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Die Sonderschule als Hilfe
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Vor einiger Zeit stellte ich fest, dass mein Pflegesohn in der zweiten Klasse der Grundschule nicht mehr mitkam – und je weniger er mitkam, um so weniger hat er auch mit gearbeitet.
Die Lehrerin sagte immer, dass er zu langsam wäre und im Rhythmus der Klasse nicht mitkommen würde. Die Klasse hatte 30 Kinder und sie konnte sich nicht um die einzelnen Kinder kümmern. So entwickelte sich unser Sohn zum Klassenclown. Er und auch wir waren nicht glücklich darüber.
So stellten wir ihn beim Schulpsychologischen Dienst unserer Stadt vor und von dort wurde uns geraten, das Kind auf die Sonderschule für Lernbehinderte zu geben. Es war kurz vor den großen Ferien und nun sollten wir mit ihm das Sonderschulaufnahmeverfahren durchlaufen. Dies ist ziemlich zeitaufwendig und bedeutete, dass eine Umschulung im folgenden Schuljahr nicht möglich gewesen wäre. Die Grundschullehrerin wollte unseren Sohn weiter in ihrer Klasse behalten und eben ein Jahr mitlaufen lassen.
Diesen Vorschlag wollten wir nicht akzeptieren. Unser Pflegesohn hätte weiterhin immer weniger getan und keine Arbeitsleistung an den Tag gelegt. So habe ich mich unmittelbar an die Sonderschule gewandt und dort das Gutachten des Schulpsychologsichen Dienstes vorgestellt. Ich habe die Wichtigkeit der Umschulung sehr deutlich gemacht und tatsächlich bemühte sich die Schule sehr und auf dem kurzen Dienstweg zwischen allen zu berücksichtigenden Ämtern und Abteilungen gelang es, einen schnellen Beschluss zur Umschulung herbei zu führen.
So konnte unser Sohn im nächsten Schuljahr schon die Sonderschule besuchen. Er wurde wiedereingeschult ins erste Schuljahr. Dann stellte sich schnell heraus, dass er für das zweite Schuljahr geeignet ist. In kürzester Zeit hat er Lesen gelernt und ist jetzt Klassenbester.
Er ist wesentlich ruhiger, fühlt sich anerkannt, hat mehr Selbstbewusstsein, macht gerne Hausaufgaben ( und dies in kürzester Zeit) und geht gern in die Schule.
Die Klasse ist wesentlich kleiner als die vorherige, jetzt sind nur 12 Kinder dort. Wenn die Kinder nicht mehr können, wird gespielt. Die Gestaltung des Unterrichts ist wesentlich freier. Die Kinder werden da von den Lehrerinnen abgeholt, wo sie stehen. Jedes Kind hat sein eigenes Lernprogramm welches auf das spezielles Wissen und Können dieses Kindes hin entwickelt wurde. Er ist nicht unterfordert, da er ja mit seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten lernen kann. Die Lehrer holen ihn da ab, wo er ist, und das befriedigt sein Gefühl und bestärkt sein Können.
Wir hatten in unserer Nachbarschaft kein Problem mit dem Wechsel. Die Schule hat einen guten Ruf und wir wurden verstanden. Es ist natürlich so, dass das soziale Umfeld der Kinder in seiner Klasse vielfach schwächer ist als dass der Pflegekinder und deren Pflegefamilien. Ich habe aber keine Angst, dass er negativ beeinflusst wird, denn dann greift die Klassenlehrerin ein.
Beim letzten Elternsprechtag haben die Lehrer uns gesagt, dass – wenn er jetzt so weiter lernen wird wie bisher – er nach der vierten Klasse wieder auf die Regelschule gehen kann.
Durch den Wechsel entstand zwischen uns Pflegeeltern und unserem Sohn ein wesentlich entspannteres Verhältnis. Wir waren nicht mehr die Hilfslehrer der Nation. Jetzt arbeitet er selbstständig. Da er aber immer noch Flüchtigkeitsfehler macht, kontrolliere ich noch. Wenn er diese Fehler mal lassen könnte, bräuchte ich gar nicht mehr die Schulaufgaben mit ihm zu machen, weil er das inzwischen wirklich gut selbst gemanagt bekommt.
Wir sind froh, dass wir damals so entschieden haben. Wir haben uns und ihm damit einen großen Gefallen getan.