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Inkognito-Adoptionen in Zeiten des Internets
Autor:Diplom-Verwaltungswirt (FH) Dirk R. Schuchardt
Inkognito bedeutet laut Online-Lexikon „Wikipedia“ die „Geheimhaltung der wahren Identität“. Doch wie geheim und anonym bleiben Inkognito-Adoptionen in Zeiten des Internets wirklich?
Ziel und Zweck von Inkognito-Adoptionen ist der einseitige Schutz der Daten der Adoptivfamilie vor dem Zugriff durch Dritte, insbesondere durch die Herkunftsfamilie. Auch normiert das Bürgerliche Gesetzbuch im § 1758 ein Ausforschungsverbot in Bezug auf die Adoption. Seit das „Web 2.0“, also das „Mitmach-Internet“ um sich greift, verraten die Deutschen freiwillig aber weit mehr über sich, als der Staat beispielsweise mit der Volkszählung 1987 von seinen Bundesbürgern wissen wollte. Die bekanntesten Anwendungen heißen www.facebook.de, www.stayfriends.de , www.mein-vz.de oder neuerdings www.twitter.com. In allen diesen „social communities“ geben die Nutzer freiwillig Dinge von sich preis, die – wenn man dem Datenschutz nicht genug Bedeutung beimisst – von jeder beliebigen Person gelesen werden können. In der ARD-Sendung „hart aber fair“ vom 24. Juni 2009 (Thema „Sind wir alle Boris? – Die neue Sucht nach Öffentlichkeit“) wurde von einem Informatik-Professor eindrucksvoll bewiesen, wie man allein nur durch Kenntnis des Namens und ein paar grundlegenden Kenntnissen in der Bedienung von Suchmaschinen wie www.google.de ein vollständiges Profil eines Menschen erstellen kann. Hierbei tauchten nicht nur „gute Einträge“ auf.
Betrachtet man diese Entwicklungen unter dem Gesichtspunkt der Adoption, so bieten diese neue Auffindemöglichkeiten zugleich Schaden und Nutzen. Es kommt darauf, wer hier in welche Richtung was sucht.
Adoptierte suchen leibliche Eltern
Es gibt verschiedene Websites (www.adoption.de), in denen Adoptierte ihre leibliche Eltern suchen und umgekehrt. Wer hier eine Kleinanzeige aufgibt, kann Glück haben und tatsächlich auf seine leiblichen Eltern treffen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass die leiblichen Eltern auf andere Weise Spuren im Internet hinterlassen haben. Hier können Pflege- und Adoptiveltern schon nach der Haushaltsaufnahme als eine Art „Sherlock Holmes des 21. Jahrhunderts“ Fundstücke für die Biografiearbeit zusammentragen, die so über die an der Adoption beteiligten offiziellen Stellen nicht zu finden sind. Hierzu gehören Fotos der Eltern und deren Spuren im Internet. Gleichzeitig müssen aber die Pflege- und Adoptiveltern auf der Hut sein: Mit unter sind die Kinder nämlich viel fitter in Sachen Internet, als einem lieb ist und könnten so von selbst – und weit vor der Volljährigkeit – Kontakt zu der Herkunftsfamilie aufnehmen.
Bevor man anfängt, Detektiv zu spielen, sollte man seinen Browser so einstellen, dass er keine Spuren hinterlässt. Im Internet-Explorer 8 und im Mozialla Firefox 3.5 aktiviert man mit der Tastenkombination Strg+Umschalttaste+P einen privaten Modus, bei dem keine Rückschlüsse auf die besuchten Seiten möglich sind.
Die einfachste Art eine Person über das Internet zu finden ist, in der Suchmaschine –meist dürfte das www.google.de sein – den Namen der gesuchten Person in Anführungszeichen im Format ˝Vorname Nachname˝ zu suchen. Wenn man beispielsweise nach ˝Peter Schmidt“ (mit Anführungszeichen) sucht, dann werden rund 327.000 Sucheinträge angezeigt. Die Suche kann man einschränken, je mehr Detailinformationen einem zur Verfügung stehen. Die Suche nach ˝Peter Schmidt˝ in Verbindung mit beispielsweise der Stadt Berlin reduziert die Trefferquote auf 57.000 Einträge. Bei nicht so geläufigen Namen wird deutlich einfacher sein, die gewünschte Zielperson ausfindig zu machen. Bei www.google.de findet man überwiegend Einträge über Personen, die diese nicht unbedingt selber ins Internet gestellt haben müssen. Hierzu gehören beispielsweise Internetpräsenzen von Vereinen oder Firmen, die Auskunft über ihre Mitglieder oder Mitarbeiter geben.
Bei den social communities werden die Einträge von den Nutzern selber gestaltet. Sie geben eine Fülle von Informationen über sich preis, weil sie hier gefunden werden wollen. Wer zum Beispiel ein Klassentreffen plant, wird bei www.stayfriends.de eine Vielzahl seiner ehemaligen Mitschüler wiederfinden. Auch hier lassen sich Informationen abfragen, die über die Suchmaschinen nicht abrufbar sind. Doch Vorsicht: Meist sind diese Netzwerke so aufgebaut, dass nur Mitglieder dieser Internetdienste Informationen abrufen können. Man muss als selber einen Account anlegen, der in der Vielzahl der Fälle in der Grundversion kostenlos ist. Je nach Anbieter muss dann der Gesuchte dem tieferen Einblick auf seine Daten durch den Suchenden zustimmen oder kann über seine Besucherliste einsehen, wer Interesse an seinem Eintrag gehabt hat.
Wenn Pflege- oder Adoptivkinder mit zunehmenden Alter Kenntnis über den Namen ihrer Eltern und die weitere Daten aus deren Lebensumfeld erfahren, ist es nicht auszuschließen, dass diese von sich aus – ohne Wissen der Pflege-/Adoptiveltern – Kontakt aufnehmen. Die E-Mail-Adressen, Postanschrift oder die Telefonnummer lassen sich sehr leicht herausfinden. Diese Kontaktdaten werden nicht nur in den social coummunities hinterlegt, sondern lassen sich beispielsweise auch aus Gästebucheinträgen der leiblichen Eltern auf x-beliebigen Seiten herausfinden. Übrigens: Das Internet vergisst nichts! Auch Einträge, die 15 Jahre alt sind, können immer noch aufgefunden werden. Hier ist es also wichtig, dass die Pflege-/Adoptiveltern die Informationen über Herkunftsnamen, etc. so lange ausblenden, bis das Kind die geistige Reife hat, den Herkunftsnamen nicht sofort mit Google zu suchen.
Leibliche Eltern suchen nach ihren Kindern
Die andere Suchrichtung ist weit aus problematischer, da die leiblichen Eltern versuchen könnten, Kontakt zu ihren Kindern aufzunehmen. Ihnen reicht – gerade wenn das Kind weiterhin in der selben Stadt wohnt - als Anhaltspunkt der Vorname und das Geburtsdatum des Kindes. Hier müssen die Pflege-/Adoptiveltern also im übertragenen Sinn vom Detektiv zum Spion werden, und alles dafür tun, dass das Adoptiv-/Pflegekind nicht über das Internet aufzufinden ist. Je seltener der eigene Familienname oder der Vorname des Kindes ist, desto strenger muss der Datenschutz für die eigene Familie ausfallen. Einträge auf der Website der Kirchengemeinde zum Beispiel über Taufe oder Kommunion / Konfirmation, des eigenen Arbeitgebers oder in den Ergebnislisten des Vereins wird man schwerlich vermeiden können. Wichtig ist es aber, überall dort, wo man selber der Herr seiner Daten ist, diese nur sehr spärlich und nur einem handverlesenen Benutzerkreis zugänglich zu machen. Das gilt auch für Zeitungen, in denen man mit liebgemeinten Glückwünschen zum Kindesgeburtstag sehr vorsichtig sein sollte, da diese u. U. auch online abrufbar sind (Hier sollte man auch die Nennung des Familiennamens und der Einstellung von Fotos verzichten).
Eltern mit Internetkenntnissen neigen in den social communities dazu, ihr ganzes Familienleben zu offenbaren. Hierzu gehören nicht nur Fotos und Videos aus der Schulzeit, sondern auch von der eigenen Hochzeit und den lieben Kindern. Ob die Kinder in ein paar Jahren immer noch begeistert sind, wenn Fotos von ihnen aus der Badewanne durch das Netz geistern? Pflege- und Adoptiveltern sollten solche social communities nicht grundsätzlich meiden, jedoch von der Bereitstellung von Daten über ihre Kinder äußerst vorsichtig sein. Maßstab für die Frage, ob eine Information oder gar ein Foto ins Internet gestellt werden kann, ist der Vergleich mit einer Postkarte. Bei einer Postkarte habe ich keinen Einfluss darauf, wer diese lesen kann. Wenn es mir also egal ist, wer die Postkarte (mit-) liest – im Zweifel also auch die leiblichen Eltern und deren Freunde - dann kann diese Information auch ruhig im Internet stehen. Datenschützer raten allerdings, in den bekannten social communities selber einen kostenlosen Account mit den allernötigsten Rumpfdaten anzulegen, damit kein Identitätsklau stattfinden kann. Hierbei reicht die Information, dass man ein Kind hat. Auch hier sollte man auf das Geburtsdatum oder gar Fotos des Kindes verzichten.
Auf den Internetseiten des Kindergartens oder der Schule werden die Aktivitäten der Klasse auch gerne per Foto mit Namen dokumentiert. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn die Eltern dies ausdrücklich genehmigt haben. Hier ist man als Pflege-/Adoptiveltern durchaus in einem Zwiespalt, wenn das Kind – wie alle anderen Kinder der Klasse auch –„dazu gehören“ will, aber als einziges Kind der Klasse auf den Fotos mit einem „Schwarzen Balken“ unkenntlich gemacht worden ist. Statt in der Anonymität zu verschwinden wird man so zu etwas besonderen. Anderseits bieten solche Schulseiten aber auch Auffindemöglichkeiten durch die leiblichen Eltern.
Früher schrieben die Kinder einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann – heute hinterlegt man seine Wünsche – nebst Geburtsdatum – auf www.amazon.de. Ein Klick auf „Wunschzettel“ und schon ist man wieder ein Klick näher an der gesuchten Person dran. Geschützt bleiben die Herzenswünsche nur, wenn man die Einstellungen so wählt, dass der Wunschzettel nicht über Suchmaschinen auffindbar ist.
Wer gerne Fotos seiner Familie online stellt, damit auch die weitentfernt wohnenden Großeltern oder die Verwandtschaft im Ausland an der Entwicklung des Kindes teilhaben können, sollte bei Diensten wie www.picasa.de, www.flickr.com oder www.youtube.de peinlich darauf achten, dass die Fotos und Videos privat bleiben (Die Datenschutzeinstellungen sind im Menü „Einstellungen“ meist sehr versteckt und sind meist auf „öffentlich“ voreingestellt). Achtet man nicht darauf und stellt sie „öffentlich“, kann sie jeder auffinden. Bei Gelegenheit sollten dann auch ältere Fotos nicht nur aus Platzgründen aus dem Online-Album gelöscht werden.
Wenn das Kind alt genug ist, selber einen Eintrag in social communties wie zum Beispiel www.knuddels.de oder www.schueler-vz.de einzurichten, sind alle Eltern aufgefordert, ihre Kinder hiermit nicht allein zu lassen. Denn auch Erwachsene können sich hier als Kinder ausgeben. Wie manche erschrockene Eltern festgestellt haben, tummeln sich hier nicht nur Pädophile herum. Deswegen hat die Bundesregierung auch entsprechende Empfehlungen zum Umgang der Kinder mit dem Internet herausgegeben. Auch hier sollten die Eltern – unabhängig von der Problematik Pflege-/Adoptivkind – ihr Kind intensiv begleiten, damit „Cyber-Mobbing“ ein Fremdwort bleibt, dass man allenfalls im neuen Duden findet.
Dieser Beitrag wurde von www.schuchardt-seminare.de zur Verfügung gestellt.