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„Das ist mein Geld“ – zum Umgang mit Taschengeld
Themen:
Im Rahmen der Hilfe zur Erziehung gibt es Empfehlungen zur Taschengeldhöhe, die auch in die Kostensätze eingearbeitet sind. Anders als im Bereich der Heimerziehung sind diese Beträge im Pflegegeld, welches Erziehungsstellen erhalten, nicht gesondert aufgeführt.
Im aktuellen Rundschreiben des Landesjugendamtes wird der Begriff „Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes/Jugendlichen“ verwendet.
Für 2022 wurden folgende monatliche Beträge festgelegt:
Alter und Betrag in EUR
- 4 und 5 Jahre: 5,80
- 6 Jahre: 10,90
- 7 Jahre: 16,20
- 8 Jahre: 22.00
- 9 und 10 Jahre: 27,20
- 11 Jahre: 32,70
- 12 Jahre: 38,20
- 13 Jahre: 43,60
- 14 Jahre: 57,90
- 15 Jahre: 63,50
- 16 Jahre: 75,40
- 17 Jahre: 80,90
- 18 Jahre und älter : 121,23
Quelle: Landschaftsverband Rheinland (LVR), Landesjugendamt – Rundschreiben 43/08/2021
Insgesamt ist Taschengeld ein viel diskutiertes Thema und in Familien abseits der Jugendhilfe leider oft auch eine Frage des Familieneinkommens. Unabhängig von den Geldbeträgen ergeben sich zum Taschengeld immer wieder grundsätzliche Fragen und Diskussionen, zu denen dieser Artikel eine Orientierung liefern möchte.
Wozu überhaupt ein festes Taschengeld?
Wenn Kinder Taschengeld erhalten, lernen sie einen ersten Umgang mit ihrem Geld. Sie begreifen, wie man kleineren und größeren Wünschen durch das Sparen näher kommt – und sie lernen, dass es einen Zusammenhang zwischen Geld – Wünschen – Preisen gibt. Es sollte dem Kind einen gewissen Spielraum geben, eigene Entscheidungen für Ausgaben zu treffen und den Abwägungsprozess für Einkäufe zu üben: z.B. „Wenn ich mir dieses kaufe, muß ich dafür auf das andere, was ich aber auch gerne hätte, verzichten!“.
Ab wann ist Taschengeld sinnvoll?
Beginnen kann man Ende des Kindergartenalters. Zuerst können die Kinder spielerisch die Unterschiedlichkeit der Münzen untersuchen und einen überschaubaren Betrag pro Woche erhalten. Günstig für das erste feste Taschengeld ist das Schuleintrittsalter, weil Kinder hier beginnen, rechnerisch zu denken und Zahlen zu erfassen. Zu diesem Zeitpunkt können sie schon kleinere Beträge nachrechnen und beginnen damit, ersten Dingen einen Wert zuzuordnen. Bis zum Entwicklungsalter von etwa 9 Jahren ist es sinnvoll, das Taschengeld wöchentlich auszuzahlen, da Kinder größere Zeiträume noch nicht übersehen können.
Was bedeutet „zur persönlichen Verfügung des Kindes/Jugendlichen“?
Das Kind darf sich vom Taschengeld kaufen, was es selber möchte. Einzige Bedingung dabei ist, es darf nicht gefährlich, schädigend oder verboten sein (z.B. kein Messer, keine Zigaretten etc.). Rechtlich geregelt ist unabhängig der Absprachen, dass Kinder nur altersgemäße Einkäufe tätigen dürfen. Denn ein Einkauf ist ein abgeschlossener Vertrag.
Eltern stehen mit Rat und Tat zur Verfügung, möglichst nach Aufforderung des Kindes und helfen, sobald sie darum gebeten werden. So vermittelt man den Kindern, daß ihnen der Umgang mit Geld zugetraut wird. Dies ist eine sehr gute Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu fördern, gerade bei Pflegekindern die oft Nachholbedarf auf diesem Gebiet haben.
Bestrafungen und Belohnungen (z.B. für Schulnoten) über das Taschengeld sollten unbedingt vermieden werden. Die Höhe des Taschengeldes sollte nicht als Strafe herab- bzw. als Belohnung heraufgesetzt werden. Taschengeld ist kein Erziehungsmittel, sondern ein fester Betrag zur persönlichen Verfügung. Es ist auch nicht dafür gedacht, Schulmaterial, Grundnahrungsmittel oder Kleidung zu bezahlen. Das sollten die Eltern übernehmen.
Bei Jugendlichen ab ca. 14 Jahren könnte neben dem Taschengeld ein weiteres Budget zur Verfügung gestellt werden, um weitreichendere selbständige Entscheidungen einzuüben. (z.B. für Bekleidung, Hygieneartikel, Smartphone, Schulmaterial). Hierzu gibt es im Internet jede Menge Infos. Empfehlenswert hierzu ist z.B. eine Broschüre der Sparkassen-Finanzgruppe „Budgetkompass für Jugendliche“, die unter folgendem Link heruntergeladen werden kann: https://www.geldundhaushalt.de/budgetkompass-fuer-jugendliche/ .
Viele Kinder, die in unseren Familien leben, haben Handycaps oder eine Behinderung, infolge derer ihre Entwicklung als nicht altersgemäß eingestuft wird. Dies führt sicher zu Einschränkungen, auch im Umgang mit Geld. Andererseits finden wir bei diesen Kindern oft ein besonders hohes Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung. Wieso also nicht den Umgang mit Taschengeld dafür nutzen und auch diesen Kindern einen persönlichen Spielraum/Freiraum gewähren?
„Sparschwein“ oder Bankkonto?
Das Sparen des übrigen Geldes sollte für Kinder bis Grundschulalter sinnlich wahrnehmbar sein: ein gefülltes Sparschwein oder Glas kann man anfassen, sehen und wiegen.
Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass jüngere Kinder in erster Linie kurzfristig denken. Sie möchten alles und möglichst sehr schnell. Geduld bei Wünschen muss erst gelernt werden. Hilfreich könnte dabei eine „Wunschliste“ sein, die man aufschreibt.
Mit Wechsel zur weiterführenden Schule könnte über ein Taschengeldkonto bei einer Bank nachgedacht werden. Dieser Schritt ermöglicht das Einüben weiterer selbstbestimmter Handlungen der Kinder, die sie schließlich selbständig ausführen können. Sinnvoll ist hier die Wahl einer Bank, deren Filialen (Geldautomaten) sich in erreichbarer Nähe des Kindes befinden. Außerdem benötigt man das schriftliche Einverständnis der gesetzlichen Vertretung des Kindes. Meist ist dazu ein gemeinsamer Termin bei der Bank erforderlich.
Und wir Eltern?
Alle bisherigen Überlegungen hängen natürlich auch mit unserem Umgang mit Geld zusammen. Wir könnten das Thema Taschengeld als Anlass sehen, um auch uns dazu ein paar Fragen zu stellen:
- Sprechen wir in unserer Familie über Geld? Wenn ja, wie?
- Was ist uns wichtig beim Umgang mit Geld? (Beispiel-Themen: Sparen, Kredite, Spenden, Umweltschutz…)
- Wer entscheidet, was wann ausgegeben wird?
- Wer hat den Überblick über das Haushaltsbudget?
Wir sind auch hier Vorbilder für unsere (Pflege-) Kinder und sie lernen an uns als Modell. Gleichzeitig ist das Taschengeld eine sehr gute und praktische Möglichkeit, unseren Kindern Vertrauen zu schenken und Ihnen zu zeigen: „Du schaffst das!“.
Vielleicht habt ihr Anregungen, Diskussionsbedarf oder besondere Erfahrungen zu diesem Thema, die ihr teilen möchtet? Das würde uns sehr interessieren. Gerne greifen wir diese in einer Fortsetzung des Themas auf.
Johannes Guterding, Fachberater
Quellen und Literaturhinweise zum weiterlesen:
- Winklhofer, Publikation Deutsches Jugendinstitut (2014): Taschengeld und Gelderziehung, PDF-Download: www.dji.de/themen/jugend/taschengeld
- Hurrelmann/Unverzagt: Kinder stark machen für das Leben (Kapitel 7 Die Freizeit gestalten / Abschnitt Tarifverhandlungen über das Taschengeld)
- Sparkassenfinanzgruppe: Budgetkompass für Jugendliche
- Rundschreiben des Landschaftsverbandes Rheinland/Landesjugendamt Nr. 43/10/2020, PDF-Download: www.lvr.de/media/wwwlvrde/jugend/service/rundschreiben/dokumente_96/hilfe_zur_erziehung_1/erziehungshilfe/Rundschreiben_43.10.2020_Taschengeld_2021.pdf
- Krause, H.-U., Publikation der IGFH (2019): Beteiligung als umfassende Kultur in den Hilfen zur Erziehung (4.1 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Alltag)
GEW präsentiert Gutachten zur Situation der Schulpsychologie