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24.02.2018
Erfahrungsbericht

Luzie - Teil IV

Wir können weiter die Entwicklung von Luzie verfolgen.

Themen:

Die Ferien waren vorbei und der Alltag hatte uns wieder. Morgens ging es zur Schule und zum Kin-dergarten und Luzie blieb bei mir. Luzie saugte mit ihrem Kinderstaubsauger hinter mir her und wollte alles tun, was ich auch tat. Wehe es klappte nicht, dann ging ihr Gemecker los. Das war nicht immer schön, denn ihre Stimme war sehr hoch und laut.

Jetzt wurden Feste im Kindergarten und der Schule organisiert und es herrschte ein reges Treiben bei uns oder bei anderen Vorbereitungstreffen. Luzie war immer dabei und guckte sich das lustige Treiben an. Wenn ihr alles zu viel wurde, kam sie zu mir auf den Arm und schrie nicht mehr so schnell los. Die Freunde unserer anderen Kinder nahmen sie auch schon mal gerne in ihre Mitte und spielten mit ihr. Sie mischte schon richtig mit und hatte ihre Freude daran.

Das Abschlussgespräch im SPZ stand bevor und ich war schon auf die Auswertung gespannt. Zu dem Gespräch begleiteten mich Luzies Sozialarbeiterin vom Jugendamt und ihr Ergänzungspfleger. Es war ein sehr informatives und nettes Gespräch mit allen Beteiligten.

Luzies Diagnosen lauteten:
1. Allgemeine Entwicklungsstörung mit zusätzlicher ausgeprägter Sprachentwicklungsstörung
2. Zeichen eines fetalen Alkohol-Syndroms
3. Kein Anhalt auf eine Bindungsstörung
4. Zustand nach Deprivation in der Herkunftsfamilie.

Das sie starke Entwicklungs- und Sprachstörungen hat, war mir ja bewusst, denn wir erleben sie ja täglich. Ab September soll Luzie in den integrativen Kindergarten gehen. Dort bekommt sie dann Logopädie und dann wird sie auch das sprechen besser lernen. Mit dem Fetalen Alkoholsyndrom, auch dies wussten wir, müssen wir schau`n, was da noch auf uns zu kommt. Allerdings sagte ein FAS Facharzt bei einer Fortbildung scherzhaft zu mir, Luzie hätte doch noch Glück im Unglück. Sie kam ja in der 31. Schwangerschaftswoche zur Welt und da das Gehirn sich in den letzten Schwangerschaftswochen voll entfaltet, reifte es auch bei ihr, aber OHNE Alkohol. So konnte man es auch mit einem weinenden Auge betrachten.

Bei den Tests zum Bindungsverhalten von Luzie, konnte man sehen, dass sie sich an uns binden kann und auch möchte. Das war mir ganz wichtig, damit sie richtig sicher bei uns leben kann. WIR hatten uns schon ganz fest an Luzie gebunden.

Den Bericht bekam ich einige Tage nach unserem Abschlussgespräch zugeschickt und wenn sie sich weiterhin so positiv weiter entwickelt, freuen wir uns.

Der nächste Hilfeplan stand an und wieder trafen sich Luzies Sozialarbeiterin, ihr Ergänzungspfleger, unsere pädagogische Betreuerin vom Träger und wir. Wir berichteten vom SPZ Termin und wie das tägliche Leben mit unserem lauten Wirbelwind ist. Luzie ist ein Kind für “draußen“. Sie fährt mit ihrem Roller und rennt hinter dem Hund her. Sie klettert die Leiter ihrer Rutsche so schnell und sicher hinauf, dass man manchmal die Luft anhält. Treppensteigen und Trampolinspringen ist auch kein Problem mehr für unsere Madam.

Da alle Rahmenbedingungen passten und wir gut mit Luzie zurechtkamen, stuften wir die Be-treuungsintensität durch unseren Träger in gemeinsamer Absprache herab. Bei Bedarf kann der Betreuungsschlüssel wieder erhöht werden.

Veränderungen jeglicher Art irritieren Luzie nach wie vor, jedoch nicht mehr so lang anhaltend und stark, wie am Anfang.
Das Thema “Essen“ ist ihr auch weiterhin wichtig, aber sie probiert alle Lebensmittel, ist nicht zu wählerisch, und neigt auch nicht zu übermäßigen Essen.
Sie sucht den Körperkontakt und fordert ihre Bedürfnisse nach Körperkontakt, Schmusen und Tollen deutlich ein.
Über den zukünftigen Kindergartenbesuch wurde in dem Hilfeplangespräch auch gesprochen. Wichtig war mir, dass Luzie nicht bis spät am Nachmittag im integrativen Kindergarten bleiben muss. Sie ist dafür noch zu schwach und zierlich und würde bei den anstehenden Therapien und Spielangeboten schnell ermüden. Das hatte ich vorab schon mit dem Kindergarten abgesprochen.

Zu Luzies leiblicher Mutter und leiblichen Vater hat sie keinen Kontakt und zu ihren acht Halbge-schwistern auch nicht. Luzies leiblicher Vater hat sich beim Jugendamt einmal nach ihr erkundigt und nach evtl. Kontakten gefragt. Unsere Sozialarbeiterin hat ihm von Luzie und von unserer Familie erzählt und das fand er schön und es reichte ihm im Moment.

Dann sprachen wir auch darüber, dass mein Mann und ich die Pflegschaft für Luzie übernehmen sollen. Der Ergänzungspfleger schreibt an das Gericht, dass dieses ihn aus der Pflegschaft entlassen soll und wird uns als Pfleger für Luzie vorschlagen. Ebenso soll die Fallübergabe im nächsten Jahr zu unserem Heimat-Jugendamt erfolgen. Die Zusammenarbeit mit diesem Jugendamt klappe richtig gut. Man behandelte sich äußerst respektvoll und arbeitete auf “Augenhöhe“ miteinander. Hier stand ganz klar Luzie im Vordergrund und das war für uns sehr angenehm.

Die Zeit bis zu den Ferien verging wie im Flug. Wir kauften eine Kindergartentasche für Luzie, die sie sich natürlich ausgesucht hatte. Sie war ganz stolz auf ihre neue Tasche.

Den Kindergarten kannte Luzie schon von unserer größeren Pflegetochter. Diese besuchte ihn noch bis zu den Sommerferien und danach ist sie ein Schulkind. Luzie kannte schon ihre zukünftigen Erzieherinnen, die Heilpädagogin und den Motopäden. Die Gruppenräume waren ihr auch schon vertraut und so ist nicht alles neu und fremd, wenn sie nach den Ferien dorthin gehen soll.

Unser Urlaub stand an und wir packten unsere Koffer und Taschen. Für Luzie etwas neues und aufregendes. Sie packte auch ihre und die Sachen ihrer älteren Geschwister ein und wieder aus und machte sich einen Spaß daraus, wenn die großen Geschwister aufgeregt ihre Sachen wieder einpackten. Ein heilloses Durcheinander, aber alle freuten sich schon auf unseren Urlaub in Nordholland. Seit Jahren fahren wir schon dorthin und wir erholen uns prima. Endloser breiter Sandstrand, Fahrradtouren, Strandspaziergänge, Fricandel und Fritten………….. Unsere Kinder kennen sich dort aus und es ist ihnen dort nicht fremd. Sie treffen sich mit anderen Kindern auf dem Wasserspielplatz in unserem Ferienpark und jeder ist zufrieden.

Die Sachen wurden ins Auto verstaut und alle waren schon ganz zappelig. Die Kids verabschiedeten sich noch von unseren Tieren und das nahm einige Zeit in Anspruch. Danach ging es endlich los und das Auto setzte sich in Bewegung. Nach knapp drei Stunden standen wir mit sehr aufgeregten Kin-dern vor unserem Ferienhaus und schleppten Taschen, Sandspielzeug, Drachen ….. ins Haus. Erstaunlich was in einem Auto so alles Platz findet. Die drei großen Kids liefen schon einmal zum Wasserspielplatz und Luzie war darüber sehr entsetzt und tat das lautstark kund. Nun lernten wir auch direkt unsere Nachbarn im Haus neben uns kennen. Sie schauten etwas sparsam als sie unsere zarte Luzie mit ihrer hohen und lauten Stimme entdeckten. Wir begrüßten sie freundlich und nett und sie gingen wieder ins Haus zurück.

Wir haben Luzie mit Gummibärchen ein paar Minuten ablenken können, aber dann mussten wir auch mit ihr zum Spielplatz gehen. Sie schaute sich alles ganz aufmerksam an und nahm Platz auf einer Wippente. Dort blieb sie auch ca. 15 Minuten sitzen und dann gab es für sie kein Halten mehr. Sie kletterte mit allen Kindern um die Wette und hatte ihren Spaß. Es war schön anzusehen, welche Freude sie hatte. Natürlich wollten die drei anderen Kinderchen an den Strand. So beluden wir uns mit Schüppe, Eimer und einem Flugdrachen (es war total windstill!!) und gingen zum Strand. Alle Kinder waren ein wenig aufgedreht und rannten dort nur hin und her. Danach wurde gebuddelt, als wenn man zwei Wochen Urlaub an einem Nachmittag erleben musste. Dann ging es zurück zum Haus und jeder wollte zuerst unter die Dusche. Entspannung fühlt sich anders an, aber nach knapp einer Stunde standen meine Lieblinge sauber in der Küche. Zum Abendessen gab es holländische Spezialitäten ( Fricandel spezial, Fritten ….) und alle waren glücklich. Luzie war so müde, dass sie bald auf dem Stuhl eingeschlafen wäre. Es war immerhin schon 2o.30 Uhr und alle Kids gingen total müde ins Bett. Eine herrliche Ruhe trat ein und der erste Urlaubsabend war warm, windstill und die Terrasse lud zum verweilen ein.

Die Urlaubszeit verbrachten wir mit Fahrradtouren, Strandspaziergänge, herum gammeln, schwim-men und spielen auf dem Wasserspielplatz. Luzie fühlte sich wohl, war abends aber hundemüde und fiel ins Bett. Ihre Schreiattacken nahmen ab und wir erholten uns alle gut. Gut, dass unsere jungen kinderlosen Nachbarn nach einer Woche abgereist sind, die fühlten sich durch unsere Kinderschar und deren Freunde doch in ihrer Ruhe gestört. Das ist nun mal in einem familienfreundlichem Park gewollt, dass Kinder spielen und Familien sich wohlfühlen. Nett wie ich war, konnte ich ihnen aber eine schöne ruhige Seniorenresidenz im Nachbarort empfehlen. Wir kannten uns ja aus, denn wir residieren ja jährlich in diesem Park.

Nach vierzehn Tagen war aber auch unser Urlaub vorüber und wir packten unsere Sachen. Wie immer hatten wir zu viel mitgenommen und beluden unser Auto. Luzie schaute sich alles ganz aufmerksam an und blieb immer in meiner Nähe. Dann ging die Fahrt los und Luzie schlief schon nach dem ersten Kilometer in ihrem Sitz ein.

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