Aufwachsen in der Familie – Auszüge aus einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter
In der Empfehlung „Hilfe zur Erziehung in Pflegefamilien und in familienähnlichen Formen“ aus Dezember 2002 setzte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) mit der Frage der Familie für die Erziehung eines Kindes auseinander. Einen Teil der Empfehlung über die Bedeutung der Familie als Lebensort für das Kind wollen wir Ihnen auszugsweise vorstellen.
In der Empfehlung „Hilfe zur Erziehung in Pflegefamilien und in familienähnlichen Formen“ aus Dezember 2002 setzte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) mit der Frage der Familie für die Erziehung eines Kindes auseinander. Diesen Teil des ‚Aufwachsens in der Familie‘ möchte ich Ihnen auszugsweise vorstellen.
Die bevorzugten organisatorischen Formen – zumindest soweit Unterbringung Kinder vorgehalten werden – haben die Familie zum Vorbild. Seit langem gilt eine fachliche Grundregel (Ausnahmen vorgesehen): je jünger das unterzubringende Kind ist und je länger die Zeitdauer der Unterbringung einzuschätzen ist, um so eher ist eine Familienerziehung oder zumindest eine familienähnliche Erziehung angezeigt.
Aufwachsen in der Familie – Strukturmerkmale
Unter Familie wird im Folgenden das Zusammenleben von Eltern, Elternteilen, Stiefeltern mit ihren Kindern verstanden.
Das Zusammenleben ist gekennzeichnet durch die Absicht der Erwachsenen, dies auf Dauer zu tun bzw. diese Bindungen lebenslang einzugehen. Dazu gehört die Gewissheit und Akzeptanz, nunmehr umfassende Verantwortung für die Kinder übernommen zu haben und persönlich für die Kinder – und umgekehrt die Kinder für die Eltern – unersetzbar zu sein, sowie alle Alltagsprobleme primär selbst (in gegenseitiger Unterstützung) zu lösen.
Die für unser Thema relevanten Merkmale des Erziehungskontextes der Familie lassen sich wie folgt beschreiben:
1. Einmaligkeit
Da ein Familienmitglied keinen Platz einnimmt, der wieder aufgefüllt werden kann, sondern hier ein Lebenszyklus der Elternschaft abläuft, vermittelt sich für alle Mitglieder das Bewusstsein und das Selbstbild der Einmaligkeit der Person und der Einmaligkeit des familialen Beziehungsgefüges (als identitätsstiftende Abgrenzung zum übrigen sozialen Umfeld). Dies gilt sinngemäß auch für „zusammengesetze Familien“.
2. Dauerhaftigkeit
Da eine Familie sich nicht leicht der „Schicksalsverbundenheit“ ihrer Mitglieder entledigt (ist sie erst mal etabliert), erweist sie sich (noch) als die dauerhafteste Primärgruppe in unserer Gesellschaft. Für Kinder bedeutet dies ein vergleichsweise stabiles emotionales und kognitives Lernfeld, das die elementaren Bedürfnissee nach Sicherheit und Geborgen befriedigen kann.
3. Alltagsbezug
Da eine Familie eine Haushaltsgemeinschaft darstellt, die komplexe Versorgungs- und Betreuungsaufgaben zu bewältigen hat, die darüber hinaus in der Praxis nur bedingt planbar sind, geschieht Erziehung weniger als expliziter denn als impliziter Vorgang.
Kinder und Jugendlich lernen durch zuschauen, Mittun, Aufgabenübernahme, Anpassung an situativen Gegebenheiten etc.
Viele Fertigkeiten zum Leben lassen sich auf diese Weise effektiver erlernen als in Institutionen. Erziehung bedarf weniger eigens dafür geschaffener Inszenierungen. Kinder und Jugendliche wollen Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft sein, sie wollen i.d.R. nicht „erzogen“ werden.
4. Körperlichkeit des Zusammenlebens
Bei Entwicklung und Versorgung der Kinder spielt Körperlichkeit eine zentrale Rolle. Die Aktivitäten der Familie zentrieren sich in der Anfangsphase geradezu in diesem Bereich. Alle Familienmitglieder werden in ihrer Körperlichkeit und in ihrer körperlichen Entwicklung erfahren und prinzipiell darin angenommen. In diesem Zusammenhang spielen auch die Zubereitung des Essens, die gemeinsamen Mahlzeiten, Krankheit, Missempfindungen u.ä. eine große Rolle.
5. Normalität als „Modell“.
Nach wie vor wächst die Mehrzahl aller Kinder mit ihren Eltern in der Familie auf. Trotz der zu beobachtenden Vielfalt von Lebensformen hat die statistische Normaliträt orientierende Bedeutung für Kinder in Bezug auf das von ihnen angestrebte Erwachsenendasein (sowie die Kenntnisse darüber) und in Bezug auf das Gefühl, gesellschaftlich integriert und anerkannt zu sein.
Mit diesen fünf Merkmalen soll nicht einer Idealisierung der Familie Vorschub geleistet werden. Es ist auch keine erschöpfende Darstellung des Sozialisationsfeldes „Familie“. Die konkrete Ausprägung dieser Merkmale unterliegt selbst gesellschaftlichem Wand und die typischen Probleme, die sich heute in Familien zeigen, sind hinlänglich bekannt. Die Vorstellungen davon, welche Formen des Zusammenlebens den „Normalitätsbegriff“ treffen, unterliegen einem schnellen Wandel. [...]
Gleichwohl muss man davon ausgehen, dass diese Merkmale zusammengenommen einen Kontext darstellen, den ein Kind prinzipiell nicht für längere zeit entbehren kann, ohne dass seine Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt wird. Kinder, die der Erziehungshilfe außerhalb ihres Elternhauses bedürfen, brauchen somit einen Lebenszusammenhang, der möglichst viele diese Merkmale aufweist. [...]
Erziehung in der Vollzeitpflege – Die Pflegefamilie
Die Pflegefamilie weist mit zwei Einschränkungen alle o.g. Merkmale der Familienerziehung auf. Die Ausnahme besteht in der fehlenden biologischen Abstammung und in der nicht in jedem Falle langen und feststehenden Dauer der Mitgliedschaft des Pflegekindes. Dies allerdings sind Gegebenheiten, die grundsätzlich mit einer Fremdplatzierung verbunden sind. Die Pflegefamilie genießt in gewissem Umfang einen besonderen Schutz ( Art. 6 Abs. 1 u. 3 GG i.V. mit § 1632 Abs. 4 BGB).
Eine Pflegefamilie muss sich auf einen vielschichtigen Veränderungs- und Irritationsprozess einlassen, um das Pflegekind für längere Zeit als Mitglied aufzunehmen, insbesondere beinhaltet dies:
Öffnung/Lockerung der Grenzen nach außen durch die Anforderung, mit dem Jugendamt und den Personensorgeberechtigten zu kooperieren
Annahme des Kindes mit seiner Biografie und seinen Problemen
Respektierung der Herkunftseltern des Kindes
Bereitschaft, bestehende Gewohnheiten, Regelungen, Arrangements in der Familie evtl. grundlegend zu verändern.
[...]
Es lässt sich vermuten, dass Pflegestellen deshalb ein erfolgversprechendes Arrangement darstellen, weil alle wesentlichen Merkmale der Familienerziehung vorhanden sind und zusätzlich den außerordentlichen Anforderungen Rechnungen getragen wird durch die Bereitschaft der Pflegeeltern, kontinuierliche Beratung und Unterstützung anzunehmen.
[...]
Um zu gewährleisten, dass geeignete Pflegestellen zur Verfügung stehen, qualifiziert fachlich beraten und unterstützt werden (Rechtsanspruch der Pflegeperson: § 37 Abs. 2 SGB VIII), bedarf es zur Wahrnehmung dieser Aufgabe einer fachdienstlichen Leistung in Trägerschaft des Jugendamtes oder in freier Trägerschaft.
In einer Anlage zu den Empfehlungen hat die BAGLJÄ ‚Abgrenzungskriterien und Unterscheidungsmerkmale für die erzieherischen Hilfen im Rahmen der Vollzeitpflege § 33 und der Heimerziehung, sonstige betreute Wohnformen § 34 SGB VIII zusammengetragen. Einige Unterschiede haben sich im Laufe der letzten 11 Jahre gesetzlich verändert. So muss z.B. nach dem entsprechenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes die fachliche Zuständigkeit für die Unterbringung bei einer Pflegeperson (eine Person, die ein Kind über Tag und über Nacht in ihrem Haushalt aufgenommen hat) gemäß § 86.6 SGB VIII wechseln, unabhängig davon, ob das Kind im Rahmen der § 33 oder 34 SGB VIII untergebracht worden ist. Ich möchte mich hier daher weniger auf die rein rechtlichen Unterschiede konzentrieren sondern Kriterien hervorheben, die die Pflegefamilie deutlich in ihrem Sein als FAMILIE hervorhebt.
Es handelt sich um eine Hilfe im privaten Kontext ohne institutionelle Anbindung
Materielle Leistungen zum Unterhalt von Pflegekindern sowie Kosten der Erziehung stellen grundsätzlich kein Einkommen der Pflegeperson im steuerrechtlichen Sinne dar
Pflegeeltern sind kindergeldberechtigt, wenn das Kind auf Dauer bei ihnen lebt
Taschengeld ist in der Pauschale „materielle Aufwendungen“ enthalten und wird in der Höhe von den Pflegepersonen individuell festgelegt.
Nach § 37 Absatz 2 SGB VIII haben Pflegepersonen Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Dies muss der Träger des Leistungsangebotes (Jugendamt oder freier Träger) sicherstellen.
Die Entscheidung für die Unterbringung in einer Pflegefamilie erfolgt nach Feststellung der Eignung für ein bestimmtes Kind…..
Das Jugendamt und/oder der betreuende freie Träger schließen mit der Pflegeperson eine Vereinbarung. Eine Weisungsbefugnis gegenüber der Pflegeperson besteht jedoch nicht.
Pflegepersonen haben gemäß § 1632 Abs. 4 BGB die Möglichkeit einen Antrag auf Verbleib für ihr Pflegekind zu stellen.
Gemäß § 1630 Abs. 3 kann das Familiengericht auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen.
Gemäß § 1685 Abs. 2 BGB haben Pflegeeltern ein Recht auf Umgang mit einem Pflegekind, wenn dieses für längere Zeit bei ihnen in Familienpflege war und dies dem Wohle des Kindes dient.
Das Bundesverfassungsgericht hat die zwischen Pflegekind und Pflegeeltern während eines länger andauernden Pflegeverhältnisses gewachsene Bindungen verfassungsrechtlich anerkannt und die Pflegefamilie unter den Schutz des Artikels 6 Abs. 1 und 3 Grundgesetz gestellt.
Es gibt noch weitere Regelungen, die das Kind als Familienmitglied einer Pflegefamilie in besonderer Weise hervorheben z.B.:
Die Möglichkeit der Namensänderung in den Namen der Pflegeeltern
Die steuerliche Bewertung des Pflegekindes wie die eines leiblichen Kindes bei den Pflegeeltern
Das Pflegekind erhält wie die leiblichen Kinder eine Waisenrente, wenn der Pflegevater oder die Pflegemutter sterben.
Diese Regelungen sind nur möglich, wenn das Kind im Rahmen des § 33 SGB VIII – Vollzeitpflege – untergebracht ist.
Zur Vorbereitung der Reform des SGB VIII - Zusammenfassung von Arbeitspapieren und Stellungnahmen mit dem Schwerpunkt Pflegekinder und angrenzende Bereiche.
Wie Trennungs- und Scheidungskinder haben natürlich auch Heimkinder und Pflegekinder ein Recht auf Umgang mit ihren Eltern, sowie die Eltern eine Pflicht und ein Recht zum Umgang haben. Bei diesen Kindern – und hier besonders bei Pflegekindern – ist es jedoch notwendig, dieses Recht des Umgangs auf eine mögliche Gefährdung des Kindes durch den Umgang selbst oder die Art und Weise des Umgangs zu überprüfen.
In dem seit 1. Januar 2023 gültigen Vormundschaftsrecht gibt es die Möglichkeiten, zusätzlich zur Person des Vormundes ergänzende Pfleger zu bestellen.
Die Umgangsregelung bei Kindern im Kinderheim oder in der Pflegefamilie/Erziehungsstelle muss sich an den Gründen und Zielsetzungen der Unterbringung orientieren. Der Aufenthalt im Heim und in der befristeten Vollzeitpflege ist zeitlich begrenzt mit der klaren Perspektive, dass das Kind zu der Herkunftsfamilie zurückkehren wird. Der Aufenthalt in der unbefristeten Vollzeitpflege ist eine auf Dauer angelegte Lebensform, die dem Kind neue Bindungen und Beziehungen in einer anderen Familie ermöglichen soll und Umgangskontakte dies dem Kind nicht unmöglich machen dürfen.
Wie in allen Bereichen unserer Gesellschaft wird es auch in der Pflegekinderhilfe zunehmend schwieriger, Personen für den ehrenamtlichen Bereich in der Betroffenenhilfe zu finden. Pflegeeltern scheuen sich, in Organisationen tätig zu werden - auf örtlicher oder überörtlicher Ebene. Aber wie soll es zu guten Rahmenbedingungen in der Pflegekinderhilfe kommen, wenn die Betroffenen selbst - die Pflegeeltern - sich nicht äußern, sich nicht selbst helfen, nicht den Mund aufmachen, wenig Haltung zeigen, mutlos sind? Der Austausch in den sozialen Medien mag dem Einzelnen helfen - aber verändern, verbessern, das Pflegekinderwesen örtlich und politisch beeinflussen: das geht nur über öffentliches Tun.
Die Adoption des Pflegekindes verändert völlig den rechtlichen Status des Kindes. Volljährige Pflegekinder können ebenfalls wie Minderjährige durch ihre Pflegeeltern adoptiert werden.
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Aufwachsen in der Familie – Auszüge aus einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter
Themen:
Die bevorzugten organisatorischen Formen – zumindest soweit Unterbringung Kinder vorgehalten werden – haben die Familie zum Vorbild. Seit langem gilt eine fachliche Grundregel (Ausnahmen vorgesehen): je jünger das unterzubringende Kind ist und je länger die Zeitdauer der Unterbringung einzuschätzen ist, um so eher ist eine Familienerziehung oder zumindest eine familienähnliche Erziehung angezeigt.
Aufwachsen in der Familie – Strukturmerkmale
Unter Familie wird im Folgenden das Zusammenleben von Eltern, Elternteilen, Stiefeltern mit ihren Kindern verstanden.
Das Zusammenleben ist gekennzeichnet durch die Absicht der Erwachsenen, dies auf Dauer zu tun bzw. diese Bindungen lebenslang einzugehen. Dazu gehört die Gewissheit und Akzeptanz, nunmehr umfassende Verantwortung für die Kinder übernommen zu haben und persönlich für die Kinder – und umgekehrt die Kinder für die Eltern – unersetzbar zu sein, sowie alle Alltagsprobleme primär selbst (in gegenseitiger Unterstützung) zu lösen.
Die für unser Thema relevanten Merkmale des Erziehungskontextes der Familie lassen sich wie folgt beschreiben:
1. Einmaligkeit
Da ein Familienmitglied keinen Platz einnimmt, der wieder aufgefüllt werden kann, sondern hier ein Lebenszyklus der Elternschaft abläuft, vermittelt sich für alle Mitglieder das Bewusstsein und das Selbstbild der Einmaligkeit der Person und der Einmaligkeit des familialen Beziehungsgefüges (als identitätsstiftende Abgrenzung zum übrigen sozialen Umfeld). Dies gilt sinngemäß auch für „zusammengesetze Familien“.
2. Dauerhaftigkeit
Da eine Familie sich nicht leicht der „Schicksalsverbundenheit“ ihrer Mitglieder entledigt (ist sie erst mal etabliert), erweist sie sich (noch) als die dauerhafteste Primärgruppe in unserer Gesellschaft. Für Kinder bedeutet dies ein vergleichsweise stabiles emotionales und kognitives Lernfeld, das die elementaren Bedürfnissee nach Sicherheit und Geborgen befriedigen kann.
3. Alltagsbezug
Da eine Familie eine Haushaltsgemeinschaft darstellt, die komplexe Versorgungs- und Betreuungsaufgaben zu bewältigen hat, die darüber hinaus in der Praxis nur bedingt planbar sind, geschieht Erziehung weniger als expliziter denn als impliziter Vorgang.
Kinder und Jugendlich lernen durch zuschauen, Mittun, Aufgabenübernahme, Anpassung an situativen Gegebenheiten etc.
Viele Fertigkeiten zum Leben lassen sich auf diese Weise effektiver erlernen als in Institutionen. Erziehung bedarf weniger eigens dafür geschaffener Inszenierungen. Kinder und Jugendliche wollen Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft sein, sie wollen i.d.R. nicht „erzogen“ werden.
4. Körperlichkeit des Zusammenlebens
Bei Entwicklung und Versorgung der Kinder spielt Körperlichkeit eine zentrale Rolle. Die Aktivitäten der Familie zentrieren sich in der Anfangsphase geradezu in diesem Bereich. Alle Familienmitglieder werden in ihrer Körperlichkeit und in ihrer körperlichen Entwicklung erfahren und prinzipiell darin angenommen. In diesem Zusammenhang spielen auch die Zubereitung des Essens, die gemeinsamen Mahlzeiten, Krankheit, Missempfindungen u.ä. eine große Rolle.
5. Normalität als „Modell“.
Nach wie vor wächst die Mehrzahl aller Kinder mit ihren Eltern in der Familie auf. Trotz der zu beobachtenden Vielfalt von Lebensformen hat die statistische Normaliträt orientierende Bedeutung für Kinder in Bezug auf das von ihnen angestrebte Erwachsenendasein (sowie die Kenntnisse darüber) und in Bezug auf das Gefühl, gesellschaftlich integriert und anerkannt zu sein.
Mit diesen fünf Merkmalen soll nicht einer Idealisierung der Familie Vorschub geleistet werden. Es ist auch keine erschöpfende Darstellung des Sozialisationsfeldes „Familie“. Die konkrete Ausprägung dieser Merkmale unterliegt selbst gesellschaftlichem Wand und die typischen Probleme, die sich heute in Familien zeigen, sind hinlänglich bekannt. Die Vorstellungen davon, welche Formen des Zusammenlebens den „Normalitätsbegriff“ treffen, unterliegen einem schnellen Wandel. [...]
Gleichwohl muss man davon ausgehen, dass diese Merkmale zusammengenommen einen Kontext darstellen, den ein Kind prinzipiell nicht für längere zeit entbehren kann, ohne dass seine Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt wird. Kinder, die der Erziehungshilfe außerhalb ihres Elternhauses bedürfen, brauchen somit einen Lebenszusammenhang, der möglichst viele diese Merkmale aufweist. [...]
Erziehung in der Vollzeitpflege – Die Pflegefamilie
Die Pflegefamilie weist mit zwei Einschränkungen alle o.g. Merkmale der Familienerziehung auf. Die Ausnahme besteht in der fehlenden biologischen Abstammung und in der nicht in jedem Falle langen und feststehenden Dauer der Mitgliedschaft des Pflegekindes. Dies allerdings sind Gegebenheiten, die grundsätzlich mit einer Fremdplatzierung verbunden sind. Die Pflegefamilie genießt in gewissem Umfang einen besonderen Schutz ( Art. 6 Abs. 1 u. 3 GG i.V. mit § 1632 Abs. 4 BGB).
Eine Pflegefamilie muss sich auf einen vielschichtigen Veränderungs- und Irritationsprozess einlassen, um das Pflegekind für längere Zeit als Mitglied aufzunehmen, insbesondere beinhaltet dies:
[...]
Es lässt sich vermuten, dass Pflegestellen deshalb ein erfolgversprechendes Arrangement darstellen, weil alle wesentlichen Merkmale der Familienerziehung vorhanden sind und zusätzlich den außerordentlichen Anforderungen Rechnungen getragen wird durch die Bereitschaft der Pflegeeltern, kontinuierliche Beratung und Unterstützung anzunehmen.
[...]
Um zu gewährleisten, dass geeignete Pflegestellen zur Verfügung stehen, qualifiziert fachlich beraten und unterstützt werden (Rechtsanspruch der Pflegeperson: § 37 Abs. 2 SGB VIII), bedarf es zur Wahrnehmung dieser Aufgabe einer fachdienstlichen Leistung in Trägerschaft des Jugendamtes oder in freier Trägerschaft.
In einer Anlage zu den Empfehlungen hat die BAGLJÄ ‚Abgrenzungskriterien und Unterscheidungsmerkmale für die erzieherischen Hilfen im Rahmen der Vollzeitpflege § 33 und der Heimerziehung, sonstige betreute Wohnformen § 34 SGB VIII zusammengetragen. Einige Unterschiede haben sich im Laufe der letzten 11 Jahre gesetzlich verändert. So muss z.B. nach dem entsprechenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes die fachliche Zuständigkeit für die Unterbringung bei einer Pflegeperson (eine Person, die ein Kind über Tag und über Nacht in ihrem Haushalt aufgenommen hat) gemäß § 86.6 SGB VIII wechseln, unabhängig davon, ob das Kind im Rahmen der § 33 oder 34 SGB VIII untergebracht worden ist. Ich möchte mich hier daher weniger auf die rein rechtlichen Unterschiede konzentrieren sondern Kriterien hervorheben, die die Pflegefamilie deutlich in ihrem Sein als FAMILIE hervorhebt.
Es gibt noch weitere Regelungen, die das Kind als Familienmitglied einer Pflegefamilie in besonderer Weise hervorheben z.B.:
Diese Regelungen sind nur möglich, wenn das Kind im Rahmen des § 33 SGB VIII – Vollzeitpflege – untergebracht ist.