Sie sind hier
Rechtliche Vertretung oder Betreuung nach Volljährigkeit eines Pflegekindes
Relevant in:
Nach Volljährigkeit eines Pflegekindes endet die Vormundschaft. Der junge Erwachsene muss ab diesem Zeitpunkt seine wichtigen Angelegenheiten selbst erledigen und sich rechtlich alleine vertreten.
Manche jungen erwachsenen Pflegekinder sind dieser Verantwortung noch nicht gewachsen. Dies kann bereits bei einer Entwicklungsverzögerung des Pflegekindes der Fall sein.
Bei Pflegekindern mit einer seelischen (psychischen), geistigen oder körperlichen Behinderung ist es ggf. erforderlich, eine dauerhafte rechtliche Vertretung für wichtige Angelegenheiten des Lebens zu installieren, damit die Grundsicherung und allgemeine Teilhabe am Leben sicher gestellt ist.
Eine rechtliche Vertretung (durch eine volljährige Person) kann in Form einer ausgestellten Vollmacht des jungen volljährigen Erwachsenen tätig werden, oder ein rechtlicher Betreuer wird durch das Betreuungsgericht als rechtlicher Betreuer bestellt.
Bei der Bestellung durch das Gericht wird zwischen ehrenamtlichem Betreuer und Berufsbetreuer unterschieden. Geeignete ehrenamtliche Betreuer sind rechtlich immer vorrangig durch das Gericht zu bestellen.
Im Sinne des Gesetzes (§ 1896 BGB) wird eine Betreuung angeordnet, wenn ein Volljähriger auf Grund einer Erkrankung (Beeinträchtigung oder/ und Behinderung) seine Angelegenheiten insgesamt oder in einzelnen Angelegenheit nicht alleine besorgen kann. Eine Entwicklungsverzögerung wird als Beeinträchtigung gewertet.
Der rechtliche Betreuer
1992 wurde die Entmündigung oder Vormundschaft für Erwachsene abgeschafft. Anstelle dessen trat das Betreuungsgesetz- BtG (Reformgesetz) am 01.01.1992 in Kraft. Damit konnte das Selbstbestimmungsrecht (Artikel 2 Abs.1 GG) umgesetzt werden. Seitdem sind Betreuungen zur Rechtsfürsorge geworden.
Der Wille des Betreuten ist vorrangig und maßgeblich zu beachten. Das bedeutet, dass jede Entscheidung, die der Betreuer für den Betreuten trifft mit dem Betreuten vorher besprochen werden muss. Ist der freie Wille des Betreuten mit dem Wohl des Betreuten vereinbar, ist dem Willen Folge zu leisten (§1901 Abs. 2 BGB).
Rechtliche Betreuung stellt somit keine Entmündigung mehr dar, sondern eine Hilfe bei Erledigungen der Rechtsgeschäfte und vor allem einer Vertretung bei der Geltendmachung von Ansprüchen. Wird ein Betreuer aus freiem Willen des Betreuten bestellt, dann kann dieser diese Bestellung des rechtlichen Betreuers jederzeit widersprechen und somit zeitnah beenden. Eine regelmäßige Abfrage des Gerichtes, ob ein rechtlicher Betreuer noch erforderlich ist, erfolgt zudem.
Wirkungskreis einer rechtlichen Betreuung
Eine rechtliche Betreuung bezieht sich immer auf bestimmte Wirkungskreise (Aufgabenkreise).
Wirkungskreise werden wie folgt unterschieden:
- Gesundheitssorge
- Vermögenssorge (auch Vertretung gegenüber Gläubigern, Schulden)
- Vertretung bei Behörden und Geltendmachung von Ansprüchen
- Vertretung in gerichtlichen Verfahren
- Wohnungsangelegenheiten
Explizit muss in der Bestellung geregelt sein:
- Zutritt zur Wohnung
- Entgegenahme und Öffnen von Post, die nur an den Betroffenen adressiert sind
- Entscheidungen über den Fernmeldeverkehr (hierzu zählt auch der Zugang zum Internet)
- Einwilligungsvorbehalt
- Aufenthaltsbestimmung
Die Geschäftsfähigkeit des Betreuten wird nicht tangiert. Es sei denn, es ist ein Einwilligungsvorbehalt durch das Gericht beschlossen worden.
Unterschiede zwischen einem ehrenamtlichen Betreuer und einem Berufsbetreuer
Steht im Umfeld des Betroffenen eine volljährige Person für die ehrenamtliche Betreuung zur Verfügung und ist diese Person für diese Aufgabe geeignet, dann ist ein ehrenamtlicher Betreuer gemäß § 1897 Abs. 5 und Abs. 6 BGB vorrangig zu einem Berufsbetreuer durch das Betreuungsgericht zu bestellen.
Für den ehrenamtlichen Betreuer muss es unter Berücksichtigung anderer Pflichten möglich sein, angemessene Zeit für die Ausübung dieses Amtes zu haben. Respekt vor dem Willen des Betreuten gilt als unentbehrliche Grundvoraussetzung, um das Amt als ehrenamtlicher Betreuer auszuüben.
Der ehrenamtliche Betreuer muss zudem gewisse Grundfähigkeiten und Kenntnisse besitzen, um den Betreuten beispielsweise bei Sozialhilfeträgern rechtlich adäquat zu vertreten. Er muss auch in der Lage sein, den Pflichten als Betreuer gegenüber dem Gericht nachkommen zu können (Vermögensverzeichnis, Rechnungslegung). Der Umgang mit Schriftstücken amtlicher Natur wie Anträge und Bescheide sollten dem ehrenamtlichen Betreuer nicht fremd sein. Bei Rückfragen können sich ehrenamtliche Betreuer durch die Betreuungsstelle oder Betreuungsbehörde beraten lassen.
Der Berufsbetreuer wird bestellt, wenn innerhalb des Netzwerkes des Betroffenen kein geeigneter ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung steht. Bei einem Berufsbetreuer handelt sich meist um eine für den Betroffenen fremde Person. Er übt sein Amt beruflich aus und muss sich in allen Angelegenheiten der Wirkungskreise fachlich fundiert auskennen. Der Berufsbetreuer ist für die Erledigung von Rechtsgeschäften bestellt und muss mit dem Betreuten aber auch in einer persönlichen Beziehung stehen. Ohne eine persönliche Beziehung kann der Berufsbetreuer den Willen des Betreuten nicht vertreten. Dies bedeutet nicht, dass er den Betreuten z.B. zu jedem Arztbesuch begleiten muss, aber mit ihm im persönlichen Austausch steht. Sollte der Betreute z.B. Begleitung zu Arztbesuchen benötigen, so ist es die Aufgabe des Betreuers eine entsprechende Hilfe zu installieren. Bei Grundentscheidungen, die eine Einverständniserklärung unentbehrlich machen, muss der Betreuer tätig werden, wie beispielsweise der Einwilligung einer Narkose.
Da insbesondere die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Leistungs- und Kostenträgern -gerichtlich und außergerichtlich- Grundkenntnisse voraussetzt, sollte sich ein zur Verfügung stehender ehrenamtlicher Betreuer genau überlegen, ob er sich einer solchen Aufgabe gewachsen sieht. Ebenso, ob er genug Neutralität gegenüber Dritten besitzt, um im Sinne des Willen und des Wohl des Betreuten zu entscheiden.
Der Weg zur rechtlichen Betreuung
Ein Antrag auf rechtliche Betreuung kann nur der Volljährige selbst bei der Betreuungsstelle des zuständigen Amtsgerichtes stellen. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnort des Betroffenen. Jemand anderes kann eine Anregung zur rechtlichen Betreuung bei der Betreuungsstelle schriftlich einreichen. Da meist schon vor der Volljährigkeit ersichtlich ist, dass der junge Erwachsene nicht in der Lage sein wird seine rechtlich wichtigen Angelegenheiten selbst zu bewältigen und noch kein Antrag stellen kann, ist es ggf. ratsam, dass eine rechtliche Betreuung durch andere angeregt wird. Bei beidem wird die Betreuungsstelle tätig und wird den Antrag oder die Anregung prüfen. Diese Prüfung erfolgt in Form von persönlichen Gesprächen, Hausbesuchen oder auch durch ein Gutachten.
Kosten einer rechtlichen Betreuung
Ein ehrenamtlicher Betreuer erhält keine Vergütung für seine Tätigkeit. Eine ehrenamtliche Aufwandspauschale wird jährlich gewährt. Diese wird berechnet mit dem 19fachen des Stunden Höchstsatzes der Zeugenentschädigung (= 21 Euro- gemäß § 22 JVEG) von derzeit jährlich 399 Euro. Damit sind alle Aufwendungen (wie z.B. Porto, Wegekosten) für die Ausübung der ehrenamtlichen Betreuung abgegolten. Sollte der Bedarf diese Aufwendung übersteigen, so muss der ehrenamtliche Betreuer nachweisen, dass seine Aufwendung diesen Betrag übersteigen.
Ein Berufsbetreuer erhält eine Vergütung zu einer fest geregelten Stundenzahl. Diese Vergütung wird vom Staat übernommen wenn der Betreute den Einkommensfreibetrag von 818,00 Euro monatlich (jeweils zuzüglich Kosten der Unterkunft- Mietkosten) nicht übersteigt (§ 82 SGB XII). Dieser Freibetrag ist unabhängig davon, ob die betreute Person die individuellen Voraussetzungen für die Hilfen in besonderen Lebenslagen (Anspruch auf Sozialhilfe) erfüllt.
Barvermögen des Betreuten muss eingesetzt werden, sobald es über dem Schonbetrag von derzeit 5000 € liegt (§ 1836c BGB i. V. m. § 90 SGB XII).
Resümee
Ob eine rechtliche Betreuung für das junge erwachsene Pflegekind eingerichtet werden sollte muss individuell mit allen Beteiligten besprochen und geprüft werden. Manchmal reicht es aus, wenn das Pflegekind jemanden bevollmächtigt mit der Vertretung der verschiedenen Wirkungskreise der Rechtsgeschäfte. Voraussetzung hierfür ist, dass eine erwachsene Person zur Verfügung steht, die ausreichend Wissen mitbringt um die Bevollmächtigung adäquat umzusetzen. Sollte dies nicht der Fall sein und sind die Bedarfe des jungen erwachsenen Pflegekindes damit nicht zu decken, sollte über eine Anregung oder einem Antrag auf rechtliche Betreuung nachgedacht werden.
Eine rechtliche Betreuung kann ein Höchstmaß an Unterstützung zur Selbstständigkeit bedeuten und dient damit der Sicherung seiner Lebensgrundlage und seiner Zukunft.
§ 1896 BGB - Voraussetzungen
(1) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
(2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
(3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden.
(4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat.
§ 1901 BGB - Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers
(1) Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen.
(2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.
(3) Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt auch für Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft.
(4) Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, hat der Betreuer in geeigneten Fällen auf Anordnung des Gerichts zu Beginn der Betreuung einen Betreuungsplan zu erstellen. In dem Betreuungsplan sind die Ziele der Betreuung und die zu ihrer Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen darzustellen.
(5) Werden dem Betreuer Umstände bekannt, die eine Aufhebung der Betreuung ermöglichen, so hat er dies dem Betreuungsgericht mitzuteilen. Gleiches gilt für Umstände, die eine Einschränkung des Aufgabenkreises ermöglichen oder dessen Erweiterung, die Bestellung eines weiteren Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 1903) erfordern.
von:
Gutachten und Gerichtsbeschlüsse