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26.05.2008

Sonderpädagogische Pflegestellen für Kinder mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen

Frauke Zottmann-Neumeister, Sachgebietsleiterin Sonderpädagogische Pflegestellen der Diakonie Düsseldorf, stellt das Hilfeangebot der Sonderpädagogischen Pflegstellen vor und informiert über die hierbei auftretende Problematik der ungeklärten Rechtssituation.

Die Diakonie Düsseldorf arbeitet seit 2001 mit einem Unterbringungskonzept, das speziell auf die Bedürfnisse behinderter Kinder zugeschnitten ist. Frauke Zottmann-Neumeister, Sachgebietsleiterin Sonderpädagogische Pflegestellen der Diakonie Düsseldorf berichtete über dieses Konzept auf der Bundesfachtagung "Wege finden - Türen öffnen, Pflegefamilien auch für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" am 14.03.2007 in Düsseldorf

Ich freue mich, Ihnen heute unser Hilfeangebot der Sonderpädagogischen Pflegstellen vorstellen zu können und Sie über die hierbei auftretende Problematik der ungeklärten Rechtssituation zu informieren.

Nach einer Einführung über die Benachteiligung behinderter Kinder und Jugendlicher gegenüber nicht behinderten Kindern und einer Kurzbeschreibung des Hilfeangebotes werde ich Ihnen unser Konzept vorstellen.

Es beinhaltet die erforderlichen Rahmenbedingungen, die Organisation und personelle Ausstattung, die zu vermittelnden Kinder und Jugendlichen, die Sonderpädagogischen Pflegstellen, ihre Motivation sowie Voraussetzungen, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Ich werde Ihnen einen kurzen Einblick über die Finanzierung der Pflegstellen sowie deren Begleitung und Beratung geben.

Nach einem Abstecher zu unseren Qualitätsstandards kommt der wichtigste Teil, die rechtlichen Grundlagen und die hiermit verbundenen Probleme bei der Unterbringung chronisch kranker und behinderter Kinder in Pflegefamilien.

1. Einleitung

Obwohl im Grundgesetz verankert ist, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, trifft dies auf Kinder mit Behinderungen nicht zu.

Jedes Kind ist zunächst ein Kind mit einem Anspruch auf Erziehung. Ungeachtet dessen werden Kindern mit Behinderungen in vielen Fällen die Leistungen des Kinder- und Jugendhilfegesetztes verwehrt.

In Deutschland gibt es nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes 134.000 Minderjährige unter 15 Jahren mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen, davon leben 29.630 Minderjährige in NRW. Von ihnen sind 8,4 Prozent, (2.837) in vollstationären Einrichtungen untergebracht.

Über die Anzahl von behinderten Kindern in Pflegefamilien gibt es keine Angaben.

Wenn Kinder und Jugendliche mit Behinderungen aus den unterschiedlichsten Gründen, sei es aufgrund von Überforderung der Eltern oder wegen Vernachlässigung und Misshandlung, nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben können, sollten sie wie gesunde und nichtbehinderte Kinder einen Rechtsanspruch auf angemessene, ihrem Bedarf entsprechende Hilfe haben.

Insbesondere Säuglinge, Klein- und Schulkinder mit Behinderungen, sowie Kinder mit nur noch begrenzter Lebenserwartung brauchen ein familiäres Lebensumfeld mit festen Bezugspersonen. Daher dürfte die Pflegefamilie für sie die beste Unterbringungsform sein.

Bedauerlicherweise gibt es in der BRD nur wenige Träger, die auch Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien vermitteln. Es ist kein Regelangebot. Zurückzuführen ist dies auf die fälschliche Annahme, dass es keine Familien oder Einzelpersonen gibt, die eine solche Aufgabe übernehmen würden. Ausschlaggebend ist jedoch, dass es für diese Hilfeform bisher keine eindeutige gesetzliche Grundlage gibt. Daher scheuen Freie Träger das Risiko, ausschließlich Kinder mit Behinderungen zu vermitteln. Obwohl ein hoher Bedarf besteht, fanden und finden heute noch immer Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben können, überwiegend Aufnahme in Behinderteneinrichtungen, in denen sie meist ihr Leben lang verbleiben.

2. Kurzbeschreibung

Seit 2001 gibt es unser Hilfeangebot Sonderpädagogischen Pflegestellen für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.

Unser Ziel ist es, diesen beeinträchtigten Kindern, die nicht bei ihren Eltern leben können, zu ermöglichen, in einer Sonderpädagogischen Pflegefamilie aufzuwachsen.

Von Ende 2001 bis heute:

  • konnten insgesamt 91 Kinder Aufnahme in Familien finden,
  • 10 bis 15 Kinder sind regelmäßig zur Vermittlung in eine Sonderpädagogische Pflegestelle vorgemerkt,
  • über 100 vorgemerkte überprüfte Pflegelternbewerber stehen ständig zur Aufnahme eines behinderten Pflegekindes bereit.

Von der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes wurde unser Hilfeangebot im Jahr 2004 mit dem Förderpreis für herausragende Leistungen im Dienste von Pflegekindern ausgezeichnet.

3. Konzeption

Grundlage bei der Entwicklung unseres Konzeptes bzw. der unterstützenden Hilfen für Sonderpädagogische Pflegestellen waren u.a. die Untersuchungsergebnisse der Universität Bielefeld zum Forschungsprojekt Familien mit behinderten Kindern im System früher Hilfen, gefördert im Rahmen des Nordrheinwestfälischen Forschungsverbundes Public Health vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie von 1996.

Die Betreuung, Pflege und Erziehung eines chronisch kranken oder behinderten Kindes ist eine große zeitliche und kräftemäßige Beanspruchung und verlangt eine hohe emotionale Belastbarkeit. Nicht wenige Familien mit leiblichen behinderten Kindern scheitern hieran.

Familien, die ein behindertes Kind betreuen, benötigen regelmäßige Auszeiten ohne Kind zur Wahrnehmung sozialer Kontakte, sowie regelmäßige Erholungsphasen, um physisch und psychisch gesund zu bleiben. Voraussetzung hierfür ist, dass während dieser Zeiten die Betreuung des Kindes sichergestellt ist.

Familien, die freiwillig bereit sind, ein krankes oder behindertes Kind bei sich aufzunehmen, haben den Anspruch, optimal begleitet zu werden. Hierzu gehört eine intensive Beratung sowie Sicherstellung und Finanzierung umfassender Hilfen. Nur so werden sie langfristig in der Lage sein, den hohen Anforderungen der Betreuung und Pflege gewachsen zu sein. Eine solche Aufgabe kann auf Dauer nur unter der Voraussetzung ausreichender Unterstützungsangebote gelingen.

Hier nur ehrenamtliches Engagement zu erwarten, wäre sowohl den Pflegefamilien als auch den betroffenen Kindern gegenüber nicht zu verantworten. Das Scheitern der Pflegeverhältnisse aufgrund mangelnder unterstützender Hilfen wäre vorprogrammiert.

Wir können davon ausgehen, dass ohne Finanzierung entsprechender Hilfen, sich hierfür kaum qualifizierte Familien finden lassen, die bereit wären, ein schwer behindertes Kind in ihren Haushalt aufzunehmen und zusätzlich auch noch für die entstehenden Kosten selbst aufkommen zu müssen. Das Hilfeangebot der Sonderpädagogischen Pflegstellen könnte realistischer Weise nicht vorgehalten werden.

4. Organisation und personelle Ausstattung

Um ein flächendeckendes Angebot und eine ortsnahe Beratung zu gewährleisten, wird die Vermittlungstätigkeit und Begleitung der Pflegefamilien von acht Außenstellen aus wahrgenommen, die in unterschiedlichen Regionen Nordrhein-Westfalens liegen. Neben Düsseldorf bestehen diese in Brüggen, Werne, Kamen, Menden, Meinerzhagen, Hennef und Königswinter. In Kürze werden wir eine weitere in Köln errichten.

Das Mitarbeiterinnenteam besteht aus acht hauptamtlichen Diplom-Sozialarbeiterinnen mit therapeutischen Zusatzqualifikationen sowie zwei Verwaltungsmitarbeiterinnen. Auf Honorarbasis arbeiten wir mit einer Rehafachberaterin, Heilpädagogin, Diplom-Psychologin, Supervisorin, Ärztin, Krankenschwester, EDV Berater und Rechtsanwältin zusammen. Weiterhin unterstützen uns ehrenamtlich zahlreiche pädagogische MitarbeiterInnen bei der Kinderbetreuung während der von uns angebotenen Gruppenarbeit, Fortbildungsseminare und sonstiger Veranstaltungen.

Der Personalschlüssel beträgt 1: 10

Ja nach Entwicklung der Anzahl der zu betreuenden Kinder sind ein Personalausbau und weitere Außenstellen vorgesehen.

5. Zu vermittelnde Kinder und Jugendliche

Die zu vermittelnden Kinder werden uns von Jugendämtern, Einrichtungen, Krankenhäusern, Einzelvormündern und im Einzelfall von Herkunftseltern selbst benannt.

5.1. Art der Beeinträchtigungen

Es handelt sich um Säuglinge, Kinder und Jugendliche bis zur Volljährigkeit mit den unterschiedlichsten Arten von Erkrankungen oder körperlichen und geistigen Behinderungen wie schwere Hirnschädigungen, Chromosomenanomalien, Tetraspastik, Epilepsien, Muskeldystrophien, Alkoholembryopatien, schwere Organfehlbildungen, geistige Behinderungen, Hör- und Sehbehinderungen, Herz- und Lungen-, Virus- oder Krebserkrankungen.

Bei einem hohen Teil der gerade sehr jungen Kinder wurde die Behinderung durch Gewalteinwirkung und Misshandlung verursacht. In Einzelfällen haben Kinder nur noch eine begrenzte Lebenserwartung. Innerhalb des letzten Jahres verstarben drei der von uns betreuten Kinder.

5.2. Einzugsbereich

Die Vermittlung erfolgt überregional. Im Hinblick auf unterzubringende Kinder haben wir keine räumlichen Grenzen gesetzt. Anfragen kommen überwiegend aus Nordrhein-Westfalen. Doch wir sind genauso offen für Kinder aus anderen Bundesländern.

Da auch die weitere Betreuung von uns wahrgenommen wird, beschränken wir uns im Hinblick auf den Wohnort der sonderpädagogischen Pflegestellen im Wesentlichen auf Nordrhein-Westfalen, sowie auf Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg.

Wenn es sich um besonders problematische und schwer zu vermittelnde Kinder handelt, machen wir Ausnahmen und berücksichtigen auch Bewerber aus weiter entfernten Bundesländern

Es ist dringend notwendig, dass in allen Bundesländern spezielle Pflegekinderdienste für Kinder mit Behinderungen eingerichtet werden. Wenn sich ergänzend hierzu noch eine intensive Kooperation der Dienste miteinander entwickeln würde, könnten weitaus mehr kranke und behinderte Kinder Aufnahme in Familien finden.

5.3. Vermittlungsvoraussetzungen

Voraussetzungen für die Vermittlung von Kindern und Jugendlichen in eine Sonderpädagogische Pflegestelle sind:

  • Zustimmung des Kindes sowie seiner gesetzlichen Vertreter zur Unterbringungsform der Sonderpädagogischen Pflegestelle
  • Umfassende Gutachten über Erkrankung oder Behinderung des Kindes sowie Behandlungs- und Therapiekonzepte
  • Kostenzusage des zuständigen Kostenträgers

Bei der Kostenzusage fangen die Probleme an, auf die ich später noch ausführlicher eingehen werde. Bei jedem 3. bis 4. Kind scheitert die Unterbringung in einer Pflegfamilie aufgrund der ungeklärten Zuständigkeitsfrage bzw. da kein Kostenträger bereit ist, die Finanzierung dieser Hilfeform zu übernehmen.

6. Sonderpädagogische Pflegestellen für chronisch kranke und behinderte Kinder

6.1.Voraussetzungen

Auch wenn es sich um so genannte Profifamilien handelt ist für uns die wichtigste Voraussetzung für die Aufnahme eines Kindes die Liebe zu Kindern und die Freude, mit kranken und behinderten Kindern zusammen zu leben.

Weiterhin sollten die Familien über eine pflegerische, medizinische, pädagogische oder psychologische berufliche Qualifikation oder entsprechende Vorerfahrungen verfügen.

Es ist für uns unerheblich, ob es sich um eine vollständige oder unvollständige Familie im herkömmlichen Sinne handelt. Die ganze Bandbreite familiärer Lebensformen ist denkbar.

Die Eignungsprüfung der Familien erfolgt nach in unseren Qualitätsstandards festgelegten Kriterien und Verfahren. Hierzu gehört die Prüfung der schriftlichen Unterlagen, Gespräche und Hausbesuche grundsätzlich durch zwei Mitarbeiterinnen, Teilnahme an unseren Bewerberseminaren sowie Erstellung eines Bewerberprofils. Die Auswertung erfolgt im Team. Nur wenn sich alle Mitarbeiterinnen im Team einstimmig für die Bewerberfamilie aussprechen, kommen diese für die Aufnahme eines Kindes in Frage.

6.2. Motivation zur Aufnahme eines behinderten oder kranken Kindes

Die meisten Familien haben bereits ganz persönliche Erfahrungen im Umgang mit kranken oder behinderten Kindern gemacht, entweder in ihrem familiären Umfeld oder berufsbedingt. Sie haben erlebt, welche Freude kranke und behinderte Kinder neben den pflegerischen und psychischen Belastungen machen können. Sie möchten einem besonders benachteiligten Kind die Chance geben, in der Geborgenheit ihrer Familie aufzuwachsen. Weiterhin gibt es Familien mit pädagogischer oder pflegerischer beruflicher Qualifikation, die als Alternative zu einer außerhäuslichen Berufstätigkeit ein Kind in ihrer Familie betreuen.

Überwiegend handelt es sich vom Lebensalter her um ältere Pflegeeltern, deren Kinder erwachsen sind und die sich noch einmal einer sinnvollen Lebensaufgabe stellen möchten.

6.3. Öffentlichkeitsarbeit

Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, unser Hilfeangebot zu veröffentlichen, bzw. Sonderpädagogische Pflegestellen zu gewinnen.

Zu Beginn unserer Tätigkeit haben wir unser Angebot in Form von Artikeln in Fachzeitschriften und der Tagespresse veröffentlicht sowie durch Vortragstätigkeiten bekannt gemacht. Hier sage ich noch einmal dem Bundesverband behinderter Pflegekinder, dem Verband der Pflege- und Adoptivfamilien in Nordrhein-Westfalen sowie der Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien meinen besonderen Dank. Sie waren uns eine große Hilfe beim Aufbau unseres Hilfeangebotes.

Als Printmedien verwenden wir unsere Konzeption, Erfahrungsbericht, Qualitätsstandards sowie die Zeitschrift Eltern für Eltern und versenden diese an Jugendämter, Pflegekinderdienste freier Träger sowie interessierte Bewerber.

Damit komme ich auf die wichtigste Form der Werbung und Gewinnung neuer Sonderpädagogischer Pflegefamilien, die Mund zu Mund Information.

Familien, die sich gut durch uns begleitet fühlen, werben weitere Familien. JugendamtsmitarbeiterInnen, die mit unserer Arbeit zufrieden sind, geben dies an andere KollegInnen weiter.

Inzwischen sind wir in der glücklichen Situation, dass uns regelmäßig neue Familien wegen der Aufnahme eines Kindes anfragen, so dass ständig eine ausreichende Anzahl von Pflegeelternbewerbern bei uns vorgemerkt ist. ( in der Regel über 100 Familien )

Bei Vermittlungsanfragen steht mit großer Wahrscheinlichkeit immer eine geeignete Familie für das entsprechende Kind zur Verfügung.

Die meisten Bewerber haben ganz spezielle Wünsche und Vorstellungen im Hinblick auf das aufzunehmende Kind. Dies ist auf ihre persönlichen Erfahrungen zurückzuführen. So kann es sein, dass trotz der zahlreichen Bewerber dennoch für ein bestimmtes Kind nicht sofort eine Familie vorhanden ist, wir erst gezielt suchen müssen.

Zuversicht und Optimismus sind Grundvoraussetzungen für unsere Arbeit. Unsere Devise lautet: Jedes Kind hat ein Recht auf Eltern und ein Zuhause. Irgendwo gibt es für jedes Kind eine Familie, wir müssen uns nur auf die Suche begeben.

7. Finanzierung

Die Unterbringung der Kinder in Sonderpädagogischen Pflegestellen wird über Pflegesätze finanziert. Die Entgeltsatzvereinbarung erfolgte mit dem Jugendamt Düsseldorf.

Wir schließen vor der Unterbringung eines Kindes mit dem jeweiligen Kostenträger einen Vertrag ab, in dem alle Leistungen, einschließlich individueller Zusatzleistungen, festgehalten werden.

Die Kostenzusage muss vor Aufnahme des Kindes in die Pflegestelle schriftlich vorliegen.
Monatliche Leistungen an eine Sonderpädagogische Pflegestelle

  • Pflegegeld ( gestaffelt nach Alter ) gem. Empfehlung des Landesjugendamts Rheinland.
  • Erziehungsbeitrag gem. Empfehlung des Landesjugendamts Rheinland für Erziehungsstellen
  • Beitrag zur Alterssicherung
  • Übernahme der Kosten einer zusätzliche Betreuungsperson für wöchentlich 10 bis 20 Stunden
  • Erstattung von Fahrtkosten zu medizinischen und therapeutischen Behandlungen, Besuchskontakten, Hilfeplangesprächen, Supervision, Gruppen- und Seminararbeit

Vertraglich zu vereinbarende Sonderleistungen

  • Ausstattungsbeihilfe bei Aufnahme in die Pflegefamilie für Bekleidung und Möbel gem. der Sätze des Jugendamts Düsseldorf
  • Übernahme von Betreuungskosten für jährlich 6 Wochenenden à 3 Tage wegen Beurlaubung der Sonderpädagogischen Pflegestelle
  • Übernahme von Betreuungskosten für jährlich 6 Wochen wegen Urlaub der Sonderpädagogischen Pflegestelle (abzüglich Leistungen der Pflegekasse für Kurzzeitpflege)
  • Übernahme der Kosten für Reha- und Pflegehilfsmittel, die weder von der Krankenkasse noch von der Pflegekasse finanziert werden
  • Ferienbeihilfen

Ständig werden Anträge auf Finanzierung erforderlicher Therapien oder Hilfsmittel abgelehnt. Widersprüche sind der Regelfall. Wir erstatten den Familien die hierdurch entstehenden Rechtsanwaltskosten und treten, wenn möglich, für sie in Vorlage. Der Spendenwerbung gilt daher unsere besondere Aufmerksamkeit.

8. Beratung und Begleitung der Familien

Unsere Beratung und Begleitung umfasst:

  • Intensive Beratung der Pflegefamilien in psychologischen, pädagogischen und rechtlichen Fragen
  • Beratung und Unterstützung bei der Beschaffung erforderlicher Rehahilfsmittel, pädagogischer Beschäftigungsmaterialien, Einrichtung behindertengerechter Wohnungen, Autoumrüstung etc.
  • Unterstützung bei der Beantragung finanzieller Hilfen sowie Pflegeeinstufung
  • Begleitung der Besuchskontakte mit Herkunftsfamilien
  • Begleitung und Unterstützung in der Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten, Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen, Kranken- und Pflegekassen, medizinischen Diensten, Versorgungsämtern sowie sonstigen Behörden und Institutionen
  • ergänzende fachspezifische Beratung durch Rehafachberaterin, Heilpädagogin, Diplom-Psychologin, Seelsorger, Rechtsanwalt etc.
  • Gruppenberatung ( 5 Regionalgruppen jeweils einmal monatlich )
  • Gesprächskreis für trauernde Pflegeeltern
  • Erste Hilfekurse am Kind
  • Fortbildungsseminare (vierteljährlich )
  • Wochenendfreizeiten ( einmal jährlich )
  • Ferienmaßnahmen während der Schulferien
  • Geschwisterfreizeiten
  • Veröffentlichung und Versand der Zeitschrift Eltern für Eltern

Unsere Beratung erfolgt in Form von Telefonaten, Hausbesuchen, Gesprächsgruppen. In Akutsituationen besteht eine ständige telefonische Erreichbarkeit.

Ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit ist die Förderung des Austausches und der Vernetzung der Pflegeltern untereinander mit dem Ziel der gegenseitige Unterstützung und Ermutigung.

Pflegeeltern sind unsere Partner. Gemeinsam mit ihnen sind wir für das Wohl der Kinder verantwortlich, mit unterschiedlichen Aufgaben. Es ist unsere Aufgabe, zur Verbesserung der Bedingungen in den Pflegefamilien beizutragen.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist Grundvoraussetzung für das Gelingen des Pflegeverhältnisses und damit für optimale Entwicklungsbedingungen.

9. Qualitätssicherung

Zur Qualitätssicherung wurden nachfolgende Standards entwickelt:

  • Teambesprechungen, Fachaustausch, kollegiale Beratung, ( einmal wöchentlich )
  • Telefonkonferenzen ( bei Bedarf )
  • Teamsupervision ( einmal monatlich )
  • Klausurtagungen ( zweimal jährlich für zwei bis drei Tage )
  • Regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen und Fachtagungen
  • Qualitätshandbuch (fortlaufende Aktualisierung )
  • Qualitätsstandards zu bestimmten Schlüsselprozessen wie:
  • Bewerberverfahren
  • Vermittlungsverfahren
  • Beratung und Begleitung der Pflegefamilien
  • Zusammenarbeit mit Herkunftsfamilien
  • Sterbebegleitung / Trauerarbeit
  • Herausnahme eines Kindes aus der Pflegefamilie
  • Rückführung eines Kindes in die Herkunftsfamilie

10. rechtliche Grundlagen

Die Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien erfolgt entweder als Hilfe zur Erziehung gemäß SGB VIII oder als Eingliederungshilfe gemäß SGB XII. Die Zuständigkeit ist in jedem Einzelfall zu klären. Es gibt bisher keine eindeutigen einheitlichen gesetzlichen Grundlagen.

Das SGB VIII findet nur Anwendung, wenn der Unterbringungsgrund eindeutig auf erzieherische Defizite in der Herkunftsfamilie zurückzuführen ist. Ist die Behinderung Unterbringungsgrund, wird die Zuständigkeit abgelehnt und auf den Sozialhilfeträger verwiesen. Obwohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe in ihren Empfehlungen zu den Wohnformen für Behinderte ausdrücklich für behinderte Kinder und Jugendliche auf die Unterbringung in Pflegefamilien verweist, sind lediglich in wenigen Einzelfällen kommunale Sozialämter bereit, die Unterbringung in einer Pflegfamilie zu finanzieren. In der Regel weigern sich kommunale sowie überörtliche Träger der Sozialhilfe beharrlich, die Familienpflege in ihren Leistungskatalog mit aufzunehmen, obwohl die Unterbringung in einer Familie an verschiedenen Stellen im SGB XII ausdrücklich erwähnt wird.

Bei den von uns betreuten Kindern erfolgt die Finanzierung in 84 Fällen gem. SGB VIII und in 7 Fällen gemäß SGB XII.

An der ungeklärten Zuständigkeitsfrage darf die Unterbringung behinderter Kinder in Pflegefamilien nicht länger scheitern. Obwohl das SGB IX eindeutig die Zusammenarbeit unterschiedlicher Träger regelt, findet dieses in der Praxis kaum Anwendung.

So erleben wir in unserer Arbeit, dass jedes dritte bis vierte Kind, für das wir um Vermittlung in eine Pflegefamilie angefragt wurden, aufgrund der ungeklärten Rechtslage Aufnahme in einer Behinderteneinrichtung fand. Diese Hilfeform ist eindeutig im SGB XII geregelt, wenn auch erheblich teurer als die Unterbringung in einer Pflegefamilie.

Ausgeschlossen ist der Wechsel eines Kindes aus einer Behinderteneinrichtung in eine Sonderpädagogische Pflegestelle. Für die Kosten der stationären Unterbringung ist bisher der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Beim Wechsel in eine Pflegestelle würde die Zuständigkeit auf den kommunalen Träger der Sozialhilfe oder Jugendhilfe wechseln. Kommunale Kostenträger wehren sich hiergegen mit allen Mitteln.

Dies ist eine nicht hinzunehmende Ungleichbehandlung gegenüber nicht behinderten Kindern. Behinderte Kinder haben nicht die Chance, wie es das KJHG vorsieht, von einer einmal gewählten Hilfeart in eine andere, ihrem Bedarf mehr entsprechende Hilfeform zu wechseln.
Es gibt zwar die Möglichkeit, die Hilfe im Wege eines Gerichtsverfahrens einzuklagen. In 5 Jahren Praxis haben wir das jedoch nicht erlebt.

Ein weiteres bisher nicht gelöstes Problem ist der Übergang eines behinderten Pflegekindes in die Volljährigkeit bzw. beim Wechsel von der Jugendhilfe in die Sozialhilfe.

Der Sozialhilfeträger beschränkt sich in seinen Leistungen auf die Kosten des Lebensunterhaltes einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales teilte uns im Schreiben von April 2006 ausdrücklich mit:“ Keine Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, die Pflegeeltern für ihre Zuwendungen an den behinderten jungen Menschen finanziell zu entlohnen sowie Beiträge für deren Altersvorsorge zu übernehmen. Auch Zuwendungen zur Finanzierung von Urlauben der Pflegeeltern kommen nicht in Betracht.“

Es ist bei einem Menschen mit einer schweren Mehrfachbehinderung unerheblich, ob er Kind, Jugendlicher oder Erwachsener im Sinne des Rechts ist. Immer ist der Betreuungsbedarf intensiv und umfassend. Lebt der junge Mensch in einer Behinderteneinrichtung werden Betreuungsleistungen auch nicht mit dem Übergang in die Volljährigkeit um ein vielfaches reduziert, warum also in Pflegefamilien? Der Wechsel junger Menschen nach Erreichung der Volljährigkeit von Pflegfamilien in stationäre Einrichtungen ist somit unausweichlich. Betreuungspersonen werden langfristig nicht in der Lage sein, ohne umfassende Hilfen der Betreuung und Pflege gerecht zu werden.

Bedauerlicherweise haben Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen in unserem Land keine Lobby. Ihre Situation ist leider vielen in der Jugend- und Sozialhilfe tätigen Fachkräften sowie Politikerinnen und Politiker zu wenig bekannt. Es darf nicht sein, dass Entscheidungen über das Leben behinderter Kinder im Vergleich zu nicht behinderten Kindern, sich nicht am Wohl des Kindes orientieren, wie in Artikel 3 der UN Kinderschutzkonvention gefordert wird, sondern die Finanzsituation der zuständigen Kommune ausschlaggebend ist.

Abhilfe der Abgrenzungsschwierigkeiten und Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Jugend- und Sozialhilfe für Leistungen in Familien oder Einrichtungen ist nur durch eindeutige Rechtsgrundlagen zu schaffen, indem alle jungen Menschen in Deutschland, ob mit und ohne Behinderung der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet werden.

Nicht nur im Hinblick auf die Entwicklungsbedingungen für chronisch kranke und behinderte Kinder in Pflegefamilien, auch im Hinblick auf Kostenersparnis für die öffentlichen Haushalte, ist dringender Handlungsbedarf geboten. Die Unterbringungskosten eines schwer behinderten Kindes in einer Pflegefamilie sind im Jahr um ca. € 30.000 günstiger als in einer stationären Einrichtung. Bei 1.000 Kindern sind dies pro Jahr bereits € 30 Millionen.

11. Schlussfolgerungen

Nach 5 Jahren Praxiserfahrung wissen wir:

  • Es gibt einen hohen Bedarf an Unterbringungen behinderter Kinder in Pflegestellen.
  • Es stehen ausreichend Sonderpädagogische Pflegestellen für die Aufnahme kranker und behinderter Kinder zur Verfügung.
  • Jede dritte bis vierte Unterbringung in eine Pflegefamilie scheitert aufgrund fehlender eindeutiger Rechtsgrundlagen.
  • Ein Wechsel von Kindern aus Einrichtungen in eine Pflegefamilie ist fast ausgeschlossen.
  • Es besteht dringend Regelungsbedarf beim Übergang in die Volljährigkeit (vom Wechsel aus der Jugend- in die Sozialhilfe)

12. Zusammenfassung

Die Sonderpädagogische Pflegestelle der Diakonie Düsseldorf im Internet

  • Obgleich im Grundgesetz verankert ist, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, trifft dies für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen nicht zu
  • Unser Ziel ist es, Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen zu ermöglichen, in der Geborgenheit einer Sonderpädagogischen Pflegestelle aufzuwachsen.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass Familien, die eine solche Aufgabe übernehmen, optimal begleitet, beraten und unterstützt werden.
  • Bei Sicherstellung umfassender Hilfen und Unterstützung stehen ausreichend Sonderpädagogische Pflegefamilien für die Aufnahme behinderter Kinder und Jugendlicher zur Verfügung.
  • Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sollten genauso wie Kinder ohne Behinderung einen Anspruch auf angemessene ihrem Bedarf entsprechende Hilfen haben.

Es wäre schön, wenn die heutige Tagung ein Anstoß dafür ist, die Rechtssituation chronisch kranker und behinderter Kinder zu verbessern. Ich danke allen, die sich hierfür einsetzen.

Autorin: Frauke Zottmann-Neumeister, Sachgebietsleiterin Sonderpädagogische Pflegestellen der Diakonie Düsseldorf

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