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Ehrenamtlicher Vormund
Bedingungen zur ehrenamtlichen Vormundschaft
Für den ehrenamtlichen Vormund gelten die gleichen Bedingungen zur Geeignetheit wie für andere Vormünder auch.
Die natürliche Person muss nach
1. ihren Kenntnissen und Erfahrungen,
2. ihren persönlichen Eigenschaften,
3. ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie
4. ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen an der Erziehung des Mündels beteiligten Personen
geeignet sein, die Vormundschaft so zu führen, wie es das Wohl des Mündels erfordert.
Ein ehrenamtlicher Vormund gilt auch dann als geeignet, wenn vom Gericht mit seiner Zustimmung ein zusätzlicher Pfleger für bestimmte Angelegenheiten des Sorgerechtes bestellt wird.
Um einen Vormund zu bestellten, muss das Familiengericht im besonderen Maße den Willen des Kindes beachten sowie seine persönlichen Bindungen, sein religiösen Bekenntnisses und seinen kulturellen Hintergrunds berücksichtigen.
Verwandte als ehrenamtliche Vormünder
Persönliche Bindungen eines Kindes entwickeln sich im Besonderen in seiner Familie. So sind Verwandte des Kindes dann, wenn die Eltern das Sorgerecht nicht mehr ausüben und sie zum Wohle des Kindes handeln, geeignete ehrenamtliche Vormünder. Häufig leben die verwandten Kinder auch im Haushalt von Großeltern oder Tante und Onkel. Eine Vielzahl dieser Verwandten sind auch als Pflegeeltern anerkannt (Verwandtenpflege).
Pflegeeltern als ehrenamtliche Vormünder
Das Pflegekind, welches ebenfalls in einer Familie aufwächst, entwickelt auch hier persönliche Bindungen. Die Bedeutung der Pflegeeltern für das Pflegekind wurde durch das aktualisierte Vormundschaftsrecht verdeutlicht und einige Paragrafen weisen auf die Zusammenarbeit und Verantwortlichkeit von Pflegeeltern und Vormündern oder Pflegern ausdrücklich hin. Pflegeeltern sind vom Jugendamt überprüfte und begleitete Erziehungspersonen, die ein Kind im Sinne seines Bedarfes und des Kindeswohls in ihre Familie aufgenommen haben. Durch ihren gelebten Alltag mit dem Kind lernen sie dieses Kind in besonderer Weise kennen. Es gehört zu ihrer Aufgabe, dass sie das religiöse Bekenntnis des Kindes, ebenso wie seinen kulturellen Hintergrund sowie Umgang und Kontakt mit der Familie des Kindes berücksichtigen.
Es ist daher durchaus berechtigt darüber nachzudenken, ob das individuelle Kind nicht durch seine Pflegeeltern als geeignete Vormünder in seinem besten Interesse vertreten werden könnte.
"Dritte" als ehrenamtliche Vormünder
Bei der Überlegung, welcher Vormund für das Kind in seinem „besten Interesse“ ist, muss das Kind in seiner Individualität, in seiner Entwicklung und seinen Möglichkeiten beachtet werden. Dies kann dazu führen, dass sogenannte „dritte“ unabhängige Personen die Vormundschaft übernehmen sollten. Solch interessierte Personen, die weder Verwandte, noch Pflegeeltern des Kindes sind, sind meist bereit, Verantwortung für das Kind zu übernehmen weil sie es kennen und weil sie es mögen. Sie haben eine starke Motivation aber seltener erforderliches spezielles Wissen und Erfahrung. Wenn ehrenamtliche Vormünder zukünftig gut vorbereitet und begleitet werden, wird es daher vielleicht ein klein wenig leichter sein, solch an dem Kind interessierte Menschen zu gewinnen.
In der bisherigen Praxis gibt es nur wenige „dritte“ ehrenamtliche Vormünder. Manche sind soziale Fachkräfte, die einmal mit dem Kind zu tun hatten und es weiter begleiten möchten. Manchmal sind es erwachsene leibliche Kinder oder Bruder/Schwester oder Freunde der Pflegeeltern. Manchmal sind es auch andere Pflegeeltern oder ehemalige Pflegeeltern aus den Kontaktkreisen der Pflegeeltern vor Ort.
Überlegungen zum Finden des „richtigen“ ehrenamtlichen Vormundes
Die bisherige und jetzige Lebenssituation und der Bedarf des Kindes spielen eine maßgebliche Rolle bei den Überlegungen und Entscheidungen, welche Person denn eine ehrenamtliche Vormundschaft im besten Interesse des Kindes übernehmen könnte.
Einige Kriterien müssen besonders beachtet werden.
Traumatisierte Kinder
Pflegekinder sind Kinder mit einer meist dramatischen Vorgeschichte, die ihr Leben auch in der Zukunft weiterhin mit prägt und beeinflusst. Dies gilt besonders für traumatisierte Kinder. Hier kann es in der Vorpubertät oder Pubertät zu heftigen Problemen kommen. Traumatisierte Pflegekinder mit problematischem Bindungsverhalten können die bis dahin ‚ausgehaltene’ Nähe einer Familie oft nicht mehr ertragen. Sie stellen sich nun gegen ihre Pflegeeltern und es kann sogar zu massiven körperlichen Angriffen kommen. Das Zusammenleben in der Familie ist extrem erschwert und gestört.
Es ist hierbei von großer Bedeutung für das Kind, dass unterschieden wird zwischen der Tatsache, dass
* einerseits ein gemeinsames Leben in der Familie im Alltag nicht mehr möglich ist, dass aber
* andererseits dieses Kind und diese Pflegeeltern weiterhin emotional Familie sind und auch irgendwie bleiben wollen.
Wenn Kind und Pflegeeltern sich auch in dieser Krise weiterhin als Familie sehen, aber den Alltag nicht mehr schaffen, dann dürfen wir diese Beziehung nicht abbrechen. Hier liegt kein „Versagen“ vor, hier ist eine Situation entstanden, die nach einer Lösung schreit, die sowohl die Bedürfnisse des Kindes und der Pflegeeltern wahrnimmt, aber die Pflegeeltern nicht auf die Anklagebank setzt.
In einer solchen Situation ist selbstverständlich besonders der Vormund gefragt. Welcher passt hier am besten?
Eine „dritte“ Person als ehrenamtlicher Vormund kann hier gut sein, da er/sie emotional nicht so involviert ist wie die Pflegeeltern und weil es ihr daher möglich ist, den Bedarf des Kindes vielleicht besser zu erkennen. Besteht der Bedarf des Jugendlichen darin, die Nähe der Familie verlassen zu wollen, aber dadurch nicht die Familie aufzugeben? Will der junge Mensch weiterhin seinen Pflegeeltern verbunden bleiben? Fühlt er sich weiterhin als Teil der Pflegefamilie? Wenn dem so ist, dann ist es die Aufgabe des Vormundes, dies genau zu prüfen und ebenfalls mit den Pflegeeltern intensiv darüber zu sprechen, ob sie dies auch so wollen. Es wird sowohl die Pflegeeltern als auch den jungen Menschen entlasten, mit ihm darüber zu sprechen und eine passende Entscheidung mit ihm zu erarbeiten.
Pflegeeltern als ehrenamtliche Vormünder sind in einer solch schwierigen und emotionalen Krise sehr gefordert und vielleicht auch überfordert. Sie brauchen unbedingt Beratung, nicht nur als Vormünder sondern auch als Pflegeeltern. Dabei ist sehr zu hoffen, dass sie von einer Fachkraft beraten werden, die die Situation traumatisierter Pflegekinder kennt und nicht auf eine „Entwurzelung“ des Pflegekindes aus der Pflegefamilie besteht, sondern mit allen Beteiligten gute Lösungen erarbeitet.
Pflegeeltern, die gleichzeitig Vormünder sind, haben auch weiterhin die Sorge für den jungen Menschen. Es ist weiterhin ihre Aufgabe, im besten Interesse des Jugendlichen zu handeln. Pflegeeltern, die „nur“ Pflegeeltern sind, kann es passieren, dass das ehemalige Pflegekind und sie durch Entscheidungen des Vormundes auseinanderdividiert werden und dass sie sich aus den Augen verlieren.
Für das ehemalige Pflegekind ist dies oft der Verlust seines Zuhauses, der Verlust der Menschen, denen er bisher noch am Nächsten kommen konnte. Sind die Pflegeeltern auch Vormund, dann „hat“ es sie noch und – sie ihn auch. Die Pflegeeltern verschwinden nicht, sie bleiben in ihrer Verantwortung und alle Beteiligten müssen weiter mit ihnen zusammenarbeiten, auch wenn der junge Mensch nun in einer Einrichtung oder betreutem Wohnen lebt.
Ältere Kinder
Eine dritte Person als Einzelvormund ist sinnvoll bei Kindern, die schon älter waren, als sie in die Pflegefamilie vermittelt wurden. Auch hier ist die Frage der zukünftigen Entwicklung des Kindes ausschlaggebend. Sollte bei einem älteren Kind die Integration in die Pflegefamilie nicht gelingen oder nicht dauerhaft möglich sein, dann ist es wichtig, dass der Vormund unabhängig ist und als Person dem Kind erhalten bleibt, auch wenn es nicht mehr in der Pflegefamilie leben sollte.
Bei zeitlich begrenzter Unterbringung
Wenn die Unterbringung in der Pflegefamilie nur zeitlich begrenzt ist, dann ist wiederum ein Dritter als Einzelvormund für das Kind notwendig, damit das Kind unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes seinen Vormund nicht verliert.
Bei großen Problemen mit der Herkunftsfamilie und „schwankenden“ Beteiligten
Eine dritte Person als Einzelvormund eines Pflegekindes kann das Pflegekind und die Pflegeeltern in der Sicherung der Familie deutlich stützen und unterstützen. Bei Auseinandersetzungen hilft es klar, wenn der Vormund aufgrund seiner emotionaleren Unabhängigkeit deutliche Signale setzen kann. Ein neutraler Vormund gerät nicht in die Schublade der „klammernden“ Pflegeeltern. Ihm wird die eigentliche Vertretung des Kindes eher geglaubt – er braucht sich nicht (wie die Pflegeeltern) wegen ihrer emotionalen Nähe zum Kind zu verteidigen.
Ein unabhängiger Einzelvormund, der klar seine Position als Interessenvertreter des Kindes vertritt, wirkt auf alle Beteiligten beruhigend und ist dadurch präventiv für die Kontinuität und Sicherheit des Kindes in der Familie und den damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten tätig.
Zur Reform des Vormundschaftrechts