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18.03.2023
Fachartikel

Interesse wecken zur Aufnahme von Pflegekindern

Obwohl sich die Zahl der Unterbringung in Pflegefamilien in den letzten Jahren stark erhöht hat, werden weiterhin dringend Pflegeeltern gesucht. Es zeigt sich in der Praxis, das Pflegeeltern selbst und ihre Zusammenschlüsse wichtige Werber sind. Die Möglichkeit, dass Kinder in Familien aufwachsen können, ist ihnen ein Herzensanliegen - aber die Rahmenbedingungen der Pflegekinderhilfe müssen schon verantwortbar sein!

In den letzten Jahren ist der Bedarf an Pflegestellen immer größer geworden, obwohl die Anzahl der Unterbringungen von Kindern in Pflegefamilien in diesen Jahren schon stark gestiegen ist.

Das statistische Bundesamt nannte folgende Zahlen:

  • 60347 Pflegekinder in 2008
  • 81412 Pflegekinder in 2017
  • 87300 Pflegekinder in 2021.

Im Laufe dieser Jahre veränderten sich der Kreis der Personen, die ein Kind als Pflegekind im Rahmen der Hilfe zur Erziehung § 33 Vollzeitpflege aufgenommen hatten.

Ein Teil der Kinder wurden in sogenannte ‚Fremdpflege‘, ein Teil in ‚Verwandtenpflege‘ und einige Kinder im Rahmen einer ‚Netzwerkpflege‘ vermittelt.

Fremdpflege bedeutet, dass die neuen Pflegeeltern und das Kind sich im Rahmen des Vermittlungsverfahrens kennenlernten und das Kind nach einer Anbahnung in die Pflegefamilie gezogen ist.

Verwandtenpflege bedeutet, dass ein Pflegeelternteil mit dem zukünftigen Pflegekind verwandt oder verschwägert ist.

Netzwerkpflege bedeutet, dass das Kind den Pflegeeltern schon vor der Unterbringung bekannt war, z.B. als Freund des leiblichen Kindes, als Schulkamerad, als Nachbarskind etc.

Immer schon sind Kinder, die nicht bei ihren Eltern lebten, bei Verwandten aufgewachsen. Das war nichts Unübliches und eben Familienhilfe. Der Staat hatte sich in solche Entscheidungen der Eltern nicht einzumischen, half aber auch nur in Notfällen.

Nach einer Gesetzesänderung konnten dann auch Verwandte im Rahmen der Hilfe zur Erziehung Pflegepersonen gemäß § 33 werden. Wenn sie vom Jugendamt als geeignet für die Unterbringung des Kindes angesehen wurden und werden, haben sie dieselben Ansprüche an Beratung, Begleitung und Unterhaltszahlungen wie fremde Pflegeeltern auch.

Die meisten Pflegeeltern im Rahmen der Verwandtenpflege sind die leiblichen Großeltern der Pflegekinder. Seltener leben die Kinder bei Tante oder Onkel. Die Verwandtenpflege insgesamt liegt jetzt bundesweit bei ca. 30 % aller Pflegeunterbringungen. Die Zahlen sind jedoch regional extrem unterschiedlich. In großen Städten sind die Prozentzahlen viel höher, in ländlichen Regionen liegen sie sehr viel tiefer.

Viele Jugendämter oder Träger der Jugendhilfe haben sich auf diese Änderungen eingestellt und spezielle Beratungs- und Begleitprogramme für Verwandtenpflege erstellt.

Eine ausführliche Erläuterung zur Familienpflege und Verwandtenpflege hat die Stadt Leipzig erarbeitet, sowohl zu den Leistungen der Jugendhilfe als auch zu den Möglichkeiten, diese zu beanspruchen:

Diese können Sie hier herunterladen

Werbung von Personen, die Kinder in Pflege nehmen könnten

Seit längerer Zeit werben Jugendämter und Träger der freien Jugendhilfe um neue Pflegeeltern. Sie informieren über die Voraussetzung der Geeignetheit, das Leben mit Pflegekindern, Begleitung und Hilfen

auf verschiedenen Arten:

  • in der örtlichen Presse
  • im Internet auf speziellen Websites
  • im örtlichen Radio und Fernsehen
  • im Rahmen örtlicher Festlichkeiten und Veranstaltungen
  • durch spezielle Infoabende
  • durch Flyer
  • durch persönliche Beratung und spezielle Informationen
  • usw.

In all diesen verschiedenen Möglichkeiten hat sich gezeigt, dass mögliche Interessenten in besonderer Weise angesprochen werden von Personen, die diese Aufgabe bereits ausfüllen – von Pflegeeltern.

Pflegeeltern sind die besten Werber

Die erfolgreichsten Werber für neue Pflegefamilien sind Pflegeeltern selbst. Manche Pflegeeltern sind schon als Kinder mit Pflegegeschwistern aufgewachsen und führen diese Erfahrung jetzt als Eltern weiter. Und nicht nur sie allein, auch ihre Geschwister nehmen wieder Pflegekinder auf, ebenso wie es die vorherige Generation schon tat. Eine Vielzahl von Pflegeeltern ist durch Freunde und Bekannte ermuntert worden ein Pflegekind auszunehmen. Wieder andere besuchen Treffen der Pflegeeltern, kommen in Gesprächskreise oder rufen bei den Zusammenschlüssen der Pflegeeltern an, um sich bei Menschen, die diese Aufgabe unmittelbar machen hautnah zu informieren.

Obwohl sich alle dem Grundgedanken „Familie für Kinder“ zutiefst verpflichtet fühlen, erlebe ich immer wieder, dass es manchmal für Pflegeeltern und ihre Zusammenschlüsse Momente und Situationen gibt, in denen sie sich fragen, ob sie es überhaupt noch verantworten können, Menschen zur Aufnahme von Pflegekindern zu ermutigen.

Verantwortung für zukünftige Pflegeeltern

Gerade die Pflegeeltern selbst wissen, wie schwierig, wie heikel, wie anstrengend, wie nervig Situationen in Pflegefamilien sein können. Pflegeeltern sind Eltern aus Leidenschaft und Überzeugung. Sie investieren viel Gefühl, viel Kraft, unendliche Energie, viel Geduld und viel Liebe in die Entwicklung ihrer Pflegekinder. Und weil sie all dies tun, erwarten sie auch, dass die Bedingungen, unter denen sie die Kinder in ihre Familien aufnehmen, förderlich für ihre Familien sind – oder realistischer ausgedrückt – ihren Familien zumindest nicht schaden werden.

Pflegeeltern und ihre Initiativen und Verbände sehen auch ihre Verantwortung für zukünftige Pflegefamilien. Sie wollen nicht einfach nur Familien für Pflegekinder finden, sie wollen, dass diese Familien ihrer Aufgabe auch gerecht werden können. Sie wissen, dass diese Aufgabe im hohen Maße von den Persönlichkeiten der Pflegeeltern abhängt, aber sie wissen ebenso, dass die Persönlichkeit nur EIN Faktor in einer Sammlung möglichst ineinander passender Faktoren ist.

Einzelne Pflegeeltern und ihre Zusammenschlüsse sind inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass sie nicht in jedem Fall Pflegeeltern werben sollten, sondern dass sie dies eigentlich nur dann tun dürfen, wenn die Pflegeeltern Rahmenbedingungen für sich und ihre Kinder bekommen, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe überhaupt erst ermöglichen können.

Pflegeelternverbände und Initiativen können es nur verantworten, neue Pflegeeltern zu werben, wenn die Rahmenbedingungen für Pflegefamilien stimmen.

Verantwortbare Bedingungen für die Aufnahme eines Kindes

Die Rahmenbedingungen der Pflegekinderhilfe werden sowohl von Bundesgesetzen, Landesgesetzen und in besonderem Maße von den eigenständigen Bedingungen jeder einzelnen Kommune entwickelt. In der Praxis sehen wir dadurch eine Vielfalt verschiedener Punkte, die die Qualität einer Pflegekinderhilfe entscheidend bestimmen.

Von großer Bedeutung ist die Frage der Fachlichkeit in den Jugendämtern und damit verbunden besonders die sogenannte Fallzahl für die Vermittlung, Beratung und Begleitung in der Pflegekinderhilfe. Schon seit 30 Jahren wird eine Fallzahl von höchstens 35 Pflegekindern pro Vollzeit-Fachkraft im Pflegekinderdienst als eine notwendige Voraussetzung für gute fachliche Arbeit angesehen. In der Realität wird diese Zahl von vielen Jugendämtern nicht erreicht und manchmal auch nicht für notwendig gehalten. Unter den mangelnden fachlichen Möglichkeiten der Pflegekinderdienste leiden dann Vorbereitung, Einzelberatung, genaue Informationen und Passung von Pflegeeltern und Pflegekind im Rahmen der Vermittlung, ebenso wie die Begleitung, Beratung, Informationen, Fortbildungen und Krisenhilfen nach der Aufnahme des Pflegekindes.

Diese Rahmenbedingungen sind den Pflegeeltern natürlich durch eigene Erfahrungen sehr bekannt und sie haben auch die Auswirkungen auf ihre Pflegefamilie dadurch zu spüren bekommen. Daher das Zögern bei der möglichen Werbung und Gewinnung neuer Pflegeeltern.

Neben diesen persönlichen Erfahrungen erleben Pflegeeltern und ihre Zusammenschlüsse auch, dass Jugendämter manchmal gar nicht daran interessiert sind, mit ihnen zusammen zu arbeiten.

Bei den Jugendämtern, die die Zusammenschlüsse als gute Möglichkeit der Partnerschaft und der Zusammenarbeit sehen, herrscht eine andere Atmosphäre und die Gemeinsamkeit zeigt sich auch bei gemeinsamen Veranstaltungen, gemeinsamen Ständen, gemeinsamen Infos von Jugendamt und Initiative oder Verein.

Bedeutsam für die Werbung von Pflegeeltern ist das Hinschauen auf alltägliche Problematik, die Pflegefamilie schon erlebt haben und die auch für Interessenten vorab wichtig sein können.

Hier ein paar Beispiele:

  • Eine Pflegemutter in (Teilzeit-) Berufstätigkeit betreut ein Pflegekind, welches immer wieder erkrankt und sie das Kind zuhause versorgen muss und mit den vorgegebenen Zeiten der Krankenkasse nicht auskommt.
  • Haftpflichtschäden innerhalb der Pflegefamilien sind häufig nicht genügend abgesichert und werden nicht erstattet. Für wirklich große Schäden z.B. Personenschäden zwischen Pflegeeltern und Pflegekind müssten sich die Pflegeeltern durch besondere Binnen-Haftplichversicherungen selbst absichern.
  • Bisherige Hilfen werden gestrichen - Hilfe ist nicht mehr verlässlich für die Pflegefamilie und Pflegeeltern fühlen sich zu Bittstellern degradiert.
  • Behinderte Kinder, die im Rahmen von Jugendhilfe untergebracht wurden, werden aus der Jugendhilfe herausgelöst. Oft fehlen den Pflegeeltern dabei entsprechende Erläuterungen und Informationen, so dass sie sich sehr unsicher und nicht ernst genommen fühlen.
  • Unterbringung von Pflegekindern in Kita oder Schulen sind oft mit Problemen verbunden, die in der Person des Pflegekindes liegen. Kita und Schule wissen wenig darüber, Integrationshelfer sind schwierig zu bekommen und Informationen die helfen ebenfalls.
  • Der Bedarf des Pflegekindes macht oft auch eine Entlastung für die Pflegeeltern nötig. Doch davon ist bisher wenig in der Praxis zu sehen, wodurch Pflegeeltern sich sehr gefordert und allein gelassen fühlen.
  • Finanzielle Entlastung bei der Aufnahme junger Kinder durch Elterngeld oder elterngeldgleiche Zahlungen
  • Verbesserung der Alterssicherung

Aus meiner Sicht ist es überaus wichtig, dass Pflegeeltern-Bewerber umfassende und ehrliche Informationen zu ihrer Position und ihrer Aufgabe bei der Aufnahme eines Kindes bekommen. Ich meine damit auch eine gute Übersicht über die rechtliche Position, die entsteht, wenn sie ein fremdes (oder auch verwandtes) Kind in ihren Haushalt aufnehmen.

Was dürfen sie für das Kind entscheiden? Wer hat denn das Sagen über das Kind? Was dürfen sie beantragen? Was macht das Jugendamt für die Pflegeeltern und das Pflegekind? Was kann das Jugendamt entscheiden? Wo gibt es Hilfen? Wie ist es mit den Finanzen? Gibt es Austausch und Verbindung zu anderen Pflegeeltern? Usw.

Wir wissen, dass Bewerber und Interessierte sich auf moses-online informieren. Wir bekommen von Ihnen Fragen zu bestimmten Themen, zu speziellen Situationen in ihrer Familien und immer wieder Nachfragen zu der Möglichkeit, sich mit erfahrenen Pflegeeltern austauschen zu können.

Selbstverständlich ist Werbung und Vorbereitung von interessierten Personen eine Aufgabe der Jugendämter und Freien Träger der Jugendhilfe. Wir wissen jedoch, dass eine Zusammenarbeit mit Pflegeeltern und ihren Zusammenschlüssen in diesem Bereich äußerst hilfreich und werbeträchtig ist und dazu dienen kann, die Suche nach Pflegeeltern gewichtiger zu machen.

Das Bayerische Landesjugendamt hat eine Information zur Werbung von Pflegeeltern erarbeitet: 

Diese können Sie hier herunterladen.

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