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Umwandlung einer Dauerpflege in eine Adoption
Themen:
Aspekte, die nach meiner Erfahrung eine spätere Adoption erschweren oder ausschließen können / ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Leibliche Eltern:
Die leiblichen Eltern führen regelmäßig Umgangskontakte durch und nehmen am Hilfeplanverfahren teil. Stimmen unter diesen Rahmenbedingungen die leiblichen Eltern einer halboffenen Adoption nicht zu, sind die Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung in die Adoption durch die leiblichen Eltern in der Regel nicht gegeben. Siehe hierzu „Ergebnisse und Materialien zum Ersetzungsverfahren § 1748 BGB des überregionalen Arbeitskreises Adoptions- und Pflegekindervermittlung beim LWL – Landesjugendamt Westfalen, erschienen in Münster, April 2012“.
Seitens des Kindes:
Das Kind ist körper- oder geistig-behindert, seelisch erkrankt, leidet an den Folgen des fetalen Alkoholsyndroms, an den Folgen schwerer frühkindlicher Traumatisierung, komplexen Bindungsstörung u.ä. Hier fürchten Pflegeeltern langfristig die Unterhalts und Förderkosten, welche prognostisch über die Volljährigkeit hinaus von der Adoptionsfamilie anteilig getragen werden müssen. Der spätere Erbe der leiblichen oder Adoptivkinder der Familie würde durch die Unterhaltspflicht geschmälert werden können.
Sehr umfängliche Bindungsstörungen hindern Kinder daran, tiefgehende Eltern-Kind-Bindungen einzugehen und beeinträchtigen hierdurch die Eltern-Kind-Beziehung so umfänglich, dass eine Eltern-Kind-Bindung von beiden Seiten nicht eingegangen werden kann.
Seitens der Pflegeeltern:
Für manche Pflegeeltern ist eine Adoption nicht umsetzbar, da das Familieneinkommen nach Wegfall des Pflegegeldes nicht ausreichen würde und das Pflegekind auf die ganztägige Betreuung eines Pflegeelternteils angewiesen ist.
Leben mehrere angenommene Kinder in einer Familie, scheuen Pflegeeltern – auch bei vorliegenden rechtlichen und bindungsrelevanten Möglichkeiten – die Adoption eines dieser Kinder, da sie befürchten, dass der rechtliche Unterschied die Geschwisterkonkurrenz „befeuern“ könnte.
Aspekte, die nach meiner Erfahrung für die Umwandlung eines Dauerpflegeverhältnisses in eine Adoptionselternschaft sprechen / ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Seitens der leiblichen Eltern:
Sie führen keine Umgangskontakte durch, nehmen nicht an den Hilfeplangesprächen teil und halten keinen Kontakt zum Jugendamt oder sonstige betreuende Einrichtungen.
Die leiblichen Eltern möchten das Kind in der Pflegefamilie rechtlich abgesichert sehen und stimmen der Adoption zu.
Seitens des Kindes:
Das Kind kam sehr jung zu seinen Pflegeeltern und hat zuvor keine oder nur kurze Erfahrungen mit einer Eltern-Kind-Bindung gemacht hat.
Kinder (auch ältere), welche im Verlauf des Pflegeverhältnisses ihre Pflegeeltern als ausschließliche Bindungs- und Elternpersonen erleben.
Seitens der Pflegeeltern:
Der Entscheidung, ein Pflegekind aufzunehmen, ging einer umfänglichen Auseinandersetzung mit der ungewollten Kinderlosigkeit voraus. Vielfach entschieden sich die Bewerber für die Aufnahme eines Pflegekindes, weil zum Vermittlungszeitpunkt die Aufnahme eines Adoptivkindes in zu große zeitliche Ferne rückte.
In diesen Konstellationen ist der Bindungseinstieg der Pflegeeltern geprägt von dem Wunsch, das Kind voll umfänglich an sich zu binden. Seitens der Pflegeeltern handelt es sich hier um eine Exklusiv-Bindung an das Kind.
Unter den oben genannten Aspekten sind Pflegeeltern sowohl im inner- wie auch im außerfamiliären Bereich voll umfänglich an die Stelle leiblicher Eltern getreten. Sie möchten ihr Pflegekind rechtlich und emotional an sich und ihre Angehörigen über die Volljährigkeit hinaus binden.
Verfahrensablauf:
Eine Inlandsadoption wird im Adoptionsvermittlungsgesetz, im BGB und im FamFG geregelt.
Die erste Vorraussetzung für eine Adoption stellt die Einwilligung der leiblichen Eltern dar, welche – unabhängig davon ob ein Elternteil das Sorgerecht hat oder nicht – über eine notarielle Erklärung erfolgen muss.
Willigen die leiblichen Eltern nicht in die Adoption ein, prüft die Adoptionsvermittlungsstelle die Voraussetzungen der gerichtlichen Ersetzung der Einwilligung. Um diese beantragen zu können, bedarf es entweder eines Vormundes oder aber der Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Wirkungsbereich „Einwilligung in die Adoption“ und „Beantragung der gerichtlichen Ersetzung der Einwilligung in die Adoption“. Die rechtlichen Voraussetzungen des Ersetzungsverfahrens sind in § 1748 BGB geregelt und lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Anhaltende gröbliche Pflichtverletzung/besondere schwere Pflichtverletzung/Gleichgültigkeit i. V. m. unverhältnismäßigem Nachteil und voraussichtlich dauernde Unmöglichkeit, das Kind dem Elternteil/-teilen wieder anzuvertrauen
- Die Voraussetzung einer Ersetzung ist auch bei Vorliegen anhaltender Pflichtverletzungen und Gleichgültigkeit gegeben, wenn das Unterbleiben der Adoption für das Kind einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellt.
- Die Einwilligung kann ferner ersetzt werden, wenn ein Elternteil wegen einer besonders schweren psychischen Krankheit oder einer besonders schweren geistigen und seelischen Behinderung zur Pflege und Erziehung des Kindes dauerhaft unfähig ist und wenn das Kind bei Unterbleiben der Annahme nicht in einer Familie aufwachsen könnte und dadurch in seiner Entwicklung schwer gefährdet wäre.
- In den Fällen der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter bei unverheirateten Kindeseltern ohne Sorgeerklärung kann das Familiengericht die Einwilligung des Vaters ersetzen, wenn das Unterbleiben der Annahme des Kindes zum unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde.
Liegt die notarielle Einwilligung der Kindeseltern vor und/oder hat das Gericht die fehlende Einwilligung ersetzt, beantragen die Pflegeeltern in einer notariellen Erklärung die Annahme ihres Pflegekindes. Besteht eine Vormundschaft/Pflegschaft, stimmt der Vormund für das Kind notariell zu.
Die Adoptionsvermittlungsstelle stellt umfängliche Unterlagen zusammen, die vom Notar gemeinsam mit dem Adoptionsantrag und den dort vorliegenden Einwilligungserklärungen an das Gericht weitergeleitet werden. Die Unterlagen der Adoptionsvermittlungsstelle bestehen aus der gutachterlichen Äußerung zum Integrationsverlauf des Kindes und zur Entstehung einer Eltern-Kind-Bindung, Einkommensnachweise, erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse, amtsärztliche Gutachten über die Adoptionseignung, Meldebescheinigungen, Geburtsurkunden, Heiratsurkunden u. ä.
Nach Prüfung des Antrages durch das Familiengericht erfolgt dann eine gerichtliche Anhörung der Adoptiveltern und des anzunehmenden Kindes. Der Gerichtsbeschluss schließt nach Rechtskraft das Adoptionsverfahren ab.
In Mülheim an der Ruhr trägt die Adoptionsvermittlungsstelle die mit der Adoption in Zusammenhang stehenden Kosten.
In einigen Fällen nutzen die Pflegeeltern und die zu adoptierenden Kinder die Möglichkeit, die Vornamensgebung zu verändern. In Mülheim an der Ruhr wird erwartet, dass der von den Eltern gegebene Name im Vornamen zumindest als Zweitnamen erhalten bleibt.
Mülheim an der Ruhr, den 22.04.2014
Andrea Rumswinkel
Weiterentwicklung der Vollzeitpflege in Niedersachsen