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10.10.2012
Fachartikel

Allgemeine Tipps für das Lernen im häuslichen Umfeld

Tipps für Eltern, die ihren Kindern beim Erledigen von Hausaufgaben helfen wollen.

Im Normalfall dienen Hausaufgaben der Festigung des gelernten Stoffes oder zur Vorbereitung auf die nächste Unterrichtsstunde. Hat Ihr Kind den Stoff verstanden, sollte es in der Lage sein, seine Hausaufgaben allein ohne Hilfe zu erledigen. Dabei hat jedes Kind sein eigenes Lerntempo, seine Lieblingsfächer und individuelle Vorgehensweisen.
Hausaufgaben sind Pflichtprogramm, vergeuden Sie hier keine unnötige Energie, in dem Sie sich auf Diskussionen grundsätzlicher Art einlassen, z.B. ob Hausaufgaben gemacht werden müssen oder nicht. Sie gehören zu den Pflichten eines jeden Schülers, ebenso wie Sie als Eltern bestimmte Pflichten zu erfüllen haben.
Stellen Sie sich den Rahmen eines großen Bildes vor. Dieser Rahmen ist fest, er steht für die Tatsache, dass Hausaufgaben Pflicht sind. Innerhalb dieses Rahmens gibt es aber eine Menge Möglichkeiten, um die Hausaufgabensituation angenehmer zu gestalten, z.B. durch die Wahl des Zeitpunktes, der Vorgehensweisen und der Hilfen. Oder durch die Überlegung, wo und ab wann Überforderung eintritt oder wie man als Eltern das Interesse des Kindes an einer Sache steigern kann. Sie sehen, es gibt eine Menge Spielraum und Platz für Kreativität. Aber der Rahmen steht! Wackeln Sie nicht an dem Rahmen selbst! Das ist Energie, die Sie besser nutzen können.

1.Start zum richtigen Zeitpunkt

Helfen Sie Ihrem Kind herauszufinden, wann es am besten lernen kann. Die Zeit direkt nach dem Mittagessen ist meist ungünstig. Das sagt schon das alte Sprichwort „ein voller Bauch studiert nicht gern“. Ein Großteil der Körperenergie wird jetzt für die Ver-dauung benötigt. Und je schwerer das Essen war, desto länger und mehr Energie braucht unser Körper für diesen Prozess. Für die Hausaufgaben aber müssen Kinder geistig fit sein.
Finden Sie – gemeinsam mit Ihrem Kind! – den besten Zeitpunkt heraus! Beobachten Sie genau und probieren Sie verschiedene Möglichkeiten aus. Es gibt nicht den gleichen optimalen Zeitpunkt für alle Kinder. Bedenken Sie allerdings, dass es sich um Absprachen handeln sollte, nicht um Vorgaben. Für Kinder, denen das Lernen leicht fällt, sind Hausaufgaben in der Regel schnell erledigt. Manche machen Sie schon vor dem Mittagessen, einige direkt im Anschluss daran. Andere Kinder sind durchaus in der Lage, sich einen Teil der Hausaufgaben noch am späten Nachmittag oder abends vorzunehmen.
Je mehr Energie die Kinder in der Schule verbraucht haben, desto mehr bedarf es einer Zeit des Auftankens. Eine Spielpause nach dem Essen, bevor mit den Hausaufgaben begonnen wird, kann hier sehr sinnvoll sein. Damit sich die Spielpause nicht ewig hinzieht, sollte eine Zeit vereinbart werden (z.B. 20 oder 30 Minuten). Da Kinder sich im Spielen ganz verlieren können und dabei alles um sich herum vergessen, wei-sen Sie sie 5 Minuten vor Ablauf der Pause auf das bevorstehende Ende hin. Dies kann mündlich geschehen oder auch durch das Stellen einer Uhr.
Eine Spielpause, so wie ich sie meine, ist allerdings nicht mit einer Pause vor dem Fernseher zu verwechseln. Denn im eigenen Tun, beim Spielen, können Kinder Erlebtes verarbeiten, während beim Fernsehen wieder neue Bilder, Eindrücke und Informationen auf das kindliche Gehirn einströmen.
Aber ich will realistisch bleiben: Natürlich weiß ich, dass die Wünsche der Kinder in manchen Familien anders aussehen und Eltern die halbe Stunde Ruhe, wenn das Kind dann vor dem Fernseher sitzt, durchaus als akzeptable Lösung ansehen. Ich kann mich gut erinnern, dass es Zeiten in meinem Leben gab, wo ich heilfroh war, dass das Medium Fernsehen existiert. Das war z.B. als ich das dritte Mal schwanger war. Wenn die beiden älteren Kinder aus der Schule kamen und gegessen hatten, habe ich die Mittagspause ohne Störung sehr genossen, denn die beiden durften dann die „Sesamstraße“, „Die Sendung mit der Maus“ oder „Die Augsburger Puppenkiste“ sehen. Diese Sendungen waren altersgerecht und meinen Kindern von der Grundstruktur her bekannt. Wird also in einem Fernsehbeitrag mit einer bekannten Hauptperson nur ein neues Abenteuer erzählt oder wird eine Geschichte lediglich fortgesetzt, ist dies für Kinder durchaus zu verarbeiten. Etwas anderes wäre es, wenn Sie den Kindern gestatten, wild durch das Programm zu zappen oder Fernsehsendungen für Erwachsene zu sehen.

2. Der Lernort

Oft gestellte Fragen von Eltern lauten: „Soll mein Kind seine Hausaufgaben in seinem Zimmer erledigen oder darf es sie auch am Küchentisch machen?“, „Soll ich ihm helfen oder muss er die Hausaufgaben ganz alleine machen?“
Es gibt durchaus gute Argumente sowohl für den eigenen Schreibtisch, als auch für den Küchentisch. Da nicht jedes Kind über einen eigenen Schreibtisch und ein eigenes Zimmer verfügt, erweitern wir das Spektrum und nehmen eine weitere Möglichkeit hinzu: den niedrigen Couchtisch im Wohnzimmer mit Unterstützung eines dicken Kissens. Gerade bewegungsfreudige Kinder profitieren vom Couchtisch, da sie die Sitzhaltung dort öfter wechseln können.
Kinderzimmer bieten oft eine gute Rückzugsmöglichkeit und eine ruhige, ungestörte Atmosphäre. Jedoch können die Reize und Ablenkungen dort auch ungünstig sein, wenn z.B. viel Spielzeug im Blickfeld des Kindes liegt.
Manchen Kindern verschafft es ein Gefühl von Sicherheit, ihre Hausaufgaben am Küchentisch zu erledigen und die Nähe eines Erwachsenen zu spüren. Gewohnte Alltagsgeräusche wirken auf einige Kinder beruhigend, während sie andere eher ablenken. Ausgenommen sind hier jedoch laute Unterhaltungen oder Geräusche, die durch Radio, Fernsehen oder Telefonate verursacht werden, da sie die Aufmerksam-keit der Kinder auf sich ziehen. Man möchte ja schließlich nichts Wichtiges verpassen.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Kind einen aufgeräumten Arbeitsplatz hat bzw. ihn sich zuvor schafft. Arbeitsmaterialien sollten in Reichweite liegen. Alles, was ab-lenkt, sollte nicht im Blickfeld sein. Auch auf eine gute Beleuchtung ist in dunklen Jahreszeiten zu achten. Dabei sollte bei Rechtshändern das Licht von links scheinen, bei Linkshändern von rechts.

3. Überblick verschaffen

Setzt sich ein Kind nun an seinen Hausaufgabenplatz, stellen sich die Fragen: „Was habe ich auf?“ und „wie viel Zeit habe ich dafür zur Verfügung?“ Ist das Pensum zu groß, lautet die Frage: „Was kann ich auf heute Abend oder eventuell auch auf morgen verschieben?“ Hier hin gehört auch die Frage, ob es heute sinnvoll oder überhaupt möglich ist, eine Verabredung mit Freunden zu machen. Denn es spannt die Atmosphäre an und bereitet innere Unruhe, wenn dem Kind unklar ist, ob nachher noch genug Zeit übrig ist, um sich mit anderen zu treffen. In so einem Fall sollten Sie vor Beginn der Hausaufgaben eine für alle zufrieden stellende Lösung finden.
Andere innere Störungen (der Streit mit der besten Freundin, der Kontakt zur Herkunftsfamilie, der Tadel der Lehrerin, ein krankes Kaninchen etc.) brauchen auch ihren Platz und ihre Zeit, damit ohne Anstrengung mit den Hausaufgaben gestartet werden kann. Hier gilt: Zeigen Sie Mitgefühl! Diese inneren Störungen müssen benannt und gefühlt werden dürfen. Sie haben eine Berechtigung und dürfen sein, ohne gleich mit vorschnellen Lösungen zurückgedrängt zu werden!

4. Strukturieren

Erklären Sie Ihrem Kind, wie man bei den Hausaufgaben am besten vorgeht. Es ist wie beim Fußballtraining: Zuerst kommt die Aufwärmphase, d.h. eine Aufgabe, die ich gerne mache, die leicht zu erledigen ist. Kurze Konzentrationsspiele können die Aufwärmphase ersetzen!
Im Anschluss beginnt das eigentliche Training, d.h. der Hauptteil, für den ich die meiste Energie aufbringen muss. Und dann am Schluss das Mannschaftsspiel, also wieder etwas „Leichtes“.
Pausen sind ein Teil des Lernens. Sie sind absolut wichtig! Unser Gehirn benötigt Pausen als Lern-Unterbrechungen, um Informationen richtig abspeichern zu können. So kann sich der Lernstoff setzen. Planen Sie diese Pausen bewusst ein! Je nach Alter reichen 2 bis 6 Minuten zwischen den einzelnen Aufgaben. Nach einer halben Stunde sollte jedoch eine Pause von 5 bis 10 Minuten eingelegt werden.

5. So gelingt es gut

Hier sind einige weitere Tipps in Kürze:
• Halblautes Mitsprechen hilft, die Konzentration und Aufmerksamkeit bei einer Aufgabe zu halten
• Auswendiglernen ist ein Teil des Lernens. Erklären Sie den Kindern, wie man Bil-der nutzen kann und Verbindungen zu Bekanntem herstellt, um sich Dinge leichter merken zu können. Nutzen Sie konstruktive Fragen, z.B. „was für ein Bild fällt dir dazu ein?“, „woran erinnert dich das?“ oder „wie kannst du dir das am besten merken?“. So kann man ein Gedicht z.B. über Bilder oder Bewegungen schneller abspeichern. Wenn notwendig, schaffen Sie kleinere Einheiten, die für die Kinder überschaubar sind. Berücksichtigen Sie dabei die „magische 7“, d.h. dass man sich durchschnittlich nicht mehr als 7 Dinge gleichzeitig einprägen kann.
• Entdecken Sie mit Ihrem Kind, wo sich Lerninhalte im Alltag wieder finden und nutzen lassen. Viele Alltagssituationen bieten eine gute Wiederholung für Gelerntes. Bei manchen Tätigkeiten, wie z.B. dem Einkauf, dem gemeinsamen Kochen oder dem Lesen eines Fahrplanes, benötigen Sie dann vielleicht etwas länger, aber es ist eine sinnvolle Investition und fördert die Motivation
• Nehmen Sie die Erfolge Ihres Kindes wahr und benennen Sie sie. Erfolge, die als solche erkannt werden, motivieren zur Weiterarbeit.
• Loben Sie die Qualitäten Ihres Kindes mehr als die Resultate! Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, bei Hausaufgaben und Klassenarbeiten nur die Fehler zu finden. Wichtiger ist die innere Arbeitshaltung Ihres Kindes! Letztendlich ist langfristig nicht das Ergebnis oder die Note unter der Arbeit entscheidend, sondern auf Dauer zählen die Lernqualitäten Ihres Kindes.
• Vermeiden Sie negative Bemerkungen, die Kinder unter Druck setzen, egal ob Sie sich direkt an die Kinder wenden oder sich anderen gegenüber äußern. Gemeint sind Sprüche wie „so wird nie etwas aus dir“, „stell dich nicht so an, du kannst das“, „ich weiß, das er das kann – er will nur nicht“!
• Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind weiß, wie es an eine Aufgabe herangehen muss und dass es die Aufgabenstellung verstanden hat!
Dies sind nur einige Tipps, was Sie in Hausaufgabensituationen bedenken können. Darüber hinaus gilt auch hier, dass jedes Kind individuelle Strategien und ggf. auch Unterstützung benötigt.

Jutta Gorschlüter ist seit vielen Jahren selbstständige Lern- und Kommunikationsberaterin in Münster (Westfalen)

 

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Spielraum Lernen ist eine im Jahr 2003 von Jutta Gorschlüter gegründete lerntherapeutische Praxis in Münster (Nordrhein-Westfalen). Jutta und Marie Gorschlüter und ihr Team begleiten und unterstützen hier Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die eine lerntherapeutische Förderung in einem der folgenden Bereiche benötigen.
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