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Adoption
Sehnsüchte, Konflikte, Lösungen
Themen:
Die Autoren beschreiben die breite Palette an positiven wie negativen Gefühlen, Schwierigkeiten und Konflikten, die eine Adoption innerhalb einer Familie begleiten. Eltern, die Kinder aufgenommen haben, finden hier Beschreibungen und Erklärungen, die manches in ein neues Licht setzen. Sie finden auch Tipps und Lösungsansätze.
Auszüge:
Besonderheiten des Jugendlichenalters - Seiten 118 und 119
Mit Erreichen der Adoleszenz wirkt sich die Adoption häufig negativ auf die Entwicklung einer sicheren Identität und eines positiven Selbstwertgefühls aus. Die Jugendlichen reagieren bei ihrer Identitätsfindung verstärkt mit Trauer- und Verlustgefühlen. Die Erfahrung, „unvollständig“ zu sein, auf wichtige eigene Wurzeln verzichten zu müssen, sie nicht zu kennen, ruft Wut und Ablehnung der aktuellen Lebenssituation hervor. Es geht darum, ein neues funktionsfähiges Gleichgewicht herzustellen, das die individuellen Wünsch nach Ablösung und Autonomie weder übertrieben betont noch sie aus Schuldgefühlen vermeidet. In dieser Entwicklungsphase kommt es darauf an, den Kontakt zur Adoptivfamilie zu erhalten und neu zu definieren.
[...]
Notwendig ist es deshalb, den Jugendlichen so weit zu unterstützen, dass er eine realistische Einschätzung der anstehenden Aufgaben und Möglichkeiten, sie zu lösen, gewinnt. Ohne ein Verständnis für die altersspezifischen Entwicklungsprobleme und den typischen Lebensstil des Jugendlichen lassen sich die von ihm gewählten Bewältigungsstrategien häufig nicht nachvollziehen, so dass sich familiäre Konflikte verschärfen können.
Rotmann charakterisiert die Beziehungsgestaltung dieser Altersspanne wie folgt:
„Neben die emotionale Distanzierung von Familienmitgliedern als den frühen Objekten, tritt eine Fülle von kurz dauernden Beziehungen zu Gleichaltrigen, zu älteren Führergestalten und ähnlichem. Sie sind oft stürmisch und ausschließlich, aber kurz dauernd. Daher rühren die enormen Wandlungsfähigkeiten und Anpassungsfähigkeiten in Schrift, Aussprache, Haartracht, Kleidung, Lebensgewohnheiten und Weltanschauung. Die Überzeugung, dass das jeweils willig Übernommene absolut richtig ist, verliert auch bei häufigem Wechsel nicht an Stärke und Leidenschaft“.
Dieses Zitat belegt, dass im Jugendalter mit wechselnden und heftigen Gefühlen, Beziehungsaufnahmen und –abbrüchen und einer starken Idealisierung, die sich rasch ändern kann, gerechnet werden muss. Hinter diesem „pubertären Gehabe“ verbirgt sich eine große Unsicherheit und die Suche nach neuen Werten und Vorbildern.
Von den Eltern werden in dieser Zeit Toleranz und unaufgeregte Kommentierung dieser wechselnden Stimmungen und Orientierungen verlangt. Sie sollten wissen, dass Ablehnung und Zuwendung schnell wechseln. Ein konstantes und wohlwollendes Beziehungsangebot ist gerade in dieser Phase wichtig, um die Situation nicht eskalieren zu lassen und um sich zuspitzende Konflikte zu entschärfen. Die Selbst- und Fremdeinschätzung der Jugendlichen ist durch eine hohe Ambivalenz gekennzeichnet. Dies führt zu einer emotionalen Instabilität, wechselnde Gefühlsqualitäten, sprunghafte Einstellungen und nicht erwarteten Beziehungsabbrüchen und – aufnahmen. In dieser Zeit kommt der sozialen Einbindung, der Idealisierung von Lebensplänen, von Wünschen und Beziehungsformen die Hauptaufgabe zu. Um diese erfolgreich zu lösen, braucht es realer Erfolge und einer wohlwollenden Unterstützung und Begleitung……………………
Seite 127
In der Adoleszenz steigt das Risiko adoptierter Jugendliche für psychische Störungen. Hintergrund hierfür ist eine neue Phase der Identitätsbildung im Sinne eines zweiten Individuationsprozesses. Der Jugendliche muss sich von den in der frühen Kindheit erworbenen Abhängigkeiten befreien und eigene Normen und Werte entwickeln. Wird in dieser Entwicklungsphase die Wut und Enttäuschung über die Eltern wieder belebt, dann kann sich dieses in irrationalere Gewalttätigkeit und narzisstischer Wut äußern. „ Eine unvollkommene Welt muss sich entweder beugen, oder sie wird zerstört“ (Blos 1990) Überhöhte Ansprüche und Erwartungen an sich selbst und anderen stehen dabei mit traumatischen Verlusten in der frühen Kindheit in enger Beziehung.
Stierlin (1994) hat als besonderen Entwicklungstrend im Jugendalter die zunehmende Individualisierung herausgestellt. Entsprechend der vorhandenen Perspektivenvielfalt fällt es dabei dem Jugendlichen schwer, eigene Entscheidungen zu finden und ein stabiles Selbstkonzept zu entwickeln. Der Prozess der Selbstfindung und der Identitätsbildung verlangt ein Gefühl der inneren Gleichheit und Kontinuität, Gegensätze innerhalb der eigenen Persönlichkeit müssen zu einer Synthese gebracht werden, um das Gefühl eines eigenen Lebensstils entwickeln zu können.
Da Jugendliche in der Regel Hemmungen haben „das wirklich Ausmaß ihrer Ängste, Sorgen und Konflikte mitzuteilen“ fällt es ihnen zumeist schwer, sich mit ihrem Adoptionsstatus aktiv auseinander zu setzen und eine eigene Identität zu finden.
Löslösung von den Eltern als Aufgabe der Adoleszenz bedeutet hier, sich sowohl von den biologischen wie soziologischen Eltern zu distanzieren, um eine wirkliche Ablösung zustande zu bringen.

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