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Kurzer Überblick über Ansprüche und Unterstützungsleistungen für FASD-Betroffene
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Eine Studie im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Rheinischen Fachhochschule Köln in Zusammenarbeit mit der Universitätskinderklinik Münster, durchgeführt im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013, hat teilweise erheblichen Informationsbedarf in Bezug auf rechtliche und finanzielle Unterstützungsleistungen für FASD Betroffene aufgezeigt.
Dieses Informationsblatt soll Betroffenen, Familien und Interessierten einen orientierenden Überblick über sozialrechtliche Anspruchsgrundlagen zur Förderung und Unterstützung bei FASD geben.
Die folgenden sozialrechtlichen Anspruchsgrundlagen wurden nur für minderjährige FASD Betroffene ausgearbeitet.
Behinderung und Nachteilsausgleich
Am Anfang muss die Diagnose „FASD“ fachlich zuverlässig gestellt werden. Dies ist eine Voraussetzung für die Zuerkennung einer Behinderung. Sobald für den von FASD Betroffenen ein bestimmter Grad einer Behinderung festgestellt wird, können damit u.a. auf Basis des Sozialgesetzbuchs IX sowie des Steuergesetzes behinderungsbedingte Ansprüche auf Nachteilsausgleiche bestehen.
Liegt der Grad der festgestellten Behinderung bei 50 oder mehr, erhält der FASD Betroffene vom Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis, einhergehend mit besonderen Nachteilsausgleichen (z.B. finanzielle Vergünstigungen, Steuerfreibeträge, Sonderurlaub, erweiterter Kündigungsschutz etc.).
Außerdem können im Rahmen einer Schwerbehinderung zusätzliche Merkzeichen vergeben werden. Im Zusammenhang mit FASD können die Merkzeichen „H“ (bei sog. Hilflosigkeit), „G“ (bei eingeschränkter Bewegungsfreiheit und Orientierungsfähigkeit) sowie „B“ (bei der Notwendigkeit einer Begleitung im Straßenverkehr/öffentlichen Verkehrsmitteln) von besonderer Relevanz sein.
Von einer geistigen Behinderung wird i.d.R. ausgegangen, wenn im Rahmen eines standardisierten Intelligenztests ein Quotient von unter 70 festgestellt wird. In diesem Fall sind für die oben aufgeführten Teilhabeleistungen die Träger der Sozialhilfe (Sozialamt) zuständig.
Von einer seelischen Behinderung wird i.d.R. ausgegangen, wenn ein Intelligenzquotient von über 70 festgestellt wird. In diesem Fall sind für die oben aufgeführten Teilhabeleistungen die Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt) zuständig.
Gesundheitsförderung
Grundsätzlich stehen auf Basis des Sozialgesetzbuchs V gesetzlich Versicherten Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung zu. Dieses gilt auch für Menschen, die von der Fetalen Alkoholspektrum-Störung betroffen sind. Voraussetzung jeglicher Therapieformen ist die konkrete Diagnose „FASD“. Seit dem 10. Dezember 2012 gibt es erstmalig im deutschsprachigen Raum, veranlasst durch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, für die Diagnose des Vollbilds „FAS“ eine evidenz-basierte S3-Leitlinie.
Während die Früherkennung im Wesentlichen mit der Diagnosestellung erfolgt, liegt die Frühförderung in der möglichen Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen wie Logopädie, Krankengymnastik oder neurologische Trainings, psychologischen und pädagogischen Hilfen begründet.
Frühförderungen können ärztlich verordnet werden. Die Kosten werden entsprechend von den Trägern der Krankenversicherung (Krankenkassen) getragen.
Werden die Förderungen nicht ärztlich verordnet, so werden die Kosten von dem jeweils zuständigen Träger der Eingliederungshilfe getragen
Pflegeleistungen
Bei Pflegebedürftigkeit des an FASD Erkrankten können Leistungen seitens der Pflegeversicherung gewährt werden. Grundlage bildet hier das Sozialgesetzbuch XI. FASD Betroffene können in eine Pflegestufe eingeordnet werden, sofern diese bei täglichen Verrichtungen (z.B. Körperpflege, Nahrungsaufnahme, hauswirtschaftliche Versorgung etc.) in erheblichem Maße (mehr als 90 Minuten täglich, davon 45 Minuten für die Grundpflege) und über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten Hilfe benötigen.
Die Bedürftigkeit wird nach Antragstellung durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) der Krankenkassen festgestellt.
In Abhängigkeit des festgestellten Grades (Pflegestufen I bis III, Härtefälle) bestehen Ansprüche auf häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege (Beratung, Sach- und/oder Geldleistungen).
Da das deutsche Sozialleistungssystem jedoch dem Grundsatz der Bedarfsdeckung folgt, können bzw. müssen nachrangig Leistungen durch die Sozialhilfe (SGB XII) erbracht werden, wenn die Leistungen der Pflegeversicherung den Bedarf/die Ausgaben für die Pflege des FASD Betroffenen nicht decken.
Wird der FASD Betroffene nicht in eine Pflegestufe eingestuft, so kann trotzdem ein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung bestehen, sogenannte Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz.
Leistungen und Eingliederung zur Teilhabe
Auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs XII sowie der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 werden FASD Betroffenen Leistungen ermöglicht, die ihnen die Teilhabe an allen Lebensbereichen der Gesellschaft ermöglichen sollen. Hierzu gehören Hilfen innerhalb und außerhalb der leiblichen bzw. Adoptiv- und Pflegefamilie (z.B. Sozialpädagogische Familienhilfe, Heimeinrichtung), Hilfen in der Kindergartenphase (z.B. individuelle 1:1 Betreuung im Regelkindergarten, Kindertagesbetreuung ab dem 2. Lebensjahr, Förderkindergarten, Logo- und Ergotherapie), Hilfen in der Schulphase (z.B. individuelle 1:1 Betreuung in der Regelschule, Förderschule), Hilfen in der Ausbildungs- und Berufsphase (z.B. Selbsthilfe- und Beratungseinrichtungen, Werkstätten), Hilfen in der Wohnungs-Phase (z.B. Einzelund betreutes Wohnen) sowie, soweit diese Angebote überhaupt bestehen, im Freizeit-Umfeld.
Entsprechende Leistungen können von den gesetzlichen Krankenkassen und der Bundesagentur für Arbeit (u. a. arbeitsplatzbezogene Maßnahmen, berufliche Qualifizierung, medizinische Rehabilitation) sowie der öffentlichen Jugendhilfe (bei seelischer Behinderung) und Sozialhilfe (bei körperlicher bzw. geistiger Behinderung) nach Beantragung und Prüfung gewährt werden.
Voraussetzung ist in einem zweistufigen Verfahren zunächst die Feststellung der Behinderung. Eine solche Prüfung kann durch einen diagnostizierenden Arzt erfolgen und wird von den Trägern auch oftmals gefordert.
Die Beurteilung einer konkreten Beeinträchtigung der Teilhabe in der Gesellschaft für den FASD Patienten erfolgt dann in einem zweiten Schritt i.d.R. durch Fachkräfte des jeweiligen Trägers bzw. Sozialpädagogen
Zukünftige Anforderungen
Als weitere Erkenntnis der durchgeführten Studie konnte festgestellt werden, dass sowohl die behandelnden Ärzte, die begutachtenden Behörden sowie die gewährenden Leistungsträger oftmals über keine vollständige Kenntnis zum Krankheitsbild der FASD verfügen. Insofern ist es ratsam, während der gesamten Phase der Diagnose, der Betreuung sowie ggf. erforderlichen Beantragungen Zweitmeinungen, ggf. Rechtsberatungen (auf die die Eltern der Betroffenen Anspruch haben) einzuholen. Die zukünftige Verbreitung des Wissens über FASD in allen Bereichen, die für die Diagnose, gesetzlichen Ansprüche und Förderungen FASD Betroffener zuständig sind, ist unumgänglich, um die Situation der an FASD erkrankten Menschen zu verbessern.
Für Anregungen und Fragen wenden Sie sich bitte an:
- Laura Lüders, Sozialarbeiterin, B.A., Gesundheitsökonomin, B.Sc. [fasd-2013@gmx.de]
- Dr. Reinhold Feldmann, Universitätskinderklinik Münster
- Prof. Dr. Ralf Kutsche, Rheinische Fachhochschule Köln gGmbH

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