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Entscheidungsbefugnis der Vollzeitpflegeperson
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Das Jugendamt Karlsruhe informiert dazu auf seiner Internetseite folgendermaßen:
Im Erziehungsalltag von Pflegefamilien taucht immer wieder die Frage nach den Entscheidungsbefugnissen der Pflegeeltern bzw. der Notwendigkeit der Einbeziehung des Sorgeberechtigten auf. Hier deshalb einige grundlegende Informationen dazu.
Lebt ein Vollzeitpflegekind längere Zeit in Familienpflege so hat die Pflegeperson gemäß § 1688 BGB die Befugnis, in Angelegenheiten des täglichen Lebens Entscheidungen für das Pflegekind zu treffen, sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten ("Alltagssorge"). Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge nicht ausdrücklich etwas anderes erklärt. Die Pflegeperson ist berechtigt, bei Gefahr im Verzug für das Kind alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen erforderlich sind.
Dies soll grundsätzlich eine Handlungsfähigkeit der Pflegepersonen im Alltag gewährleisten. Unter "Angelegenheiten des täglichen Lebens" versteht man häufig vorkommende Situationen, die eine Entscheidung erfordern, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes aber ohne Aufwand wieder abänderbar sind. Grundentscheidungen bleiben dem Sorgeberechtigten vorbehalten. Im Rahmen dieser Grundentscheidungen des Sorgeberechtigten können die Pflegeeltern ihre Alltagsentscheidungen treffen.
Hier einige Beispiele zu Entscheidungen, die die Pflegeeltern im Rahmen der Alltagssorge treffen können:
- Die Wahrnehmung alltäglicher schulischer Belange: Unterschrift zu Klassenarbeiten, Schulzeugnissen, Teilnahme an Klassenpflegschaftssitzungen und Übernahme eines Amtes, Arbeitsgemeinschaften und Lehrergesprächen
- Elternabende in Kindertageseinrichtungen
- Routinemäßige Arztbesuche und Entscheidungen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge
- Notfallbehandlungen oder Notfalloperationen, die keinen Aufschub ermöglichen
- Anmeldung im Sportverein (bei der Ausübung von Risikosportarten ist die Absprache mit dem Sorgeberechtigten sinnvoll), Musikverein etc.
- Teilnahme an Urlaub und Freizeitangeboten (bei Reisen in Länder mit hohen gesundheitlichen Risiken oder Krisengebieten ist die Absprache mit dem Sorgeberechtigten notwendig)
- Anschaffungen, Einkäufe fürs Pflegekind
- Besuche des Kindes bei Freunden oder Verwandten der Pflegefamilie
Beispiele von Entscheidungen, die der Sorgeberechtigte als Grundentscheidung treffen muss:
- Anmeldung des Pflegekindes in einer Tageseinrichtung, Schule
- Schulwechsel, Entscheidung über weiterführende Schule
- Berufliche Ausbildung, Abschluss eines Ausbildungsvertrages
- Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, Taufe, Kommunion, Konfirmation
- Impfungen, aufschiebbare Operationen, langwierige medizinische Behandlungen und Narkoseeinwilligungen
- psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlungen des Kindes
- Beantragung eines Kinderausweises
Die Grundentscheidungen werden natürlich nicht wahllos an den Pflegeeltern vorbei getroffen. Diese Entscheidungen werden in Hilfeplangesprächen zwischen Jugendamt, Sorgeberechtigten und Pflegeeltern besprochen und vereinbart. Ergänzend zum §1688 BGB können Sorgeberechtigte den Pflegeeltern eine Vollmacht ausstellen, die ihnen erlaubt, bestimmte Entscheidungen für das Kind zu treffen.
Entscheidungen bei denen im Zweifelsfall schwer zwischen Alltagsentscheidung und Grundentscheidung zu trennen ist, empfiehlt sich die Absprache mit dem Sorgeberechtigten oder die Rücksprache mit dem Pflegekinderdienst.