne eines »bei Pflegekindern ist das so« werden von den Familiengerichten häufig nicht akzeptiert. Erscheint zum Wohl eines Kindes die Beschränkung des Umgangs oder dessen Ausschluss angezeigt, wird ein Gericht dies in der Regel nur beschließen, wenn sich die fachlichen Prognosen und Einschätzungen auf konkrete Wahrnehmungen von Fachkräften stützen können. Das fachliche Wissen braucht Rückbindung an Eindrücke vom einzelnen Kind, seiner Situation in der Pflegefamilie, seinen Ressourcen und Belastungen, seinem Erleben der Kontakte mit der Herkunftsfamilie sowie von den Herkunftseltern und ihren (potenziellen) Fähigkeiten, den Kontakt so gestalten zu können, dass das Kind davon profitieren kann, zumindest aber, dass es keinen Schaden davonträgt.
Kommt die Frage einer Rückführung in Streit, sind nicht nur Kenntnisse darüber gefragt, wie das Kind in der Pflegefamilie integriert ist, sondern vor allen Dingen, wie sich die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie darstellen. Vor dem Familiengericht kommt notwendig die Frage auf, was das Jugendamt seit der Unterbringung des Kindes getan hat, um diese zu verbessern. Waren die Herkunftseltern auf sich gestellt, können die rechtlichen bzw. richterlichen Wertungen leicht von einem empfundenen Gerechtigkeitsdefizit überlagert werden im Sinne eines: »Wenn das Jugendamt mit den Herkunftseltern gearbeitet hätte, dann wäre jetzt eine Rückführung möglich. Es kann nicht sein, dass die Untätigkeit ihnen jetzt zum Nachteil gereicht.« Nehmen Versäumnisse der Vergangenheit in den Gerichtsverfahren Raum ein, so ist das Kind mit seinen Bedürfnissen und seiner Entwicklung mitunter längst an einem anderen Punkt. Hier kommt es zu Spannungen, die sich in familiengerichtlichen Entscheidungen als eine vermeintliche Überbetonung der Elternrechte darstellen können. An solchen Verschiebungen kann die Kinder-und Jugendhilfe selbst etwas verändern, indem sie die Möglichkeiten einer Rückkehr in den elterlichen Haushalt eingehend prüft, den Herkunftseltern ggf. zur Verwirklichung ausreichend Unterstützungsangebote macht, und anschließend auf fundierter Grundlage feststellen kann, dass eine Option zum (erneuten) Leben in der Herkunftsfamilie zumindest nicht in einem für die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraum erarbeitet werden konnte.
Die Herkunftselternarbeit ist dabei nicht nur wichtig für die Entwicklung des Kindes, sondern auch für den gesellschaftlichen Konsens, der diejenigen Teile der Kinder- und Jugendhilfe trägt, die in ihrem Ausgangspunkt oder Verlauf relativ häufig auf (jugendamtlichen oder) familiengerichtlichen Zwang zurückgreifen müssen.
Qualitätskriterien für die Pflegekinderhilfe
Die Weiterentwicklung und Stärkung der Pflegekinderhilfe wird in ihrem tatsächlichen Effekt besser überprüf- und steuerbar, wenn es zu einer fachlichen Verständigung auf Qualitätskriterien kommt, die erhoben und deren Entwicklung gemeinsam ausgewertet wird. Ein solches System von Indikatoren kann bzw. sollte der Jugendhilfe nicht von außen übergestülpt werden.
Es lassen sich aber Empfehlungen formulieren, nach denen etwa folgende Qualitätsindikatoren möglich wären:
Psychische Gesundheit, soziale Teilhabe und Bildungserfolg der betreuten Pflegekinder
Die vorliegenden Befunde deuten darauf hin, dass Pflegekinder als Gruppe deutlich häufiger als andere Kinder Einschränkungen der psychischen Gesundheit, eine mangelnde soziale Teilhabe und ungünstige Bildungsverläufe erleben. Bei längerem Aufenthalt in einer Pflegefamilie ergeben sich im Mittel zwar eher günstige Veränderungen. Gleichzeitig wird aber ein hoher Anteil chronifizierender Störungen und anhaltend negativer Bildungskarrieren sichtbar. Besonders beunruhigend sind dabei Hinweise, wonach ein relativ hoher Anteil dieser besonders problembeladenen Kinder keine angemessene therapeutische oder teilstationäre Versorgung erfährt.
Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß psychische Gesundheit, soziale Teilhabe und Bildungserfolg von Pflegekindern durch eine verbesserte Versorgung, mehr Teilhabeangebote und mehr pädagogische Förderung gesteigert werden kann. Auch kann der Anteil psychisch auffälliger Kinder steigen, wenn mehr und auch ältere Kinder in Pflegefamilien vermittelt werden. Daher kann die Rate psychisch auffälliger Pflegekinder, der Anteil an Kindern mit wenigen Freundschaften und Lernschwierigkeiten nicht ohne weiteres als Qualitätskriterium verwandt werden. Mögliche Indikatoren wären aber
- der Anteil an Pflegekindern, zu denen eine qualifizierte Beschreibung der psychischen Gesundheit, des Bildungserfolgs und der sozialen Beziehungen vorliegt;
- der Anteil an Pflegekindern, bei denen im Rahmen der Hilfeplanung Ziele im Hinblick auf psychische Gesundheit, Bildungserfolg und soziale Teilhabe formuliert und erreicht werden;
- der Anteil an psychisch auffälligen Pflegekindern, die therapeutisch versorgt werden, sich in einer teilstationären Maßnahme befinden oder in einer Erziehungsstelle.
Qualifizierte Prüfung, Förderung und Begleitung von Rückführungen
In der deutschen Pflegekinderhilfe finden im internationalen Vergleich eher wenige Rückführungen statt, was nicht daran liegt, dass in Deutschland mehr als in anderen Ländern nur bei sehr schweren Fällen eine Herausnahme erfolgt. Eher scheint es so zu sein, dass Bedingungen für eine Rückführung zu Beginn der Platzierung häufig nicht klar festgelegt werden, und dann zudem qualifizierte Angebote zur Förderung der elterlichen Erziehungsfähigkeit während der Fremdunterbringung fehlen. Ziel kann jedoch nur sein, Rückführungen mit Aussicht auf Erfolg zu fördern.
Eine Steigerung der Rückführungszahlen um jeden Preis wäre kein fachlich vertretbares Anliegen. Mögliche Qualitätskriterien im Bereich der Prüfung, Förderung und Begleitung von Rückführungen wären
- das Vorhandensein von Anbietern und Konzepten zur Förderung der Erziehungsfähigkeit von Eltern, deren Kind derzeit in einer Pflegefamilie lebt;
- der Anteil der Fälle, in denen in der ersten Zeit nach der Fremdunterbringung festgelegt wird, welche Voraussetzungen die Eltern vor einer Rückführung konkret erfüllen sollten;
- die Anzahl an Pflegekindern, die innerhalb eines Jahres geplant rückgeführt werden und die im folgenden Jahr nicht wieder in Pflege genommen werden müssen, und für die innerhalb dieses Zeitraums auch keine begründeten Gefährdungsmeldungen eingehen.
Förderung von Kontinuität und Stabilität im Leben von Pflegekindern
Im internationalen Vergleich ermöglicht die Pflegekinderhilfe in Deutschland den anvertrauten Kindern ein relativ hohes Maß an Stabilität und Kontinuität. Trotzdem gibt es innerhalb des derzeitigen rechtlichen Rahmens sowohl vom Hilfesystem selbst verursachte Kontinuitätsbrüche (z.B. relativ späte Umplatzierungen von Bereitschafts- in Dauerpflegefamilien) als auch Kontinuitätsbrüche aufgrund von Konflikten oder Überforderungen, die sich zumindest teilweise durch eine intensivierte Fallbegleitung verhindern lassen. Mögliche Qualitätskriterien in diesem Bereich wären
- der Anteil der unter drei Jahre alten Pflegekinder, die im vergangenen Jahr eine Bereitschaftspflege ohne zusätzlichen Bindungsabbruch verlassen konnten;
- der Anteil in Vollzeitpflege befindlicher Kinder, bei denen im letzten erfolgten Hilfeplangespräch Konsens zwischen Fachkraft, leiblichen Eltern, Pflegeeltern und (jenseits des 8. Lebensjahres) dem Kind im Hinblick auf eine gewünschte Fortdauer des Pflegeverhältnisses bestand;
- die im Mittel erfahrene Anzahl an früheren Aufenthaltswechseln bei denjenigen jungen Erwachsenen, bei denen im vergangenen Jahr das Pflegeverhältnis beendet wurde.
Fachlich vereinbarte Qualitätskriterien sind nicht deshalb sinnvoll, weil die deutsche Pflegekinderhilfe als System versagen würde. Vielmehr zeigen gerade die Daten der DJI/DIJuF-Fallerhebung sehr klar einige Erfolge und Stärken auf. Zugleich ist jedoch deutlich geworden, dass die Pflegekinderhilfe noch mehr an Potenzial besitzt, das durch fachliche Weiterentwicklung von Instrumenten und Standards, Ausdifferenzierung des Angebots und Ergebnismonitoring stärker ausgeschöpft werden könnte. Dies zu erreichen wäre ein
wichtiger gemeinsamer Beitrag von Jugendhilfepraxis in der Fallarbeit und in den Leitungen, von Fachpolitik und Forschung für Kinder, die zeitweise oder dauerhaft nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können.
aus „Handbuch Pflegekinderhilfe“ S. 864 f.
von:
Die Forschungsgruppe Pflegekinder der Uni Siegen zum Fall Chantal