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Sven
Sven lebte in einer Pflegefamilie. Nachdem er nach einem Jahr Aufenthalt von der Mutter wieder zu sich genommen worden war, gab diese ihn nach 10 Monaten wieder dorthin zurück. Als ihm erneut eine Herausnahme durch seine Mutter drohte, wurde sein Verbleib mit einer Verbleibensanordnung durch das Gericht gesichert. Damals war er 8 Jahre alt. Die Mutter akzeptierte die Anordnung und erklärte, dass Sven so lange in der Pflegefamilie leben könne, solange er dies wolle.
Es gab nach der Anordnung geplante Kontakte, dann als Sven 10 Jahre alt war, ging er zur Mutter, wann er es wünschte. Spontan konnte er dort auch übernachten. Es gab darüber Einvernehmen zwischen den Pflegeeltern und der leiblichen Mutter, die inzwischen gut miteinander auskamen.
Als Sven 12 Jahre alt war, heiratete seine Mutter erneut und brachte bald darauf einen kleinen Jungen zur Welt. Sven besuchte die Familie nun intensiv, übernachtete alle 14 Tage und ging auch in der Woche nachmittags öfter hin. Als der kleine Junge 4 Monate alt war, erklärte Sven plötzlich, dass er zu seiner Mutter ziehen wolle.
Alle Beteiligten waren überrascht. Weder Pflegeeltern, noch leibliche Mutter, auch nicht die Sozialarbeiterin des Jugendamtes verstanden was in ihm vorging und waren vom Donner gerührt. Es hatte keinerlei Probleme in der Pflegefamilie oder sonst wo gegeben. Er blieb bei seinem Wunsch, auch wenn er bei seinen Äußerungen hin und wieder weinen musste.
Alle Erwachsenen waren verwirrt und sahen sich nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, den Sven gab keine Erklärung zu seinem Wunsch ab.
Bei einem ersten Treffen von Sven mit einer unabhängigen Fachkraft, die ihm daraufhin vom Jugendamt zur Seite gestellt wurde, erläuterte er seine Entscheidung:
Er habe das Gefühl, dass er auf den kleinen Bruder aufpassen müsse. Seine Mutter hat das mit ihm früher auch nicht geregelt bekommen und er wolle nicht, dass dem Kleinen irgendetwas passieren würde. „Mama und Papa, (Pflegeeltern) kriegen das hin wenn ich gehe, die können mich gehen lassen, die können auch ohne mich leben, die schaffen das, aber B (Name der Mutter) kann das nicht, die kann das nicht allein mit dem Baby, da muss ich da sein.“
Alle Erläuterungen, dass das Baby ja auch noch einen Papa habe und B. ja nun älter sei, konnten ihn nicht beruhigen. Er wolle und müsse jetzt dorthin.
Sven erlaubte der Sozialarbeiterin, zwar den Pflegeeltern seine Gedanken zu erzählen, aber nicht der leiblichen Mutter.
Beim nächsten bald erfolgenden Hilfeplangespräch wurde vereinbart, dass Sven vorerst zur leiblichen Mutter umzieht, jederzeit die Pflegeeltern besuchen kann und dass die Fachkraft für ein halbes Jahr als Erziehungsbeistand die Aktion begleiten sollte. Am Ende des halben Jahres sollte dann ein erneutes Hilfeplangespräch stattfinden, mit der Klärung, wo Sven dann wohnen werde.
Sven und seine Mutter empfanden die Umstellung als schwer und immer wieder dachte seine Mutter, er würde wieder zur Pflegefamilie gehen. Nach 5 Monaten wurde das nächste Hilfeplangespräch zwischen Sven und der ihn in dieser Zeit intensiv begleitenden Fachkraft vorbereitet. Diese besprach dann seine Überlegungen mit der Pflegefamilie und der Mutter.
Sven wollte bei der Mutter bleiben, aber in beiden Familien zuhause sein. Er wollte in beiden Familien Familienfeste feiern, regelmäßig Ferien verbringen - er wollte in beiden Familien der Sohn bleiben.
So wurde es gemacht.
Inzwischen sind die Jahre vergangen und Sven ist erwachsen. Seinen Pflegeeltern ist er weiterhin ein Sohn, er nennt sie weiterhin Mama und Papa. Er ist ihnen auch jetzt noch eng verbunden.
Als sein 'kleiner' Bruder in die weiterführende Schule kam, ist Sven bei seiner Mutter ausgezogen und hat zu ihr nun sehr wenig Kontakt.